Publiziert am: 23.03.2018

Schweizer Seen als Rohstofflieferanten «Immer mehr Regelungen belasten uns»

BAGGER- UND LASTSCHIFFE – In der Schweiz werden jährlich rund 2,4 Millionen Tonnen Sand, Kies, Splitt und Schotter aus den Seen gefördert. Der Transport der Rohstoffe auf Lastschiffen lohnt sich ökonomisch wie auch ökologisch.

INTERVIEW – «Die Sistierung der Rückerstattung der Dieseltreibstoffzölle ist systemwidrig», sagt VBL-Präsident Franzsepp Arnold.

Beeindruckend und schon von weitem sichtbar, erhebt sich im Urnersee bei Flüelen ein gigantischer Stahl­koloss aus dem Wasser. Bagger V nennt sich das Ungetüm, das pro Stunde bis zu 400 Tonnen Sand und Kies vom Seegrund an die Oberfläche bringt. Auf dem Bagger wird das Gestein in verschiedenen Sektionen von Unrat befreit, gebrochen, gesiebt, sortiert und über Förderbänder auf die bereitstehenden Lastschiffe verfrachtet. Von dort geht es ins Werk nach Flüelen, wo das Material weiterverarbeitet wird, oder die Rohstoffe 
gelangen zur den Direktabnehmern rund um den Vierwaldstättersee.

Eine lange Tradition

Bagger wie auch Lastschiffe sind Eigentum der Arnold & Co. AG, deren Geschichte bis ins Jahr 1891 zurückreicht. «Der Transport per Lastschiff hat auf dem Vierwaldstättersee eine lange Tradition», sagt Franzsepp «Bobby» Arnold, der das Unternehmen in vierter Generation leitet und auch den Verband Schweizerischer Bagger- und Lastschiffbesitzer (VBL) präsidiert. «Bahn und später die Strassen haben der Lastschifffahrt zwar ihre Bedeutung im Güterverkehr streitig gemacht, aber gerade wenn es um den Transport von grossen Mengen von Kies und Sand geht, sind Lastschiffe oder ‹Nauen›, wie wir in der Zentralschweiz sagen, ungeschlagen.»

«Wenn es um den Transport von grossen Mengen von Kies und Sand geht, sind Lastschiffe ungeschlagen.»

Rund ein Drittel der jährlich aus Schweizer Seen geförderten 2,4 Millionen Tonnen Sand, Kies, Splitt und Schotter entfällt auf den Vierwaldstättersee, der damit ein bedeutender Rohstofflieferant von durch Flüsse angeschwemmtem Kies ist. Die weiteren grossen Fördergebiete sind der Genfersee, das Drei-Seen-Gebiet Neuenburg, Murten und Biel sowie der Zürichsee.

Rückläufige Transportvolumen

Das Geschäft lohnt sich nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch, können doch durch den Wassertransport jährlich rund 200 000 Lastwagenfahrten eingespart werden. Die Transportvolumen sind jedoch seit vielen Jahren rückläufig. Franzsepp Arnold führt dies unter anderem auf den billiger werdenden Strassentransport zurück und beklagt auch die seit Mitte der 1990er-Jahre bestehende Sistierung der Rückerstattung der Dieseltreibstoffzölle. Viele Unternehmen der Branche haben sich deshalb in den letzten Jahren breiter aufgestellt. So ist zum Beispiel der Wasserbau zum wichtigen Ertragspfeiler geworden. Zu den bedeutendsten Projekten der Arnold & Co. AG gehörten in der Vergangenheit die Renaturierung der Reussmündung zum natürlichen Flussdelta oder der Bau der Naturschutz- und Badeinseln als Kernstück der Urner Seeschüttung. Auch der Bootsstegbau, Ufermauersanierungen, die Verlegung von Steinblöcken als Wellenschlagschutz oder der Schwertransport auf See gehören heute zum Portfolio vieler Verbandsmitglieder.

