Publiziert am: 03.09.2021

Und alle tanzen nach der Post-Pfeife

POST – Der gelbe Riese pfeift aus dem letzten Loch. Heisst es. Doch, trotz Schliessungen und beantragten Not­krediten, kann er mal eben locker mehr als 100 Millionen Franken für den Kauf einer Firma ausgeben.

Der Abbau von Poststellen ist beschlossene Sache, die Preise gehen hoch, die PostFinance hat einen negativen Unternehmenswert.

Wer die Nachrichten zur Post verfolgt, befürchtet das Schlimmste. Doch der Staatskonzern ist immer für eine Überraschung gut. Brancheninsider vermuten nämlich, dass die Pöstler für den Kauf eines Start-ups 110 Millionen Franken ausgegeben haben. Das gekaufte Unternehmen selbst macht kaum 10 Millionen Umsatz.

«Wer die Nachrichten zur Post verfolgt, befürchtet das Schlimmste.»

Beim Kaufobjekt handelt es sich um das Start-up «Livesystems», welches in der Aussenwerbung aktiv ist. Das können Plakatflächen sein. Aber auch Werbungen in den Verkehrsmitteln und via Bildschirm, etwa in Bahnhöfen, gehören dazu. Und gerade in dieser Nische, in den Bahnhöfen, hat sich Livesystems gut positioniert. Doch es handelt sich eben um Nischenmärkte, was den doch kleinen Umsatz des Unternehmens erklärt.

Post wird zur Werbefirma

Im Zusammenhang mit diesem Kauf war der Preis eine grosse Überraschung. Wenn die Post um das elffache des Jahresumsatzes als Kaufwert voranschlägt, dann erwartet sie eine Amortisation dieser Investition in den nächsten sieben Jahren. Gemäss Fachexperten ist beides ambitioniert: «Ein Multiple von 11 ist über dem Branchenüblichen» sagt Robert Bono, ein Unternehmer, der in Start-ups investiert. Und fügt hinzu: «Eine Amortisationszeit von sieben Jahren ist eher im Branchendurchschnitt. Aber sie ist ambitioniert. Mit einer Fokussierung auf das Kerngeschäft kann man sie erreichen.»

Konkret heisst das, dass sich die Post auf den Werbemarkt konzentrieren muss, wenn sie aus dieser Investition Erträge erwirtschaften will. Die Post wird somit also zur Werbefirma. Gleichzeitig stöhnt der staatliche Konzern und baut den Service public ab, für den er subventioniert und mit einem Monopol versehen wird.

Verzerrter Wettbewerb

Die Umformung der Post zum Werbling ist schon im vollen Gange. Dabei geht die Post geschickter vor, als man es ihr zutraut. Livesystems gewann im Jahr 2020 einen Grossauftrag für die digitale Werbung in den Postautos sowie im Poststellennetz. Die Post schreibt also Werbeflächen aus und schlägt ihre Bedienung sich selber zu. Im Kopf der Staatsunternehmen nennt man das Wettbewerb; überall sonst Selbstbedienung.

In diesem Vorgehen liegt gleich ein doppeltes Problem. Erstens versagt die Post in ihrem Grundauftrag. Doch zweitens setzt sie die Mittel vom Grundauftrag ein, um in einen kompetitiven Markt einzudringen. Sie setzt also ihre Monopolgelder ein, um Private zu konkurrenzieren. Sie setzt aber auch ihre eigene Entscheidungskompetenz ein, um sich selbst zu bevorzugen.

«Die Post setzt ihre Monopolgelder ein, um Private zu konkurrenzieren.»

Wer nun meint, das sei ein Fall für die Wettbewerbskommission, täuscht sich. Bezüglich Staatsunternehmen sind die selbsterklärten Hüter des Wettbewerbs eine sehr lahme Ente. Ausser in wenigen Ausnahmefällen handeln sie nicht gegen Staatsunternehmen. Die Post, ihre Machenschaften, ihr Versagen im Grundauftrag und die Verzerrung des Wettbewerbs sind ein Fall für die Politik. Bundesrat und Parlament sind in der Pflicht, das Falschspiel der Post abzupfeifen.

Henrique Schneider, Stv. Direktor sgv

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