Publiziert am: 10.12.2021

Starker Franken – starke Schweiz

WECHSELKURS – In den letzten Tagen notierte der Franken zum Euro nur noch mit 1,04 Franken – dem tiefsten Wert seit Aufhebung des Euro-Mindest­kurses 2015. Trotzdem ist die Situation mit damals nicht vergleichbar. Frage­zeichen bleiben aber.

Der Franken wird stärker und stärker. Das sind zwar keine News resp. «old news», denn die Geschichte des Schweizer Frankens ist die Geschichte einer lang andauernden Stärke. In den letzten 50 Jahren gewann die Landeswährung an Wert gegenüber allen anderen Geldern dieser Welt.

Dennoch sind das gleichzeitig «good news». Denn eine starke Währung ist ein Zeichen für eine starke Wirtschaft. Und für einen stabilen Wirtschaftsstandort. Wo sich die Währung aufwertet, entsteht Druck auf die Betriebe, produktiver und innovativer zu werden. Damit erhöht sich die Wertschöpfung der gesamten Wirtschaft.

Anders als 2015

Im Januar 2015 – vor bald sieben Jahren also – liess die Schweizerische Nationalbank die Teilanbindung des Frankens an den Euro über Nacht fallen. Innerhalb weniger Stunden trat ein massiver Preisanstieg für Schweizer Exportprodukte ein. Dieser Anstieg konnte damals weder schnell kompensiert noch auf die Kundschaft überwälzt werden. Er fiel also zulasten der Schweizer Firmen aus.

Heute ist die Situation anders. Der Kursanstieg des Frankens fand über mehrere Jahre statt. Nach und nach können sich Firmen anpassen. Durch betriebsinterne Dispositionen sowie Preis-Kalkulationen konnten Strategien für den Umgang mit der starken Währung umgesetzt werden.

Zudem sind die Unternehmen heute viel diversifizierter, als sie im Jahr 2015 waren. Der Anteil des Euroraums an Schweizer Exporten ist gesunken. Dafür haben die Exporte in die USA wie eine Rakete gezündet. China und andere asiatische Märkte haben ebenso an Gewicht gewonnen.

Tiefere Inflation als Euroraum

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive gibt es drei weitere Gründe für die Stärke des Frankens oder die Schwäche des Euro – und anderer Währungen. Erstens ist die Schweiz zurückhaltender in der Expansion ihrer Währungsbasis. Die Nationalbank «druckt» Geld sehr freizügig, doch weniger exzessiv als andere Zentralbanken.

Zweitens hat die Schweiz eine viel tiefere Inflation als der Euroraum. Dort betrug die Teuerung im Jahresvergleich etwa 7,6 Prozent für Industriegüter. Das entspricht ungefähr der Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro. Drittens ist die politische und Inflationsangst in Europa hoch. Entsprechend suchen Eurohalter starke Währungen und starke Standorte und finden sie: den Franken und die Schweiz.

Viele Fragezeichen

Damit schliesst sich der Kreis. Der starke Franken ist ein Abbild einer starken Wirtschaft. Er wird sich weiter aufwerten, weil die Schweiz innovativer und fiskalpolitisch seriöser ist als der Euroraum. Und dennoch bleiben Fragezeichen. Ein wichtiges ist die Auswirkung dieser erneuten Stärke in der kurzen Frist.

Schweizer Unternehmen mussten in den letzten zwei Jahren unten durch. Sie erduldeten Massnahmen, die einer Enteignung gleichkommen. Sie müssen heute noch mit dem Damoklesschwert des unverhältnismässigen Interventionismus leben. Sie werden täglich mit neuen Regulierungen überzogen. Ob sie unter diesen Nebenbedingungen weiter optimieren können, ist nicht sicher.

Die Geschichte zeigt: Die Schweizer Wirtschaft hat es geschafft, trotz Staat erfolgreich zu sein. Was die Zukunft bringen wird, bleibt offen.

Henrique Schneider, Stv. Direktor sgv

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