Publiziert am: 21.01.2022

Die Meinung

Staatsabhängigkeit macht unglaubwürdig

Die mediale Empörung war gross, als ruchbar wurde, dass Marc Walder, CEO der Ringier Gruppe, seine Redaktionstruppe in der Covid-Berichterstattung auf Regierungskurs getrimmt hatte. Einem Tsunami gleich rollte die Welle der Kritik durch die Schweizer Medien. Und selbstverständlich inszenierten sich die Journalisten ausserhalb der Blick-Redaktion als Saubermänner. Doch ist die Ausgangslage tatsächlich so klar? Und sind die Medien wirklich so unabhängig, wie sie sich nun geben?

Die Sorgfaltspflicht der Verleger würde es eigentlich erfordern, dass sie als vierte Macht im Staat alles daransetzen, von der Politik unabhängig zu bleiben. Soweit die Theorie zum staatspolitischen Verständnis. Wie die Aktualität zeigt, rückt dieses Selbstverständnis zunehmend in den Hintergrund. Die publizistische Unabhängigkeit ist längst nicht mehr einfach so gewährleistet – geschweige denn, dass sie einer journalistischen Selbstverständlichkeit entspringen würde.

Die Covid-Berichterstattung zeigt dies schön auf. Wie lässt sich erklären, dass immer die gleichen Blätter schon am Vortag der Sitzungen wussten, was der Bundesrat diskutieren und entscheiden würde? Was ist davon zu halten, wenn Journalisten im persönlichen Gespräch erklären, sie dürften nicht mehr über Covid schreiben, weil sie zu regierungskritisch gewesen seien?

Dasselbe Bild zeigt sich bei der Berichterstattung zur Referendumsabstimmung über das Emissionsabgabegesetz. Eigentlich würde der gesunde Menschenverstand darauf hinweisen, dass es Unsinn ist, Investitionen zu besteuern, bevor auch nur ein einziger Franken Gewinn erwirtschaftet wurde. Das ist etwa so absurd, wie wenn bei einer Einzahlung auf ein Sparkonto eine Gebühr erhoben würde. Weil der Schweizerische Gewerbeverband KMU stärken und Arbeitsplätze sichern will, hat er konsequenterweise eine deutliche JA-Parole gefasst.

Selbstverständlich kann man das auch anders sehen. Doch es ist fragwürdig, dass Redaktionen eigene Parolen zu Abstimmungen fassen. Die Frage nach einer ausgewogenen Berichterstattung, aber auch der notwendigen Transparenz in Bezug auf die politische Position, muss hier gestellt werden.

Definitiv fragwürdig wird es, wenn bei sämtlichen Berichterstattungen prominent das Bild mit der Nein-Parole zur Emissionsabgabe publiziert wird. Abgesehen davon, dass dadurch den Gegnern Gratis-Werberaum zur Verfügung gestellt wird, ist ein derartiges Vorgehen ein klarer Verstoss gegen die publizistische Sorgfaltspflicht.

Zyniker könnten einwerfen, dass die publizistische Sorgfaltspflicht längst im Sterben liege. Darauf deutet aktuell die millionenschwere Kampagne der Verleger zum neuen Mediengesetz hin. Dieses Bundesgesetz will die Schweizer Medien mit dem süssen Gift von Milliardensubventionen vom Staat abhängig machen.

Dabei geht es um sehr viel. Um viel Steuergeld, sicher, aber – viel wichtiger noch – um die Zukunft unserer Demokratie. Ihr Funktionieren ist auf unabhängige und kritische Medien angewiesen. Doch genau das steht nun auf dem Spiel, indem der Staat die Medien an sich binden und finanziell abhängig machen will. Dazu darf es nicht kommen.

Einheitsbrei statt Wächterfunktion gegenüber Politik und Verwaltung ist, was uns droht. Mehr noch: Staatsabhängigkeit macht die Medien unglaubwürdig, und die Subventionen fördern die inhaltliche Schwächung der Medien. Womit wir wieder beim einleitend beschriebenen Konzernjournalismus angelangt wären.

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