Endlich Zug im Kamin
REGULIERUNGSKOSTEN – Werden die Kosten für die Regulierung gesenkt, wirkt sich dies für die KMU als Wachstumsprogramm aus. Nun kommt das Projekt «Regulierungskostenbremse» in Fahrt.
REGULIERUNGSKOSTEN – Zum Entlastungsgesetz und zur ReguÂlieÂrungsÂbremse: sgv-Präsident Regazzi und sgv-Direktor Bigler zeigen auf, weshalb ein Preisschild fĂĽr neue und die Reduktion unnötiger Regulierungen fĂĽr die von KMU geprägte und von Corona gebeutelte Schweizer Wirtschaft zwingend ist.
Fabio Regazzi: Jährlich gehen durch Regulierungskosten zehn Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP) verloren. Das sind aktuell etwa 70 Milliarden Franken. Die KMU kommen für den grössten Teil dieses Betrags auf. Für sie wirken sich Regulierungskosten wie ein Fixkostenblock aus. Als Firma kann man ihn weder beeinflussen noch diese Mittel effizient einsetzen. Folglich setzt der Abbau unnötiger Regulierungskosten gebundene Mittel frei. Firmen können damit investieren und expandieren. Damit wirkt sich die Senkung unnötiger Regulierungskosten aus wie ein Wachstumsprogramm aus eigener Kraft.
Hans-Ulrich Bigler: Seit gut zehn Jahren ist die Senkung der Regulierungskosten ein Dauerthema im Parlament. Über 50 Vorstösse sind dazu eingereicht und überwiesen worden. Mit der Resolution von Lugano hat der Gewerbeverband das Thema auf die politische Agenda gesetzt. Vor allem aber: Mit dieser Resolution hat der sgv die Verwaltung und die Politik endlich zu einer ehrlichen Diskussion über Regulierung und deren Kosten bewegt. Die aktuelle Vorlage zur Regulierungsbremse ist ein Resultat davon. Ohne «Lugano» wären wir heute nicht dort, wo wir in der Diskussion stehen.
Hans-Ulrich Bigler: Neben dem politischen Programm hat der sgv in der Schweiz auch erstmals eine umfassende Methodologie aufgestellt, nach der die Regulierungskosten zu messen sind. Zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung und KPMG Deutschland, und unter der wissenschaftlichen Leitung der Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften HSG (Universität St. Gallen), hat der sgv eine Messmethode entwickelt. Was immer in der Schweiz reguliert wird, verringert die Wertschöpfung. Demnach «klebt» das Preisschild der Regulierung am BIP, das die Wertschöpfung misst. Und wie von Fabio Regazzi erwähnt: Das generelle Preisschild beträgt geschätzte zehn Prozent. Wächst das BIP, so wachsen auch die Regulierungskosten.
Fabio Regazzi: Das trifft im Grundsatz zu. Doch vergessen wir nicht: In der Bundesverfassung ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit festgelegt. Das bedeutet, die Regulierung muss auf dem direktesten und einfachsten Weg ihre Ziele erfüllen. Leider machen wir in der Schweiz die Erfahrung, dass dieser Grundsatz noch immer oft mit Füssen getreten wird.
Fabio Regazzi: Zum Beispiel bei den Inhaberaktiengesellschaften. Weltweit wird ihre Abschaffung nirgends verlangt. Die Schweiz hat es trotzdem getan, um vermeintlichen Standards zu genĂĽgen – diese Standards waren jedoch im Finanzdepartement frei erfunden worden. Hier wurde völlig unnötig, einzig der Regulierung wegen, reguliert. Und dies zu einem sehr hohen Preis: 40 000 KMU mussten dafĂĽr die Zeche bezahlen. Deshalb muss kĂĽnftig gelten: Alles, was ĂĽber die Verhältnismässigkeit hinausgeht, ist als unnötige ReguÂlierung zu betrachten. Und genau dagegen wehren wir uns.
Hans-Ulrich Bigler: Das folgt aus den genannten GrĂĽnden. Regulierung generiert Kosten und wirkt sich damit wie ein Fixkostenblock auf die Unternehmen aus. Reduziert man unnötige Regulierung, erhalten Firmen mehr freie Mittel – und damit mehr Freiheit. Beides haben sie dringend nötig. Sie können es fĂĽr Wettbewerb, Innovation und die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen einsetzen. Die Schweiz verliert stetig an Wettbewerbsfähigkeit. Die Entlastung der Wirtschaft fĂĽhrt hier zu Âeiner Trendumkehr und zu ihrer Vitalisierung. Gerade nach der Corona-Krise fĂĽhrt daran kein Weg vorbei.
