Publiziert am: 10.07.2015

Viel Geduld, Nerven und Ausdauer

CARROSSier SPENGLEREI – Diana Schlup wird als erste Schweizer Expertin in diesem Beruf an den WorldSkills São Paulo teilnehmen. Zurzeit ist beim Training der Endspurt angesagt, bevor es in einem Monat um die Verteidigung der Bronzemedaille geht.

Blättert man durch die Broschüre der Schweizer WorldSkills-Delegation, so lachen einem hauptsächlich Männergesichter entgegen, mal abgesehen von den typisch weiblichen Berufen wie Kosmetikerin oder Floristin. Doch halt – auf Seite 22 beim Beruf Carrossier Spenglerei wird man mit dem strahlenden Gesicht von Diana Schlup eines Besseren belehrt. Als erste Carrosseriemeisterin der Schweiz hat sie in einer Männerdomaine Fuss gefasst – so erfolgreich, dass sie als erste Expertin in dieser Branche an die WorldSkills nach Brasilien fliegen wird. Es sei für sie eine grossse Ehre, dieses Amt übernehmen zu dürfen. «Ich bin zum ersten Mal an einem so grossen Berufsbildungsevent dabei. Bis jetzt war ich nur Expertin bei Schweizer Meisterschaften sowie Abschluss- und Berufsprüfungen. Es ist eine Herausforderung, einen jungen Menschen ohne spezielle Erfahrungen auf dieses Grossereignis vorzubereiten», betont die Leiterin Fachbereich Technik beim Schweizerischen Carrosserieverband VSCI.

«Die Arbeiten an der WM decken sich nicht unbedingt mit der Ausbildung.»

Verzögerungen aufholen

Schlup und ihr Schützling Manuel Lipp aus dem luzernischen Ruswil haben den Weg gefunden und sind während der letzten Monate Training ein gutes Team geworden. «Wir haben eine intensive und anspruchsvolle Zusammenarbeit, denn Manuel ist sehr wissbegierig und engagiert. Die Kommunikation spielt bei uns eine wichtige Rolle, da er auch viel alleine trainiert», stellt die gelernte Carrosseriespenglerin fest.

Momentan steckt das Team Schlup/ Lipp noch mitten im Training. Leider läuft nicht alles so am Schnürchen, wie es die versierte Fachfrau gerne hätte: «Es gab Verzögerungen. Das Vorprojekt, das im Wettkampf selber noch zu 30 Prozent geändert wird, wurde erst im Juni und nicht, wie vorgesehen, im April bekannt.» Ebenso sei erst kürzlich bekannt geworden, mit welcher Automarke gearbeitet werde. «Dies stellt uns jetzt vor die Herausforderung, beim VW-Werk in Bratislava möglichst schnell eine entsprechende Carrosserie zum Üben aufzutreiben», hält Schlup fest. «Die Arbeiten an der WM decken sich nicht unbedingt mit der Grundausbildung. Dieses Mal gilt es, bei einem VW Up einen Längsträger zu richten – in Rea­lität wird bei diesem Autotyp eine solche Reparatur gar nicht mehr ausgeführt», konkretisiert Schlup.

Immenser Dokumentenkrieg

Eine hochmoderne Schweissanlage, ungewohnte Maschinen und 300 Kilogramm Werkzeug, das dank einer Sonderbewilligung per Luftfracht nachgeliefert wird, sind nur einige technische, logistische und infrastrukturelle Probleme, die es mit viel Geschick, Souveränität, Geduld und Krea­tivität zu lösen gilt. «Die Vorbereitungen auf der Expertenseite sind sehr zeitaufwendig und nervenaufreibend», so Schlup. Der Dokumentenkrieg mit Sicherheitsvorschiften, Regeln, technischen Anleitungen und Leitfäden, die beachtet werden müssen, sei immens und fülle Ordner. «Allein die Infrastrukturliste ist 20 Seiten lang und notabene alles auf Englisch. Es dauert oft Wochen, bis ich in unserem Internetforum eine Antwort auf technische Fragen bekomme», so Schlup. Dennoch: Die junge Frau freut sich, diese Erfahrung machen zu dürfen. «Ich habe ein gutes Gefühl, obwohl es schwierig ist, die Konkurrenz einzuschätzen. Ich bin gespannt, wie die anderen Nationen alle diese Probleme lösen werden.» Und sie meint zuversichtlich: «Wir werden unser Bestes geben und hoffen, mindestens die Bronzemedaille von André Schmid in Leipzig 2013 erfolgreich verteidigen zu können.» Besonders am Herzen liegt ihr, dass fair und ehrlich bewertet wird.

Corinne Remund

FRAUENPOWER in der Carrossierbranche

Die erste Carrosseriemeisterin

Bereits als kleines Mädchen begleitete Diana Schlup ihren Vater zur Arbeit in die Carrosserie. In der vierten Klasse war klar, dass sie einmal in dessen Stapfen treten wird. Sie absolvierte dieselben Kar­riereschritte wie ihre Kollegen und absolvierte nach der Lehre die Berufsprüfung und danach die Meisterprüfung. Dabei legte sie als erste Frau die höhere Fachprüfung in diesem Business ab. «In höheren Posi­tionen sind in dieser Branche immer noch sehr wenige Frauen anzutreffen, obwohl es immer mehr gibt, die sich zur Carrosseriespenglerin ausbilden lassen», stellt die gebürtige Seeländerin fest.

Zuerst belächelt, jetzt bestaunt

Als Frau hätte man in dieser Männerdomaine sowohl Vor- als auch Nachteile. Zuerst sei sie schon belächelt worden und hätte sich dumme Sprüche anhören müssen. Doch sobald sie sich mit ihrem Können bewiesen habe, sei sie sogar bewundert worden. «Ich wollte immer zu den Besten gehören, das hat mir bei den Männern sehr viel Respekt eingebracht. Erbringt man als Frau jedoch weniger die Leistung, dann kann es schwierig werden», so die Erfahrungen der engagierten Berufsfrau. Als Vorteil bezeichnet sie den einfacheren Umgang mit ihren männlichen Berufskollegen. «Als Frau wird man oft zuvorkommend behandelt.»

Schlup wünscht sich, dass noch mehr Frauen diesen Beruf erlernen. «Ich bin überzeugt, vielen Frauen würde unser Metier sehr entsprechen, wenn sie eine Chance erhielten. Der Beruf ist sehr abwechslungsreich und eigentlich ein Kunsthandwerk.» Besonders fasziniere sie, aus etwas Defektem etwas Neues zu schaffen: «Zu schweissen oder ein Blech zu formen ist ein schönes Gefühl.» Heute arbeitet Schlup nicht mehr an den Autos. Seit fünf Jahren ist sie beim VSCI in Zofingen angestellt. Sie vermisse die handwerkliche Arbeit, doch gerade als Expertin sei sie noch sehr nahe am praktischen Geschehen. CR

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