Publiziert am: 01.10.2021

Vorsichtig bleiben – mehr denn je

budget 2022 – Will die Schweiz sich einen komfortablen Handlungsspielraum für künftige Investitionsausgaben sichern, muss sie bereits heute eine striktere Haushaltspolitik einschlagen.

Die Covid-19-Pandemie hat in der Schweiz nicht nur zu einer Krisensituation – Rezession, Schwächung der Wertschöpfungsketten, Anstieg von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit –, sondern gleichzeitig auch zu einer Aufweichung der Haushaltsdisziplin geführt. Gemäss den aktuellen Schätzungen sind die öffentlichen Bruttoschulden gestiegen und dürften bis Ende Jahr 110,5 Milliarden (+6,9 Mrd.) erreichen. Dies entspricht 15,0 Prozent des BIP. Das Verfahren zum Abbau der coronabedingten Schulden wurde eingeleitet, und zwar werden die Zusatzausschüttungen der SNB künftig als ausserordentliche Einnahmen verbucht werden. Die Schuldenbremse wird eingehalten, und der ordentliche Haushalt bleibt knapp ausgeglichen.

Handlungsspielraum sichern

Die Informationen zum Budget 2022 klingen beruhigend und könnten die Forderung nach einer vorsichtigen Haushaltspolitik angesichts der wirtschaftlichen Lage als unangemessen erscheinen lassen. Tatsächlich? Wäre es wirklich verfehlt, für mehr finanzielle Vorsicht und weniger Steuern zu plädieren?

Die einen sind der Ansicht, dass sich die Schuldenbremse bewährt und es dem Staat erlaubt hat, den Unternehmen rasch unter die Arme zu greifen. Sie finden daher, dass dieser Mechanismus konsolidiert bzw. verstärkt werden sollte.

Andere wiederum vertreten die Meinung, dass man zur Überwindung der Coronakrise die Steuern erhöhen sollte – dies, obwohl «Steuererhöhungen» und «Krisenbewältigung» klar negativ korreliert sind.

Zur Revitalisierung der Wirtschaft und zur Vermeidung einer generellen Aufblähung des Staates muss die Schweiz (wie die Unternehmen) innovieren, und zwar sowohl innen- als auch aussenpolitisch. Nur mit einer strikteren Haushaltspolitik wird sich die Schweiz den Handlungsspielraum sichern können, den sie braucht, um die Investitionsausgaben zu fördern und die Rahmenbedingungen dahingehend zu stärken, dass das Eingehen von Risiken, die Innovation und der Wohlstand begünstigt werden.

Eine ambitionierte Budgetpolitik: Der Ball liegt beim Parlament

Das Parlament wird auf der Grundlage des Budgets 2022 haushaltspolitische Entscheidungen fällen müssen. Waren die ausserordentlichen Ausgaben, mit denen den Unternehmen in der Krise geholfen wurde, mehr als gerechtfertigt und völlig legitim, so gilt es nun wieder – und zwar bereits ab heute –, das Augenmerk auf eine vorsichtigere Haushaltspolitik zu legen. Es ist also vordringlich, weniger auf ausserordentliche Ausgaben zurückzugreifen, die Schuldenbremse zu konsolidieren und eine proaktive Haltung einzunehmen – sprich, die Plafonierung des Bundespersonals erneut zum Thema zu machen, die von der Expertengruppe Schuldenbremse untersuchten Lösungsansätze für ein verbessertes Finanzmanagement neu zu überdenken, einen Aktionsplan zur Senkung der Gesundheits- und Pflegeausgaben auszuarbeiten, die Ausgaben für externe Aufträge zu begrenzen und die Umsetzung der bereits seit mehreren Jahren vom Parlament angenommenen Motion zur Reduktion der gebundene Ausgaben zu erwirken. Dank der so realisierten Einsparungen könnten die künftigen Investitionsausgaben getätigt und auch weitere Turbulenzen gemeistert werden.

Alexa Krattinger, Ressortleiterin sgv

CORONA-PANDEMIE KOSTET

1,6 Milliarden mehr

Der Bundesrat hat in den vergangenen Wochen verschiedene weitere Massnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie und zur Stützung der wirtschaftlichen Erholung verabschiedet. Diese haben im Voranschlag 2022 einen Mehrbedarf im Umfang von 1,6 Milliarden Franken zur Folge. Die betragsmässig bedeutendste Nachmeldung betrifft die Kosten für die Coronatests (1,5 Mrd. ausserordentlich). Zudem werden laut Bundesrat beim Bundesamt für Gesundheit zusätzliche Mittel benötigt, unter anderem für die Weiterführung der Krisenorganisation und die Überwachung von Virus-Varianten (46 Mio.). Des Weiteren hat der Bundesrat für den Tourismus ein Recovery-Programm über die kommenden Jahre verabschiedet; für die Nachfrageförderung über Schweiz Tourismus sind 2022 17 Millionen Franken vorgesehen.

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