Fabio Regazzi: Im Gegenteil: Wir strukturieren damit die parlamentarische Entscheidungsfindung. Die Schweiz hat sehr positive Erfahrungen mit der Ausgaben- und mit der Schuldenbremse gemacht. Der gleiche Mechanismus kommt bei der Regulierungsbremse zum Tragen. Die Kosten von Vorlagen werden als «Preisschild» transparent ausgewiesen. Das Parlament muss dann eine Abwägung machen, ob es die entsprechende Vorlage zu diesem Preis «kaufen» will. Wenn es den Nutzen einer Vorlage grösser gewichtet als ihren Preis, kann es die Vorlage nach wie vor annehmen; wenn nicht, dann wird sie abgelehnt. Das Parlament verfügt also über mehr qualifizierte Informationen – und damit über mehr Kompetenzen.
Fabio Regazzi: Wenn Unternehmer sich immer stärker mit administrativem Kram auseinandersetzen oder diesen gegen Bezahlung an SpeÂzialisten auslagern mĂĽssen, dann kostet sie dies unnötig Substanz. ÂDadurch werden Kapazitäten und finanzielle Mittel vom Kerngeschäft abgezogen. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer KMU nicht weiter zu schmälern, mĂĽssen wir von solchen Leerläufen dringend wegkommen. Schaffen wir das – und das mĂĽssen wir –, so werden die Âbetroffenen Unternehmen auf einen Schlag fitter. Deshalb spreche ich hier von einer Fitnesskur.
Hans-Ulrich Bigler: In den vergangenen Jahren wurde viel über Regulierung gesprochen. In den Sonntagsreden wurde – ganz besonders vor Wahltagen – die Wichtigkeit der KMU betont, ihre Bedeutung für das Erfolgsmodell Schweiz, für Arbeitsplätze und Wohlstand. Jetzt geht es darum, diesen Worten endlich Taten folgen zu lassen. Die Grundlage dazu ist mit den beiden Vorlagen, die heute in der Vernehmlassung sind, gelegt.
Fabio Regazzi: Ab sofort muss es darum gehen, die Entlastung der Wirtschaft – und hier insbesondere der KMU, die bekanntlich 99,8 Prozent der Schweizer Unternehmen ausmachen, 70 Prozent der Arbeitsplätze stellen und für 60 Prozent der Wertschöpfung stehen – ganz konkret umzusetzen. Die nötigen Mittel dazu haben wir heute in der Hand. Bundesrat und Parlament müssen sie nun einsetzen. Nach der grössten Krise der vergangenen 50 Jahre sind sie dies der Schweiz und ihren Unternehmen – insbesondere den KMU – schuldig.
Interview: Gerhard Enggist
«Wir wollen», schrieb Bundesrat Guy Parmelin in seinem Vorwort zum 2019 erschienenen Buch «Der Wert der KMU», «gemeinsam mit den interessierten Unternehmen und insbesondere auch dem Schweizerischen Gewerbeverband sgv weiterhin daran arbeiten, dass unsere KMU ihre Chancen nutzen können und Kosten und Zeitaufwand für Bürokratie sinken: mehr Zeit für das Kerngeschäft – weniger Aufwände für Regulierungen.»
2021 ist Parmelin nicht nur Wirtschaftsminister, sondern auch Bundespräsident. Und sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler und sein Stellvertreter Henrique Schneider – die Autoren des Werks vom «Wert der KMU» – setzen sich nach wie vor dafür ein, dass KMU aus eigener Kraft wachsen können: dank einer Senkung unnötiger Regulierungskosten. Dass diese nun endlich ein Preisschild erhalten und dadurch sinken sollen, ist dem hartnäckigen Einsatz des sgv und seiner Unterstützer in Wirtschaft und Politik zu verdanken.En
«Der Wert der KMU». 124 Seiten.
Schweizerischer Gewerbeverband sgv
(Hrsg.). ISBN 978-3-033-07442-2.
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