Der sgv spricht sich vehement gegen die Erhöhung der Lohnprozente aus
Verlockend – aber dennoch falsch
HEIRATSSTRAFE – Das von der CVP lancierte eidgenössische Volksbegehren «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» würde die Bundesfinanzen noch stärker strapazieren. Die Gewerbekammer, das «Parlament» des sgv, lehnt die Initiative ab.
Die von der CVP 2012 eingereichte Volksinitiative möchte die bestehende Ungleichbehandlung von Ehepaaren und Konkubinatspaaren bei den Steuern und den Sozialversicherungen beseitigen. Dazu soll die Bundesverfassung wie folgt ergänzt werden: «Die Ehe ist die auf die Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau. Sie bildet in steuerlicher Hinsicht eine Wirtschaftsgemeinschaft. Sie darf gegenĂĽber andern Lebensformen nicht benachÂteiligt werden, namentlich nicht bei den Steuern und den Sozialversicherungen.» Damit ist ein klarer Rahmen vorgegeben, der in der heutigen Realität rund 80 000 Ehepaare betreffen wĂĽrde, die höhere Steuern bezahlen als Konkubinatspaare. FĂĽr diese 80 000 Paare tönt die Initiative verständlicherweise verlockend; am kommenden 28. Februar werden sich Volk und Stände dazu äussern mĂĽssen. Die Gewerbekammer, das «Parlament» des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv, empfiehlt, die Initiative abzulehnen.
Vom Begriff der «Ehe»...
Die Initiative vermischt verschiedene Themen miteinander: Die Definition der Ehe, die Steuergesetzgebung und das Sozialversicherungswesen.
Beginnen wir mit der Ehe: Der eingereichte Initiativtext sorgte bereits für reichlich Gesprächsstoff und rückt das eigentliche Problem in den Hintergrund. Die Annahme der Initiative hätte nämlich zur Folge, dass in der Verfassung eine traditionalistische Definition von Ehepartnerschaft verankert würde.
...zum Problem der Besteuerung
Was die Definition der Begriffe Ehe und Ehepaar anbelangt, ist jedermann frei, nach eigenem GutdĂĽnken zu entscheiden. Doch wir sollten uns nicht verzetteln! Das echte Hauptproblem bleibt die Diskriminierung von verheirateten Paaren im Vergleich zu im Konkubinat lebenden Paaren – und das einzig im Hinblick auf die UngleichÂbehandlung bezĂĽglich Steuern und Sozialversicherungen. Dabei hat sich die Debatte im Parlament vorwiegend um den Aspekt der fiskalischen UngleichÂbehandlung gedreht. Denn was das Sozialversicherungsrecht anbelangt, ist der Bundesrat der Ansicht, dass er seinen Teil der Aufgabe erledigt hat. Die steuerpolitischen Ziele der Initiative decken sich mit denen des Bundesrates, nämlich die Abschaffung der Diskriminierung von Ehepaaren im Vergleich zu Konkubinatspaaren.
Der Wille des Bundesrates, diese fiskalische Benachteiligung aus der Welt zu schaffen – wie es das BundesÂgericht bereits vor ĂĽber 30 Jahren verlangt hat –, ist nur zu begrĂĽssen. Allerdings könnte diese Massnahme nicht nur neue admiÂniÂstrative Belastungen schaffen, sondern auch zu höheren Steuern in anderen Bereichen fĂĽhren. Gemäss Initianten wären in Zukunft im Rahmen der direkten Bundessteuer mehrere Modelle einer Gemeinschaftsbesteuerung möglich, um die Diskriminierung aufzuheben. Vorgeschlagen werden beispielsweise ein MehrÂfachÂtarifsystem mit alternativer Steuerberechnung, die Anwendung eines Teil- oder Vollsplittings oder ein sogenanntes Familienquotientensystem. Das Modell MehrÂfachÂtarif mit alternativer Berechnung hätte allerdings zur Folge, dass unser bereits extrem komplexes Steuersystem noch schwieriger wĂĽrde. Dies wĂĽrde dem aktuellen Trend zuwiderlaufen, die Steuerverfahren zu vereinfachen.
Fiskalische Prioritäten
Angesichts des heute schwächelnden Wirtschaftswachstums und der steigenden FinanzbedĂĽrfnisse des Bundes, insbesondere in Sachen StrasÂsen- und SchienenÂinfraÂstruktur, mĂĽssen auf fiskalpolitischer Ebene Prioritäten gesetzt werden. Das EinÂhalten der Schuldenbremse zwingt unsere Regierung, eine Wahl zwischen zwei bedeutenden Vorlagen zu treffen: einerseits die Reform der Familien- und EhepaarÂbesteuerung mit einer geschätzten Verminderung der Steuereinnahmen von jährlich zwischen 1 bis 2,3 Milliarden Franken; und andererseits die UnternehmensÂsteuerÂreform III, die Mindereinnahmen von mehreren Milliarden Franken nach sich zieht.
Vor dieses Dilemma gestellt und wegen des Zustands der Bundesfinanzen könnte man auf die Idee kommen, das Budget der Eidgenossenschaft nochmals zu strapazieren. So gesehen stellt die Unternehmenssteuerreform III eine Chance dar, die ergriffen werden muss, um die Rahmenbedingungen der Unternehmen zu verbessern und somit Wachstum und Arbeitsplätze zu generieren.
Alexa Krattinger, Ressortleiterin sgv
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