Publiziert am: 10.06.2016

Talsohle in der Industrie durchschritten

KMU-BAROMETER – Bei allen Unternehmensgrössen hat sich die wirtschaftliche Lage in der Industrie im zweiten Quartal etwas verbessert. Das Barometer der Grossunternehmen stieg um 0,52 auf 0,24 Punkte, dasjenige der KMU von –0,18 auf –0,16 Punkte.

Die Barometer für die Industrieunternehmen lagen im zweiten Quartal auf dem höchsten Stand seit Oktober 2014. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) trugen im April vor allem der gestiegene Bestellungseingang und der etwas höhere Auftragsbestand zum Vormonat zur Verbesserung bei. Die Erwartungen für die Bestellungseingänge fürs dritte Quartal waren jedoch nicht so rosig, was einen stärkeren Anstieg des KMU-Barometers verhindert haben dürfte. Bei den Grossunternehmen waren insbesondere die gestiegenen Bestellungseingänge zum Vorjahr, die höheren Auftragsbestände zum Vormonat und das höhere Produktionsniveau für den Anstieg verantwortlich.

Gute Wirtschaftslage 
für Bauunternehmen

Bei beiden Unternehmensgrössen im Baugewerbe war die wirtschaftliche Lage im zweiten Quartal in etwa gleich. Sie beurteilten ihre aktuelle wirtschaftliche Lage immer noch als gut, obwohl sich die Dynamik in den letzten Monaten weiter verlangsamte. Sowohl die KMU wie auch die Grossunternehmen kämpften mit rückläufigen Aufträgen und erodierenden Gewinnen, wobei die KMU bei beiden Indikatoren etwas stärker davon betroffen waren. Da beide Unternehmensgrössen mit sinkenden Preisen im dritten Quartal rechnen, dürfte der Margendruck in naher Zukunft nicht nachlassen.

Die grossen Architektur- und Inge­nieurbüros schätzten die Nachfrage im April wieder leicht besser ein als im Vormonat und auch besser als die KMU dieser Branche. Sowohl deren Nachfrage als auch deren Auslastung stagnierten gegenüber den Vormonaten. Beide Unternehmensgruppen beurteilten ihre Geschäftslage im zweiten Quartal besser als das Baugewerbe. Dennoch betrachteten sie ihren Beschäftigungsbestand als zu hoch, was widersprüchlich anmutet.

Kleine Dienstleister 
schnitten besser ab als grosse

Die Grossunternehmen im Dienstleistungssektor beurteilten ihre Geschäftslage im zweiten Quartal zwar immer noch als gut, aber wesentlich schlechter als im Schlussquartal 2015 und als die KMU. Bei den KMU verschlechterte sich Einschätzung in den vergangenen Quartalen nur marginal, unter anderem dank etwas geringerem Ertrags- und Preisdruck. Nach einer langen Phase mit steigender Nachfrage kämpften sowohl die KMU wie auch die Grossunternehmen im zweiten Quartal mit einem Nachfragerückgang, was den Preis- und somit Margendruck verstärken könnte.

Bei den grossen Detailhändlern verbesserte sich die Geschäftslage im April leicht, lag aber immer noch unter dem Niveau vor Aufgabe der EUR/CHF-Kursuntergrenze. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der KMU verharrte unverändert zu den Vormonaten auf tiefem Niveau. Die gesamte Branche kämpfte weiterhin mit tiefen Margen und mit niedrigeren Erträgen als im Anfangsquartal. Auch die Preise blieben unter Druck und die Unternehmen gehen fürs laufende Quartal von sinkenden Preisen aus. Diese schwierige wirtschaftliche Situation reflektiert sich in der Beschäftigung, welche die Unternehmen als zu hoch bezeichneten.

Während die Grossunternehmen im Tourismus die Geschäftslage im zweiten Quartal genau gleich wie im ersten Quartal als gerade befriedigend beurteilten, litten die KMU weiterhin unter der aktuellen Wirtschaftssituation. Der schneearme Winter dürfte neben der Währungssituation eine zusätzliche Belastung gewesen sein. Die Erträge waren weiterhin unabhängig von der Unternehmensgrösse unter Druck und die Firmen erwarten im laufenden Quartal keine Erholung bei den Umsätzen. Daher dürften die Margenprobleme im Tourismus im laufenden Quartal weiterbestehen.

Kommentar

Stabilisierung an der Schmerzensgrenze

Alle Indikatoren zeigen es: Die Schweizer Wirtschaft kann mit der Frankenstärke umgehen. Noch vor einem Jahr befürchteten viele – der Schweizerische Gewerbeverband sgv nicht – die Schweiz könnte sich in eine Rezession begeben. Denn die Wirtschaft wäre nicht in der Lage, mit dem nochmaligen Sprung des Frankens um 10 bis 15 Prozent umzugehen. Die Befürchtungen waren falsch. Die Schweizer Wirtschaft hat nochmals ihre Effizienz gesteigert. Unternehmen haben gezeigt, dass sie flexibel und innovativ genug sind, um mit den Herausforderungen umzugehen. Und weil sie so gut sind, hat sich die Lage der Wirtschaft stabilisiert. Davon zeugen nicht nur der UBS-Barometer, sondern auch die Zahlen der Konjunkturforschungsstelle KOF und die rückläufige Arbeitslosigkeit.

Wegen dieser allgemein optimistischen Zeichen lehnen sich viele in der Politik nun wieder zurück. Sie sagen «alles nicht so schlimm». Nicht so der sgv. Ja, die Unternehmen haben es geschafft, die Lage zu meistern. Die KMU haben es sogar ohne Stellenabbau geschafft. Aber sie sind deutlich an der Schmerzensgrenze. Einen erneuten Schock liegt nicht drinnen. Doch was uns die Volkswirtschaft lehrt, ist: Der nächste Schock kommt bestimmt. Und deshalb ist es an der Politik, jetzt zu handeln: Regulierungskosten sind abzubauen. Eine Regulierungskostenbremse ist einzuführen. Die Anzahl Stellen in der Bundesverwaltung sind zu begrenzen. Nicht nur die Unternehmen, sondern auch der Staat muss sich fit halten. Und während die Wirtschaft bereits fit ist, muss sich der Staat einer Fitnesskur unterziehen.

Henrique Schneider,

stv. Direktor sgv

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