Publiziert am: 02.06.2017

Staat total

TribĂĽne

Nun also, liebe Gewerbler, 
muss ich schweren Herzens den Zweihänder des Widerspruchs 
auspacken. Ich bin entsetzt, nachhaltig enttäuscht, ja geradezu niedergeschmettert 
und eigentlich immer noch fast am Boden zerstört wegen des unverständlichen 
Entscheids Ihres Verbands, die fremdfinanzierte bundesrätliche Energiewende 
abzusegnen.

Dabei wissen wir es alle: Wind-
rädli und Sonnenzellen werden die industrielle Weltzivilisation 
nie und nimmer ausreichend mit Energie versorgen können. Das zu glauben, 
mit Verlaub, ist Romantik, Hippiezeug, 
erinnert mich an meine Kantonsschulzeit 
in den achtziger Jahren, als grüne 
Hypnose- und New-Age-Prediger wie der 
damals unvermeidliche Fritjof Capra 
bei meinen bekifften Mitschülern hoch im Kurs standen.

Es wird nicht funktionieren, 
und ich glaube auch nicht daran, 
dass es unserer schlauen süss-
holzraspelnden Bundespräsidentin ge-
lingen wird, ihren energiepolitischen 
33-Jahresplan bis 2050 zum Nulltarif und ohne zusätzliche Verbote und Vorschrif-
ten durchzupeitschen.

Da wurde den Leuten brand-
schwarz das Blaue vom Himmel versprochen, um es vorsichtig aus-
zudrücken. Wenigstens hat Ihr Direktor, der von mir hoch geschätzte Hans-Ulrich 
Bigler, bereits erbitterten Widerstand 
gegen den bis jetzt von Leuthard 
wortreich beschwiegenen Ausbau ihres 
Bevormundungsstaats angekündigt.

Traurige Tatsache bleibt trotzdem, 
liebe Freunde der Marktwirtschaft: Die Schweiz verabschiedet sich mit 
dieser Energiepolitik wieder um eine wei-
tere fette Tranche vom liberalen Erfolgs-
modell.

Staat total, lautet heute die Devise, 
und natürlich: Sie können sicher sein, dass mich das Ja des Bauernver-
bands zur subventionierten Energie-Kolchose ebenso massiv irritiert wie die Zustim-
mung der Gewerbler. Ich verteidige die Bauern immer gegen ungerechtfertigte Kritik, aber hier hat einigen die Aussicht darauf, dass es Geld gibt, wenn man ein paar 
Solarzellen aufs Scheunendach schraubt, 
offensichtlich den Klarblick vernebelt.

Wir sind dabei, die Schweiz 
ins Korsett der Planwirtschaft zu zwängen, leider mit der Unter-
stützung vieler Bürgerlicher. Vom strengen Vater zur fürsorglichen Mutter: Der Pam-pers-Staat breitet sich aus.

Die jährlichen Ausgaben des 
Bundes klettern demnächst auf 
über 70 Milliarden Franken. 
Sage und schreibe 35 000 Staatsangestellte beziehen einen Durchschnittslohn 
von 120 000 Franken. Während die Indus-trie Stellen streicht, bläht sich der Staat 
auf.

Ich erspare es mir, alle Bereiche auf-
zuzählen, in denen der Staat heute die Wirtschaft leider nicht nur reguliert, 
sondern regelrecht führt, von den Finma-Banken bis zur Innovationsförderung: 
Die grösste Eiterbeule sind für mich die «Flankierenden Massnahmen», die 
unseren freien Arbeitsmarkt zerstören. 
Personenfreizügigkeit ist Gift.

Was ist so betörend an der 
Planwirtschaft? Erstens: Ihr 
Reiz besteht darin, dass 
der Staat ein Heer von Profiteuren züch-
tet. Viele bekommen etwas auf Kosten 
der anderen, die allerdings noch nicht gemerkt haben, dass am Ende sie es 
sind, die den ganzen faulen Zauber 
bezahlen müssen. Zweitens: Wenn 
sich der Staat mit der Wirtschaft ins Bett legt, ist das eine Zeit lang bequem 
und angenehm für alle Seiten. Es wirtschaftet sich leichter, aber auf Dauer eben 
viel schlechter, wenn der Staat hilft und 
Subventionen zahlt. Drittens: Der 
Sozialismus schmeichelt dem Grössen-
wahn im Menschen: Gemeinsam überlisten wir die Wirklichkeit! Die Hoffnung 
stirbt zuletzt. Und die Rechnung zahlen 
immer die anderen.

So, jetzt ist es raus. Lasst uns wieder kämpfen gegen den Pampers-Staat und für die gute alte Marktwirtschaft!

*Der Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel ist 
Chefredaktor und Verleger des Wochenmagazins 
«Die Weltwoche».

Die TribĂĽne-Autoren geben ihre eigene Meinung wieder; diese muss sich nicht mit jener des sgv decken.

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