Publiziert am: 03.04.2020

Verheerende Schäden befürchtet

LEIDEN UNTER CORONA – Spätestens seit der Bundesrat die Schliessung weiter Teile der Wirtschaft angeordnet hat, leiden Unternehmen in den unterschiedlichsten Sektoren massiv. Besonders stark sind Hotellerie und Gastronomie betroffen. Aber auch der Bau, der Gartenbau, die Temporärbranche und unzählige weitere Branchen müssen kämpfen wie nie zuvor.

Es sind erschreckende Zahlen, die HotellerieSuisse nach einer Umfrage bei mehr als 2000 Betrieben im Schweizer Tourismus meldet: Hotels rechnen für den April mit monatlichen Umsatzeinbussen von bis zu 90 Prozent; im März waren es gegen 60 Prozent. Im Schnitt schätzen die Betriebe die Wahrscheinlichkeit eines Konkurses auf 19 Prozent; jene aus der Gastronomie (27%) und der Hotellerie (23%) sind noch pessimistischer. Zwar gibt es in der Hotellerie keine behördliche Schliessung. Viele Betriebe haben trotzdem zugemacht, weil keine Gäste mehr da sind. Trotzdem stellen manche Hoteliers für Arbeitnehmer z. B. im Gesundheitswesen, die reisen müssen, eine Infrastruktur zur Verfügung. «Das machen wir gerne und sind solidarisch», sagt Hotellerie­Suisse-Präsident Andreas Züllig.

Auf die ganze Tourismusbranche hochgerechnet, werden laut der Umfrage Umsatzverluste von 6,4 Milliarden erwartet, davon 1,5 Milliarden Franken allein bis Ende Mai. «Im April wird schweizweit gerade noch mit einer Belegung von 13 Prozent gerechnet, das Ostergeschäft hat sich in Luft aufgelöst», sagt ­HotellerieSuisse-Direktor Claude Meyer gegenüber dem Branchenportal htr.ch.

Too many to fail

Wie sehr die behördlichen Massnahmen die Branche treffen, zeigt eine vom Schweizerischen Gewerbeverband sgv zuhanden des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO geführte Befragung auf. Die Geschäftstätigkeit ist eingeschränkt durch die Schliessung der Restauration, sie betrifft knapp 95 Prozent der Betriebe. Das Gastgewerbe ist ebenfalls von Veranstaltungsverboten, Flugverboten, Verhaltensempfehlungen und Grenzschliessungen betroffen. Die Massnahmen führen dazu, dass praktisch allen gastgewerblichen Betrieben inländische wie ausländische Gäste fehlen.

Hans-Ulrich Bigler, der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands, hat die Schweizer KMU gegenüber der Gewerbe-TV-Sendung «FOKUS KMU» als «too many to fail» bezeichnet. Darauf Bezug nehmend, sagt GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer gegenüber dem «GastroJournal»: «Das Gastgewerbe mit seinen rund 260 000 Mitarbeitenden ist so gesehen eben auch – wie die Grossbank – ‹too big to fail›.»

Problem Grenzschliessungen

Probleme mit den weitgehend geschlossenen Grenzen hat nicht nur der Tourismus. Auch das Baugewerbe ist davon betroffen. «Die Grenzschliessungen führen zu Staubildung, sodass Grenzgänger teils nur mit mehreren Stunden Verzögerung zur Arbeit erscheinen können», sagt Gian-Luca Lardi, Präsident des Schweizerischen Baumeisterverbands SBV.

Grösseren Ärger bereitet der Baubranche die Gewerkschaft Unia, deren Funktionäre sich auf Baustellen rücksichtslos – und, wie Aufnahmen von «Schweiz aktuell» zeigen, ohne sich auch nur im Geringsten an behördlich vorgegebene Abstandsmassnahmen zu halten – an Bauarbeiter heranmachen, um deren Support für ihre Forderung nach Schliessung aller Baustellen zu bekommen (vgl. auch «Die Meinung», Seite 2). Tatsache ist: Würde in den Tourismuskantonen auch der wichtigen Bauwirtschaft der Stecker gezogen, wären die volkswirtschaftlichen Folgen noch verheerender. Kommt dazu: Wenn Baustellen schliessen, dann sind auch eine Vielzahl vor- und nachgelagerter Branchen betroffen. Zulieferer von Baumaterialien müssen mit einer tieferen Nachfrage kämpfen. Maler und Gipser können nicht tätig werden, solange der Rohbau nicht steht.