Patrick Gunti

Schweizerische Gewerbezeitung: Herr Arnold, der Verband Schweizerischer Bagger- und Lastschiff­besitzer (VBL) feiert 2018 seinen 100. Geburtstag. Wie gross ist die Bedeutung Ihrer Schifffahrt heute?

n Franzsepp Arnold: Dank ihrer ausgezeichneten Ökobilanz und ihres guten Kosten-/Nutzenverhältnisses ist sie in einer breiten Bevölkerung anerkannt und gern gesehen. Es gelingt uns, mit einem Minimum an Energieaufwand ein Maximum an Lastgütern zu transportieren. In Zahlen: Wir entlasten das Schweizer Strassennetz jährlich um rund 200 000 Lastwagenfahrten, was rund vier Millionen Lastwagenkilometern entspricht.

Dennoch sind die zurückgelegten Schiffskilometer und die Transportvolumen seit Jahren rück­läufig. Was sind die Gründe?

nWir stehen immer stärker in Konkurrenz zum Strassentransport. Die Langsamkeit der Schiffstransporte mit den damit zusammenhängenden hohen Arbeitslohnkosten sind das eine. Die 40-Tonnen-Limite auf den Strassen, die einen Nutzlastgewinn trotz LSVA von gegen 20 Prozent führt und damit den erheblich schnelleren Transport nochmals attraktiver macht, das andere. Dazu kommen auf Bundesebene immer neue gesetzliche Regelungen bei den Zulassungsanforderungen für unsere Schiffe.

Als besonders störend empfindet der VBL aber, dass der Binnenlastschifffahrt die Dieseltreibstoffzölle nicht rückerstattet werden.

nRichtig. Unsere Branche leidet unter der Mitte der 1990er-Jahre beschlossenen Sistierung der Rückerstattung der Dieseltreibstoffzölle. Sie führt zu erheblichen finanziellen Mehrbelastungen für unsere Mitglieder und ist mit ein Grund für die Verlagerung der Transportvolumen Richtung Strasse. Ein erheblicher Teil dieser Gelder wird ausgerechnet für den Bau und den Unterhalt des Strassennetzes eingesetzt, das wir mit unseren Schiffen ja nicht benutzen – ja im Gegenteil massiv entlasten. Wir sind der Meinung, dass dies systemwidrig ist und die mit der Steuer verbundene Lenkungsabsicht bei der Binnenlastschifffahrt gerade das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung zeigt.

Interview: pg

der verband FEIERT DAS 100-JAHR-JUBILÄUM

Auf 13 Schweizer Seen im Einsatz

Der Verband Schweizerischer Bagger- und Lastschiffbesitzer (VBL) feiert 2018 sein 100-jähriges Bestehen. Seit der Gründung vertritt der VBL die Wahrung und Förderung gemeinsamer Interessen der gesamten schweizerischen Binnenlastschifffahrt sowie der Besitzer von Schwimmbagger- und Lastschiffbetrieben. Der Verband bezweckt die Vertretung und Durchsetzung gemeinsamer Anliegen bei Behörden und anderen Gremien und die Wahrung gemeinsamer Interessen im Versicherungswesen, insbesondere den Abschluss von Kollektivversicherungsverträgen. Und schliesslich will der Verband den Behörden und einer breiten Bevölkerung die volkswirtschaftliche Bedeutung sowie den ökonomischen und ökologischen Nutzen einer modernen und leistungsfähigen Lastschifffahrt bewusst machen.

145 Einheiten

Dem Verband gehören 26 Unternehmen und Private an, für die auf 13 Schweizer Seen Bagger- und Lastschiffe im Einsatz sind. Insgesamt besteht die versicherte Flotte aus 145 Einheiten, die sich aus 70 Klapp-, Last- und Güterschiffen, 21 Motorschiffen, 18 Schubbooten und Schleppern, 17 Pontons und Pontonanlagen, 15 Greif-/Schwimmbaggern und 4 Fahrgastschiffen zusammensetzt.

Die zurückgelegten Schiffskilometer und die Transportvolumen sind rückläufig. Wurden 2008 noch rund 3,4 Millionen Tonnen Material transportiert, waren es 2016 noch 2,4 Millionen Tonnen. Die Zahl der Schiffskilometer sank von 312 000 auf 270 000. Für Kies und Sand sind die effizienten und ökologisch sinnvollen Lastschiffe aber seit Jahrzehnten ein nützliches Transportmittel. pg

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