Publiziert am: 13.05.2022

Sündhaft teure Mogelpackung

BVG-REFORM – Bei der BVG-Reform richtet die Ständeratskommission mit der grossen Kelle an. Die wahren Kosten hält sie unter dem Deckel. Für den Schweizerischen Gewerbeverband sgv stellen die systemfremden Renten­zuschläge noch immer ein No-Go dar.

Die Expertenwelt ist sich einig: Ein BVG-Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent ist nicht länger haltbar. Das Parlament sieht das gleich. Der Satz soll auf 6,0 Prozent gesenkt werden. Die daraus resultierenden Rentenkürzungen gilt es zu kompensieren.

Hier scheiden sich die Geister

Über die konkrete Ausgestaltung dieser Abfederungsmassnahmen und deren Umfang scheiden sich die Geister. Speziell bei den Massnahmen für die Übergangsgeneration. Der Bundesrat wollte lohnprozentfinanzierte Rentenzuschläge einführen, die nach dem Giesskannenprinzip allen zugute gekommen und die zeitlich unbefristet auszuschütten gewesen wären. Dem Nationalrat ging dies viel zu weit. Er distanzierte sich klar von den Rentenzuschlägen und beschloss, die Übergangsgeneration auf 15 Jahrgänge zu befristen. Zudem sollten «bloss» 35 bis 40 Prozent der Versicherten in den Genuss der Kompensationsmassnahmen kommen, was absolut richtig und immer noch grosszügig ist. Denn von der Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes sind bloss rund 25 Prozent der Versicherten betroffen.

Kehrtwende nach links

Die sozialpolitische Kommission des Ständerats – die SGK-S – driftet nun wieder stark in Richtung Bundesratslösung ab. Sie bringt die unsäglichen Rentenzuschläge erneut aufs Parkett. Diese sollen nun auf 20 Jahrgänge befristet werden. Auch die Finanzierung soll modifiziert und Grossverdiener von Kompensationen ausgeschlossen werden. Wesentlich besser wird die ganze Chose damit aber nicht.

Für den sgv stellen die systemfremden Rentenzuschläge nach wie vor ein No-Go dar, und eine Reform entlang den Vorschlägen der SGK-S wird vom Gewerbe aus kaum mitzutragen sein.

Erstaunliches tritt zutage, wenn man sich die Kosten betrachtet, die die verschiedenen Modelle nach offizieller Lesart verursachen sollen. Das Modell Nationalrat, das auf 15 Jahre befristet ist und «bloss» für 35 bis 40 Prozent der Versicherten der Übergangsgeneration Kompensationen vorsieht, soll in diesem Bereich jährliche Mehrkosten von 700 Millionen Franken verursachen. Das viel grosszügigere Paket der SGK-S, das während 20 Jahren für 88 Prozent der Betroffenen Ausgleichszahlungen vorsieht, soll dagegen nur 400 Millionen Franken kosten. Da kann etwas nicht stimmen.

Wahre Kosten werden verschleiert

Die Verschleierung der wahren Kosten wird erreicht, indem man sich darauf beschränkt, bloss kurzfristige Durchschnittswerte auszuweisen.

Und hier schneidet das Modell Nationalrat schlechter ab. Dieses Modell verursacht aber bloss während 15 Jahren Mehrkosten, die erst noch kontinuierlich abnehmen. Das Modell der SGK-S beginnt demgegenüber mit bescheidenen Mehrkosten. Diese nehmen dann aber Jahr für Jahr zu und werden erst in rund 20 Jahren ihren schwindelerregenden Höchststand erreichen. Und dann laufen die Kosten noch während gut dreissig Jahren weiter. Eine Mogelpackung sondergleichen.

Objektiv und langfristig betrachtet dĂĽrfte das Modell der SGK-S das teuerste aller diskutierten Modelle sein.

Wenigverdiener sollen bluten

Es gilt, auch den gewählten Ansatz beim Koordinationsabzug abzulehnen. Dieser verteuert im Niedriglohnbereich die BVG-Beiträge teilweise um ein Mehrfaches. Das ist nicht verkraftbar. Nicht für die Betriebe und erst nicht für die betroffenen Arbeitnehmenden, die in der Regel auf jeden Franken angewiesen sind und sich schlicht keine höheren BVG-Abzüge leisten können.

Damit auch noch etwas Gutes gesagt ist: Die SGK-S will den Sparbeginn bei 25 Jahren belassen und die Eintrittsschwelle weniger stark senken als der Nationalrat. Das verringert die Mehrausgaben um bis zu 800 Millionen Franken und hält den administrativen Mehraufwand einigermassen in Grenzen.

Das Gros der Kommissionsbeschlüsse zielt aber in eine völlig verkehrte Richtung. Hoffen wir, dass dies der Ständerat auch so sieht und entsprechend korrigiert. Sonst ist die BVG-Reform noch viel stärker gefährdet, als sie es ohnehin schon ist.

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

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