Publiziert am: 09.05.2014

Tiefer Einbruch ins Vertragsrecht

ERWACHSENENSCHUTZRECHT – Parlamentarische Initiative von Nationalrat Rudolf Joder will den Zugang zu Informationen über Handlungsfähigkeit und Bonität von Vertragspartnern erleichtern.

Seit Inkrafttreten des neuen Erwachsenenschutzrechts am 1. Januar 2013 werden die Schutzmassnahmen, welche die Handlungsfähigkeit der betroffenen Personen einschränken, nicht mehr in den kantonalen Amtsblättern veröffentlicht. Um Auskunft über das Bestehen einer Massnahme zu erhalten, müssen sich Dritte im Einzelfall und unter Glaubhaftmachung eines Interesses an die zuständige Erwachsenenschutzbehörde wenden.

Konsequenzen für Gewerbler

Besondere Konsequenzen hat die neue Auflage für Gewerbetreibende, die zum Beispiel prüfen möchten, ob sie einen gültigen Vertrag abschliessen können. Die für eine Auskunft zuständigen Erwachsenenschutzbehörden sind stark ausgelastet. Es besteht die Gefahr, dass die relevanten Informationen, beispielsweise ob eine erwachsenenschutzrechtliche Massnahme vorliegt und ein potenzieller Vertragspartner bevormundet ist, nicht innert nützlicher Frist eingeholt werden kann. Dies hat zur Folge, dass Handlungsunfähige rechtsgeschäftliche Handlungen vornehmen können, ohne die Handlungsunfähigkeit dem gutgläubigen Dritten entgegenzuhalten. Der gutgläubige Gewerbetreibende muss die Folgen der Vertragsnichtigkeit tragen, obwohl er mangels Publikation keine Möglichkeit hatte, von der Erwachsenenschutzmassnahme Kenntnis zu erlangen.

Dies ist ein fundamentaler Einbruch ins Vertragsrecht und trifft die gesamte Wirtschaft. Nach Ansicht des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv ist der Zugang Dritter zu den für einen Vertragsschluss relevanten Angaben über die Handlungsfähigkeit einer Person zu restriktiv ausgefallen.

Lösung über das Betreibungsamt

Die parlamentarische Initiative «Publikation von Erwachsenenschutzmassnahmen» von SVP-Nationalrat Rudolf Joder will dies korrigieren und den Zugang zu entsprechenden Informationen erleichtern, wenn ein Interesse geltend gemacht werden kann. Konkret schlägt die zuständige Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vor, die Anordnung einer Massnahme dem Betreibungsamt mitzuteilen, damit dieses Dritte auf Gesuch hin über die Massnahme informieren kann. Potenzielle Vertragspartner können auf diese Weise mit verhältnismässig geringem Aufwand Kenntnis von einer Massnahme erlangen. Im Rahmen der Revision wird ausserdem klargestellt, welche weiteren Behörden die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde über eine angeordnete Massnahme zu informieren hat.

Im Sinne der Rechtssicherheit

Der sgv unterstützt diesen Vorschlag, wonach im Zivilgesetzbuch und im Gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs die entsprechenden Grundlagen geschaffen werden und hat im Vernehmlassungsverfahren entsp­rechend Position bezogen. Gewerbetreibende, die einen Betreibungsregisterauszug über eine potenzielle Schuldnerin oder einen potenziellen Schuldner einholen, sollen nebst der Information über die Bonität dieser Person auch diejenige über das Vorhandensein einer Massnahme des ­Erwachsenenschutzes erhalten. So kann im Vorfeld eines Vertragsabschlusses der Aufwand für die Abklärungen in einem vernünftigen Mass gehalten und trotzdem Rechtssicherheit vermittelt werden.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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