Ebenfalls nicht hilfreich sind Generalunternehmer, die etwa in der Ostschweiz gleich von zwei Seiten her Druck auf Baufirmen machen. Dies, indem sie Konventionalstrafen in Aussicht stellen für den Fall, dass behördliche Abstandsregeln nicht eingehalten werden – und ebenso für den Fall, dass dadurch Verzögerungen entstehen sollten …

Nachschub und Liquidität fehlen

Über die Grenzen hinweg bangt nicht nur die Tourismusindustrie. Nachschubsorgen plagen die Pharmabranche, und die Schweizer Fleischwirtschaft fürchtet durch den Lockdown in Indien um ihre Versorgung mit Gewürzen und Zusatzstoffen. Zudem werden aufgrund der angespannten Lage in Gastronomie und Hotellerie auch in der Fleischbranche Debitorenverluste erwartet, was wiederum die Wertschöpfung und Liquidität der eigenen Branche bedroht. Über kurz oder lang dürfte es auch hier zu Betriebsschliessungen kommen.

Auch bei Tankstellen und Tankstellenshops dürften Liquiditätsprobleme zunehmen, nachdem schon heute grosse Umsatzeinbussen sowohl beim Treibstoff als auch im Shopgeschäft zu verzeichnen sind.

Nicht aufzuholende Verluste

Grösste Sorgen macht sich auch der Sportfachhandel. Durch den Lockdown ist der Direktverkauf in der ganzen Schweiz eingestellt. Da kaum Sport betrieben wird, ist auch der Umsatz im Onlinehandel stark eingebrochen. Die Schliessung von Sportstätten und das Verbot von Vereinsaktivitäten – Turnvereine, Fussball, Handball, Skigebiete – tun das Ihre. Bereits eingekaufte saisonale Ware (Frühling) kann zu einem späteren Zeitpunkt (im Sommer) kaum mit Marge verkauft werden. Neben den Kosten für Personal und Miete fallen im Sportfachhandel auch jene für die bereits im Vorjahr bestellte Ware an, welche für den Verkauf im Frühjahr geliefert wurde. Es dürfte für viele Geschäfte kaum möglich sein, diese Kosten zu stemmen.

Dasselbe Bild im Gartenbau: Auch hier wird ein massiver wirtschaftlicher Einbruch befürchtet, fällt doch das Frühlingsgeschäft – für manchen Betrieb macht es bis zu 80 Prozent seines Umsatzes aus – total ins Wasser (vgl. auch S. 1). Zum «miesesten Zeitpunkt des Jahres» hat die Corona-Krise die Floristen erwischt, sagt Urs Meier, Geschäftsführer des Schweizer Floristenverbands «florist.ch» . Ausgerechnet jetzt, zum Frühlingsbeginn, wo die bunte Blütenpracht ihre Wirkung entfaltet, müssen die Läden geschlossen bleiben. Vom Geschäftsmodell der Selbstbedienung rät Meier ab; zu viele Fragen seien offen. Gepusht werden dagegen Lieferungen und Abholungen. Viele Floristen-KMU arbeiten bei der Belieferung der Kunden mit Branchenprimus Fleurop zusammen. Und nächste Woche wird eine Oster-Solidaritätsaktion gestartet: Dabei werden Pflanzen aus der Schweiz zu Osterkörben verarbeitet. Zehn Prozent des Umsatzes aus diesen Verkäufen fliesst anschliessend an die «Glückskette». Ebenfalls an die «Glückskette» oder ans Rote Kreuz geht je ein Franken beim Kauf eines Desinfektionsmittels in einer Drogerie, wie der Schweizerische Drogistenverband mitteilt.

Dienstleister stark betroffen

Bei den Dienstleistern sind nicht nur Coiffeure – ihre Tätigkeit ist derzeit absolut untersagt – von den Corona-Massnahmen aufs Übelste betroffen. Auch ihre Zulieferer sind indirekt mitbetroffen. Dasselbe gilt für Dentallaboratorien: Weil Zahnärzte nur mehr Notfälle behandeln dürfen, geht den Zahntechnikern auch die Arbeit aus. Im Dentalhandel wird mit einem Umsatzrückgang von rund 75 Prozent gerechnet.

Ähnlich wie auf dem Bau sind Grenzschliessungen auch für die Temporärbranche ein grosses Pro­blem. Generell aber und besonders im Gesundheitswesen, bei Logistik, Sicherheit und Reinigung nimmt die Nachfrage nach Temporären stark zu, wie swissstaffing berichtet. En/uhl

Meist Gelesen