Publiziert am: 03.06.2022

Unterstützen statt aushöhlen

SOZIALPARTNERSCHAFT – Die erfolgreich gelebte Sozialpartnerschaft trägt wesentlich dazu bei, dass die Schweiz im internationalen Vergleich eine relativ tiefe Erwerbslosenquote aufweist. Das Übersteuern von allgemeinverbindlichen GAV durch kantonale Bestimmungen muss aufhören.

Die Motion «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» des Obwaldner Mitte-Ständerats Erich Ettlin verlangt, dass die Bestimmungen eines allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrags (ave GAV) zu Mindestlohn, 13. Monatslohn und Ferienanspruch anderslautenden Bestimmungen der Kantone vorgehen. So, wie das vor dem umstrittenen Urteil des Bundesgerichts zum Mindestlohn im Kanton Neuenburg aus dem Jahr 2017 der Fall gewesen war. Bei allen anderen arbeitsrechtlichen Bestimmungen behalten die Kantone das Recht, selbst in ave GAV einzugreifen.

Tief verankert

Die Sozialpartnerschaft und der Föderalismus sind tief verankert in der politischen Kultur der Schweiz. Doch seit dem umstrittenen Bundesgerichtsurteil zu Neuenburg ist klar, dass kantonale Massnahmen wie z. B. höhere Mindestlöhne die Bestimmungen eines – auf nationaler Ebene ausgehandelten – ave GAV aushebeln können. Konkret sind in einer Branche kantonal höhere Mindestlöhne bestätigt worden, als der ave GAV dies eigentlich vorsieht. Solche Entscheide führen zu völlig unnötigen Unsicherheiten in den sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen. Und sie sind geeignet, die Sozialpartnerschaft auszuhöhlen. Denn: Was macht es für einen Sinn, national zu verhandeln, wenn kantonal übersteuert werden kann?

Rechtsunsicherheit beseitigen

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv unterstützt die Motion. Ihre Annahme beseitigt die bestehende Rechtsunsicherheit und schafft eine ausgewogene Kompromisslösung. Die Kantone können weiterhin arbeitsrechtliche Bestimmungen erlassen. Nur im Bereich Mindestlohn, 13. Monatslohn und Ferienanspruch werden ave GAV von solchen kantonalen Bestimmungen ausgenommen.

Einseitige kantonale Eingriffe, die einzelne lohnrelevante Bestimmungen der ave GAV aushebeln, untergraben die Allgemeinverbindlich-erklärungen des Bundesrates. Deshalb ist eine Klärung des Vorrangs unumgänglich geworden. Der vorliegende Vorschlag schafft die notwendige Balance zwischen sozialpartnerschaftlich ausgehandelten und kantonalen arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Andernfalls droht das Schweizer Erfolgsmodell der Sozialpartnerschaft infolge kantonaler Regelungen mehr und mehr zu erodieren.

Rechtssicherheit wiederherstellen

Die Forderung ist nicht einfach nur ein Anliegen vereinzelter Branchen. Insgesamt 29 Organisationen, von den Dachverbänden bis zu einem breiten Mix an Branchenverbänden, empfehlen die Motion zur Annahme mit dem Ziel, die Rechtssicherheit wieder herzustellen. Die erfolgreich gelebte Sozialpartnerschaft trägt wesentlich dazu bei, dass die Schweiz im internationalen Vergleich eine relativ tiefe Erwerbslosenquote aufweist. Diese Errungenschaft sollte nicht mutwillig aufs Spiel gesetzt werden.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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