Publiziert am: 19.06.2020

Die Meinung

UnverantwortlicheKonzerne

Die Meinung

Beim Staat macht die Swiss die hohle Hand; bei den eigenen Kundinnen und Kunden aber, da knausert die Lufthansa-Tochter. Schon Anfang Jahr fiel sie auf, als sie zur Gesinnungspolizei mutierte. Läderach-Schokolade wurde aus dem Sortiment gekippt. Nicht etwa, weil die Produkte schlecht waren, sondern weil die Inhaber ihre Meinung frei geäussert hatten. Die Swiss ist aber kein isoliertes Beispiel. Zunehmend positionieren sich Konzerne und ihre willigen Helfer unverantwortlich.

Konzerne und ihre Verbände kämpften an vorderster Front für die Abschaffung der Inhaberaktiengesellschaften. Konzerne und ihre Verbände traten auch in der vergangenen Session für die Revision des Aktienrechts ein. Beide Male war es ihnen mehr als recht, die Regulierungskosten den KMU aufzubürden.

Derzeit gibt es in der Schweiz kaum eine Frage, in der Konzerne und ihre Vertreter nicht KMU aktiv bekämpfen würden. Reklamieren KMU über Corona-Massnahmen, werden sie aus dem Sortiment gekippt (Coop). Bestehen KMU auf Produktmarken, werden sie aus dem Sortiment gekippt (Migros). Kurz vor der parlamentarischen Beratung des Vaterschaftsurlaubs preschen Konzerne vor und führen ihn ein (Novartis). Kurz: Konzerne betrachten die Schweiz als einen Selbstbedienungsladen.

Gerade wenn man überlegt, dass die Abstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative bald ansteht, ist das Gebaren der Konzerne unklug. Einerseits vollziehen sie rot-grüne Anliegen – Regulierung, Gesinnungspolizei, Sozialstaat – und andererseits wundern sie sich, wenn Rot-Grün diese Stärke gegen sie einsetzt.

Doch noch unverantwortlicher ist ein zweiter Widerspruch: Einerseits knüppeln Konzerne KMU, und andererseits erwarten sie Unterstützung im Kampf gegen die Volksinitiative. Dieser wird von einer hochnäsigen Kampagne begleitet. Sie scheut nicht einmal davor zurück, gegen die eigenen Alliierten, gegen die KMU, zu schiessen.

Im Argumentarium der Konzernkampagne steht nämlich: «Über die Hälfte aller inländischen Aufträge der KMU stammen von Konzernen» und «Jeder Arbeitsplatz bei einem multinationalen Unternehmen sichert rund 1,5 Stellen beim lokalen Gewerbe». Solche Aussagen stellen KMU als «Abfallprodukt» der Konzerne, ja als den Konzernen untergeordnet dar. Das ist respektlos.

Mehr noch: Solche Aussagen stimmen schlicht nicht. Die empirische Evidenz dafür ist mehr als dünn; wenn überhaupt, zeigen die bisherigen Studien, dass KMU auch ohne Konzerne gut wirtschaften. Konzerne leisten einen enorm wichtigen Beitrag für die Schweiz. Doch wenn die Konzerne selber einen Keil zwischen sie und den KMU schlagen, ist es sehr unklug. Ob diese Thesen als Unachtsamkeit oder gar als Lüge gelten können, ist nicht wichtig. Wichtig ist: Es ist unverantwortlich, so etwas zu sagen.

Genauso wie es unverantwortlich ist, die Linke zu verhätscheln, die KMU zu drangsalieren und die Schweiz als Selbstbedienungsladen zu behandeln. Konzerne und ihre willigen Helfer sollten sich nicht wundern, wenn die Stimmung im Volk gegen sie kehrt. Ihr herrischer Anspruch zusammen mit ihrem widersprüchlichen Verhalten fällt auf. Konzerne sollten schnellstens zurück in die Zivilisation finden.

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