Publiziert am: 14.08.2020

Verfassungswidrige Steuer im Corona-Jahr

Premieren sind oft etwas Erfreuliches. Letztes Jahr aber erlebte ich eine Premiere der unerfreulichen Sorte. Zum ersten Mal flatterte mir eine Rechnung für die Radio- und TV-Abgabe meines Unternehmens ins Haus. Bis dahin war meine Firma selbstverständlich davon befreit, da wir bei der Gartenarbeit weder Fernsehen schauen noch Radio hören. Aber mit dem hauchdünnen Ja zur unsäglichen Mediensteuer 2015 wurde auch mein Unter­nehmen mediensteuerpflichtig. Obwohl ich – und meine Mitarbeitenden – bereits als Privatpersonen Radio- und TV-Gebühren zahlen.

So weit, so unschön. Weitere Fragen wirft der Betrag auf. 910 Franken muss ich mit meiner Firma der Eidgenössischen Steuerverwaltung abliefern. Dies, weil sich mein Unternehmen in der Tarifstufe 2 (1 bis 4,99 Mio. Umsatz) von insgesamt nur 6 Tarifstufen befindet. Untersucht man die Auswirkungen dieses Systems, wird die Ungerechtigkeit offensichtlich. Meine Analyse hat ergeben, dass ich mit meiner Firma im Verhältnis zu Grossunternehmen, wie zum Beispiel der Migros, eine rund 700-fach höhere Abgabe bezahlen muss. Das ist krass unverhältnis­mässig und inakzeptabel.

Ich protestierte schriftlich bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung in Bern und forderte eine anfechtbare Verfügung ein. Allerdings war ein Berner KMU schneller beim Beschreiten des Rechtswegs. Und siehe da: Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Tarifstruktur des Bundesrats verfassungswidrig sei und gegen das «Rechtsgleichheitsgebot» verstosse.

Der Bundesrat erliess umgehend ein neues Tarifsystem mit 18 Abstufungen. Das heisst, für meine Firma beträgt die Höhe der Mediensteuer statt 910 Franken noch 235 Franken. Nun könnte man meinen, dass die zu viel bezahlten Steuern den Unternehmen selbstverständlich zurückerstattet werden. Zur Erinnerung: Den Privathaushalten hat der Bundesrat eine pauschale Vergütung von 50 Franken gewährt, als feststand, dass auf die Empfangsgebühren unerlaubterweise die Mehrwertsteuer draufgeschlagen wurde. Und bei den Unternehmen? Fehlanzeige. Das Bundesverwaltungsgericht hielt fest, dass den Unternehmen die zu viel eingezogenen Beiträge nicht zurückerstattet werden müssen.

Das ist absurd: Man stellt Verfassungswidrigkeit fest, verzichtet aber auf eine Rückzahlungspflicht. So etwas ärgert mich masslos. Und vom Preisüberwacher ist kein Mucks zu hören.

Nun könnte man meinen, dass die verfassungswidrige Tarifstruktur wenigsten aufs Jahr 2020 angepasst wird. Schliesslich liegt die neue verfassungskonforme Tarifierung längst vor. Wiederum Fehlanzeige. Der Systemwechsel erfolgt erst auf 2021. Im Corona-Jahr werden die KMU mit einer gerichtlich unzulässig erklärten Tarifstruktur gemolken.

Mich erstaunt, dass im KMU-Land Schweiz nicht mehr Protest zu hören ist. Auch medial nicht. Immerhin hat das Basler Onlinemedium Prime News das Thema aufgenommen. Aber die grossen nationalen Medien? Zum dritten Mal: Fehlanzeige.

Der Schweizerische Gewerbeverband wird in dieser Angelegenheit weiter stark gefordert sein. Es ist zwar gut, dass mit der parlamentarischen Initiative des Tessiner Nationalrats Fabio Regazzi ein Vorstoss hängig ist, der KMU – also Firmen mit weniger als 250 Mitarbeitenden – von der Mediensteuer befreien will. Das kann aber eigentlich nur der Anfang sein. Denn die Mediensteuer ist und bleibt eine nicht gerechtfertigte Doppelbesteuerung – und somit ein Ärgernis.

* Marcel Schweizer ist Präsident des Gewerbeverbands Basel-Stadt und Inhaber eines Gartenbauunternehmens.

www.gewerbe-basel.ch

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