Publiziert am: 07.10.2022

Von fetten zu mageren Kühen

BUNDESFINANZEN – Die Versuchung wird immer stärker, die Schuldenbremse zu lockern, um vermeintlich gute Zwecke zu erreichen. Das ist keine gute Idee, und es schadet der finanziellen Stabilität der Schweiz, die uns bisher so viel Gutes eingebracht hat.

Die Bundesfinanzen präsentieren sich nicht mehr so rosig wie vor der Covid-Krise. Finanzminister Ueli Maurer hat denn auch die Parlamentarier vor ihren Finanzentscheidungen gewarnt. Der Grund dafür sind die erheblichen Ausgaben des Bundes, die durch die Massnahmen zur Bewältigung der Covid-Krise entstanden sind. Die nächste Krise zeichnet sich bereits ab, da es zu Engpässen bei der Energieversorgung, insbesondere bei der Stromversorgung, kommen könnte. Der Bundesrat hat bereits einen Rettungsmechanismus für die Axpo aktiviert, die aufgrund des starken Preisanstiegs auf den Energiemärkten zeitweise in Liquiditätsnot geraten ist (vgl. Seite 5).

Um die berühmte biblische Analogie zu bemühen: Werden nun die mageren Kühe die fetten Kühe verschlingen?

Erfolge dank Schuldenbremse

In den letzten Jahren hat der Bund in der Tat fette Kühe gemolken. Allerdings hatte eine 1995 eingeführte Ausgabenbremse anfangs nicht wirklich funktioniert. Die Verschuldung war von 82 Milliarden Franken im Jahr 1995 auf 130 Milliarden Franken im Jahr 2005 angestiegen. Im Gegensatz dazu hat der neue Umgang mit den Bundesfinanzen mit der Einführung einer echten Schuldenbremse ab 2003 sehr gut funktioniert. Die Staatskonten wiesen ab 2006 Überschüsse statt der bis dahin üblichen Defizite aus.

Die Einführung der Schuldenbremse, die ab 2006 bis 2019 ihre Wirkung zeigte, ermöglichte es, die Schulden um 33 Milliarden Franken zu reduzieren. Da gleichzeitig das Bruttoinlandprodukt (BIP) stetig wuchs, hatte die Schweiz schon bald eine der niedrigsten Schuldenquoten im Verhältnis zum BIP. Der Vorteil einer solchen Situation bestand in der Bestnote der Ratingagenturen und den entsprechend niedrigen Zinssätzen, die die Stabilität der Schweizer Finanzen widerspiegelten.

Disziplin ist nun gefragter denn je

Der Mechanismus, der dafür sorgen sollte, dass auf fette Jahre auch magere Jahre folgen, funktionierte jedoch nicht ganz wie geplant. Zunächst einmal erzielte der Bund fast immer Überschüsse, sodass sich die Eidgenössische Finanzverwaltung fragte, wie sie diese wiederkehrenden Überschüsse abbauen könnte. Die Schätzungen der Überschüsse waren oft zu niedrig.

Tatsache ist, dass unbewusst jedes Amt des Bundes, das sein eigenes Budget erstellen muss, die Schuldenbremse gut verinnerlicht und trotzdem versucht hat, sich Jahr für Jahr einen Spielraum einzuräumen. Die Ausgaben lagen dann meist unter den veranschlagten Beträgen, was zu den ausgezeichneten Überschüssen führte. Alles konnte vom Bund bezahlt werden – es war die Zeit der fetten Kühe.

In mageren Zeiten, mit dem erwarteten Abschwung oder gar einer Rezession, zwingt die Einhaltung der Disziplin der Schuldenbremse zu Einschränkungen, die im politischen Apparat niemand mehr gewohnt ist. Der Mechanismus der Schuldenbremse würde dazu zwingen, das klaffende Loch in der ausserordentlichen Rechnung (Belastung des Amortisationskontos) innerhalb von sechs Jahren mit Überschüssen aus der ordentlichen Rechnung (Gutschrift auf dem Ausgleichskonto) zu stopfen. Im aktuellen Kontext ist fast ein Ding der Unmöglichkeit!

Versuchung wird immer stärker

Der Nationalrat wollte in einer Abstimmung, die vom Ständerat berichtigt wurde, sogar die Schulden aus «Covid» mit Überschüssen aus der Vergangenheit verrechnen. Dies würde an der Höhe der Verschuldung nichts ändern. Mit den Ausschüttungen der SNB könnten zwar die Covid-Schulden zurückgezahlt werden. Bei einem immer stärkeren Schweizer Franken und fallenden Finanzmärkten ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass die jährliche Ausschüttung gefährdet werden könnte. Und generell muss bezweifelt werden, ob eine Verwendung von SNB-Geldern – egal, für welchen Zweck und in wessen Interesse – eine gute Idee ist. Die Versuchung wird immer stärker, die Schuldenbremse zu lockern, um die Ausgaben für die Armee, die Prämienverbilligungen bei der Krankenversicherung, die familienergänzende Kinderbetreuung, den Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative usw. zu bezahlen. An Ideen fehlt es nie. Am Ende aber wird das Risiko von Steuererhöhungen real werden – und wenn dies einmal der Fall ist, werden am Ende die mageren Kühe die fetten Kühe verschlingen!Mikael Huber, Ressortleiter sgv

BUNDESVERWALTUNG

Notbremse ziehen

Die Anzahl Stellenin der Bundesverwaltung dürfe jährlich nicht stärker wachsen als im privaten Sektor. Dies verlangt der Aargauer SVP-Nationalrat Thomas Burgherr mittels einer parlamentarischen Initiative. Zudem sollten die Ausgaben für das Bundespersonal jährlich nicht stärker wachsen als das BIP. «Die Stellen in der öffentlichen Verwaltung haben von 2011 bis 2019 viel stärker zugenommen als im privaten Sektor, nämlich um 13,6 Prozent (in Vollzeitäquivalenten) gegenüber 9,7 Prozent in der Privatwirtschaft», begründet Burgherr seinen Vorstoss. Diese Entwicklung gelte es zu stoppen.En

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