Publiziert am: 02.09.2022

Strom: Herzschlag unserer Wirtschaft und Gesellschaft

Die Schweizer Wirtschaft gehört zu den automatisiertesten der Welt. Unsere führenden Exportbranchen Pharma/Chemie und die Maschinenindustrie sind energieintensiv. Unsere Bevölkerung hat eine der höchsten Dichten an elektronischen Geräten. Unsere Topografie erfordert heizen. Die letzte Energiekrise hatten wir Ende der 70er-Jahre, als aufgrund von Konflikten im Nahen Osten Öl knapp wurde. Beim Strom haben wir schon früh mit Wasser- und später Kernkraft auf eine eigene, CO2-freie Versorgung gesetzt, die die Industrialisierung begleitete. Nach Fukushima beschlossen, weltweit einzigartig, die drei deutschsprachigen Länder auf Kernkraft zu verzichten: Deutschland (Abschalten der bisherigen Werke), Österreich (keine eigenen Werke) und die Schweiz (keine neuen Werke). In der Schweiz ist der Strombedarf pro Person über die letzten Jahre gesunken, wegen der Zuwanderung insgesamt jedoch steigend. Im links-grünen Hype von Klimawandel und Landschaftsschutz beschloss man in der Energiestrategie 2050, Solarzellen zu verzehnfachen und im Winter auf Importstrom aus Kohle, Gas und Kernkraft zu setzen. Öl ist heute weltweit verfüg-, handel- und speicherbar. Gas bedingt, wie Strom, ein Netz (auch bei Flüssiggas). Seit einigen Jahren ist die Schweiz im Winter auch beim Strom abhängig vom Ausland. Bereits in den letzten Wintern, also vor dem Ukraine-Konflikt, hatte die EU eigene Versorgungsprobleme, der Flatterstrom aus Sonne und Wind vermochte die abgeschalteten Kohlekraftwerke und den steigenden Bedarf nicht decken. Der Ukraine-Konflikt hat Gas verknappt und, weil aus Gas, besonders im Winter, Strom produziert wird, die Gas- und Strompreise in der EU und der Schweiz auf das 14-Fache hochgedrückt. Diese Preisanstiege drücken auch auf die Schweizer Betriebe und Haushalte durch, auf grosse Verbraucher schneller, auf kleine verzögert. Die überstürzten Massnahmen in Europa wie Verträge mit Ländern im Nahen Osten oder Bezüge von Flüssiggas verteuern den Gas- und Strompreis in Europa langfristig. Besonders ärgerlich ist, dass die Preisanstiege auf Gas und Strom nur in Europa auftreten, in den USA oder in China (oft Konkurrenzstandorte im internationalen Geschäft) blieben sie auf bisherigem Niveau. Abwanderungen von Industrieaktivitäten sind deswegen bereits im Gang. Ja, wir haben es verpasst, den Herzschlag unserer Wirtschaft, die Energie, zu sichern. Wir haben uns Utopien und unrealistischen, oberflächlichen Versprechungen von links-grün hingegeben. Nur, was bleibt uns Unternehmern? Meine Ratschläge: Klären Sie ab, ob sich eine Notstromanlage rechnet. Anlagen sind verfügbar und können auch gemietet werden. Die Diesel-Versorgung müsste aber organisiert werden. Schliessen Sie jetzt möglichst keine längerfristigen Strom- und Gasverträge ab. Im Frühling dürften die Preise wieder sinken, im Winter 2023/24 aber erneut ansteigen. Das politische Umfeld, das sich dauernd ändert, müssen wir verfolgen und mittel- und langfristig analysieren vor weitreichenden Entscheidungen. Wenn Sie eine Öl- oder Gasheizung haben, warten Sie mit dem Ersatz noch zu. An schönen Tagen und wenn das Stromnetz funktioniert, können Solarzellen zusätzlichen Strom generieren. Illusionen über die produzierten Mengen darf man sich aber keine machen. Die höheren Energiekosten (auch einer Notstromanlage) müssen schnell und umfassend auf die Kunden abgewälzt werden. Sie könnten uns, zusammen mit der Wirtschaftsverlangsamung und weiteren inflationären Kostenerhöhungen, sonst das Genick brechen. Energiesparen ist gut, weil Energien auch Kosten sind. Auch in Zukunft sollten wir unseren Wohlstand und unsere Grundlagen des erfolgreichen Wirtschaftens nicht als selbstverständlich nehmen und uns fahrlässig die eigenen Äste, auf denen wir sitzen, abschneiden! Leider ist das in verschiedenen Bereichen in Bern bereits in Gang. Wir Unternehmer müssen der Bevölkerung und den Politikern die Zusammenhänge aufzeigen und uns wehren! Damit die Herzen unserer Betriebe und unserer Gesellschaft weiterhin schlagen.

*Die Bündner SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher ist Vizepräsidentin und Delegierte des Verwaltungsrats der EMS-CHEMIE HOLDING AG.

www.martullo-blocher.ch

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