Publiziert am: 13.12.2019

Traumberuf im zweiten Anlauf

ARBEITSMARKTINTEGRATION – Mit 31 Jahren holt Jeannette Egger eine Lehre als Coiffeuse nach. Die Ausbildungszuschüsse der Arbeitslosenversicherung machen es möglich.

«Ich will nur noch Lernende wie Jeanette», sagt Daniela Heric, Inhaberin der drei Beauty-Geschäfte «ALL IN ONE Beauty» in Aarau, Suhr und Hunzenschwil, begeistert. Freundlich, schlau, präzise und kreativ sei Jeannette Egger, Lernende im zweiten Lehrjahr. Manchmal sogar etwas zu streng mit sich selber. In der Lehre dürfe sie auch mal etwas falsch machen. Das gehöre dazu und müsse sie ihr manchmal sagen. «Mit 31 Jahren ist Jeannette eine Persönlichkeit und viel reifer als eine 16-Jährige, der ich noch beibringen muss, wie sie eine Kundin verabschieden soll – ich sehe nur Vorteile», meint die Chefin.

Jeannette Egger strahlt ob so viel Lob. Sie lernt hier neben dem Handwerk als Coiffeuse auch Nägel zu pflegen, Körperhaare zu entfernen oder Wimpern zu verlängern. «Coiffeuse war schon immer mein Traumberuf. Aber nach der Schule fand ich keine Lehrstelle.» Daraufhin habe sie als Hilfsarbeiterin am Fliessband gearbeitet, später im Büro und zuletzt in der Reinigung. Vor zwei Jahren musste sie sich beim RAV melden, weil sie nur 50 Prozent arbeiten konnte und ihr Lohn nicht mehr zum Leben reichte.

Eine Erstausbildung nachholen

Auf dem RAV erfuhr Jeannette Egger von Ausbildungszuschüssen der Arbeitslosenversicherung, die es Menschen ab 25 Jahren ermöglichen, eine Erstausbildung nachzuholen. Der Lehrlingslohn wird von der Arbeitslosenversicherung auf maximal 3500 Franken aufgestockt.

«Wenn sie will, kann sie gerne bleiben.»

Zuerst wird mit den Interessenten abgeklärt, ob sie sich für die gewünschte Lehre eignen. Jeannette Egger brachte die Voraussetzungen mit und konnte sich eine Lehrstelle suchen. Zuerst startete sie die Lehre bei einer Kollegin, die sich selbstständig gemacht hatte. Das funktionierte jedoch nicht optimal, da die Kollegin zu wenig Erfahrung in der Lehrlingsausbildung mitbrachte.

«Eines Tages stand Jeannette ganz verzweifelt vor der Tür und hat gefragt, ob sie die Lehre hier weiterführen kann», erzählt Daniela Heric. Die beiden Frauen verstanden sich auf Anhieb gut. Weil Daniela Heric erkannte, dass Jeanette Egger die Stelle unbedingt wollte, konnte sie eine Woche später mit der Lehre weitermachen – ohne Probearbeiten.

Schutz vor Arbeitslosigkeit

Den administrativen Aufwand für die Ausbildungszuschüsse empfindet Daniela Heric als gering. «Einen kleinen Bericht pro Lehrjahr schreiben, das ist nicht der Rede wert», meint sie. Peter Gernet prüft diese Berichte jeweils. Er ist im Amt für Wirtschaft und Arbeit in Aarau für die Ausbildungszuschüsse verantwortlich. «Die Nachholbildung wird in Zeiten des Fachkräftemangels immer wichtiger», sagt er. Die Ausbildungszuschüsse seien ein gutes Instrument, Menschen ohne Grundausbildung eine Lehre zu ermöglichen. Im Jahr 2019 wurden im Kanton Aargau 39 Ausbildungszuschüsse genehmigt. «Eine gute Ausbildung ist der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit», so Peter Gernet. In allen Branchen ist eine Lehre mit Ausbildungszuschüssen möglich. Externe Fachleute beraten Betriebe und Lernende, wenn während der Lehre Probleme auftauchen.

Bei Jeannette Egger läuft es nicht nur im Betrieb, sondern mittlerweile auch in der Schule rund. «Am Anfang hatte ich Mühe, wieder die Schulbank zu drücken, zu lernen und Hausaufgaben zu machen», erinnert sie sich. Am besten gefalle ihr am Coiffeurhandwerk das Kreative und der Kundenkontakt. Da sie auch kosmetische Arbeiten erlernt, wird sie nach dem Lehrabschluss bessere Chancen auf eine Stelle haben.

Vielleicht muss sie auch gar keinen Job suchen, denn Daniela Heric meint schmunzelnd: «Wenn sie will, kann sie gerne bleiben.»

Maria-Monika Ender,

Amt für Wirtschaft und Arbeit Aargau

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