Publiziert am: 04.03.2016

Warten auf Erholung der Industrie

KMU-Barometer – Die Aussichten bei den Industrieunternehmen sind weiterhin trübe. Tendenziell bekunden die binnen­orientierten Dienstleister weniger Mühe, können sich aber der Verlangsamung der Schweizer Wirtschaft nicht ganz entziehen.

Die Erholung bei den Unternehmen in der Industrie lässt auf sich warten. Die kleinen und die mittleren Unternehmen (KMU) verzeichneten im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld mehr Mühe als die Grossunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten. Seit der Aufgabe der Kursuntergrenze schwankte das Barometer der KMU um den Wert von –1 Punkten und lag im Januar mit –1,02 leicht darunter. Nach einem kurzen Ende des letzten Jahres verschlechterte sich das Barometer der KMU seit Oktober von –0,69 auf –1,02 Punkte. Bei den Grossunternehmen verbesserte sich das Barometer seit Oktober leicht um 0,22 und lag im Januar mit –0,58 Punkten leicht über dem Durchschnitt seit Aufgabe der Kursuntergrenze von –0,71 Punkten. Die Indexwerte in beiden Unternehmensgrössen lagen zwar im Januar unterhalb des langjährigen Mittelwerts von 0 Indexpunkten, waren aber immer noch stärker als nach der Finanzkrise im Jahr 2009.

Produktionsniveau ging 
in der Industrie weiter zurück

Trotz tieferer Indexwerte beim Barometer schnitten aber die KMU nicht bei allen Subindikatoren schlechter ab als die Grossunternehmen. Sowohl bei den KMU wie auch bei den Grossunternehmen ging das Produktionsniveau im Januar zurück. Während sich aber bei den ersteren der Abwärtstrend verlangsamte, ging er bei den Grossunternehmen ungebrochen weiter. Auch der ausländische Auftragsbestand verschlechterte sich bei beiden Unternehmensgruppen, hier schnitten aber die Grossunternehmen besser ab als die KMU. Die Problematik der sinkenden Preise setzte sich weiter fort. Beide Unternehmensgrössen haben mit sinkenden Preisen zu kämpfen, was sich auch im laufenden Jahr nicht ändern dürfte. Im laufenden Jahr wird mit einer Inflation von –0,4 Prozent gerechnet.

Im Baugewerbe erwarten die Unternehmen auch im laufenden Quartal eine weitere Abkühlung der Wirtschaft. Der Auftragsbestand dürfte im ersten Quartal weiter zurückgehen und auch die Erträge entwickelten sich nach wie vor negativ. Trotz dieser negativen Tendenz beurteilten die meisten Bauunternehmen die Geschäftslage weiterhin als gut. Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei den Baufirmen die wirtschaftliche Lage im ersten Quartal nie mehr so schlecht beurteilt wurde seit der Rezession im 2009. Bei den Architektur- und Ingenieurbüros hat sich die Dynamik des Geschäftsganges in den letzten Monaten ebenfalls etwas abgekühlt. Die Grossunternehmen sind von dieser Verlangsamung stärker betroffen als die KMU. Diese Einschätzung zeigte sich auch beim erwarteten Niveau der erbrachten Leistungen im ersten Quartal, wo die Grossunternehmen pessimistischer waren als die KMU.

Sinkende Erträge 
bei den Dienstleistern

Auch die Dienstleistungsunternehmen gehen von sinkenden Erträgen in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres aus. Diese etwas trübere Einschätzung widerspiegelt sich auch in der Beurteilung der Geschäftslage und bei der Entwicklung der Preise. Zwar sehen im Januar sowohl die Grossunternehmen wie auch die KMU die Geschäftslage immer noch als gut an, doch hat die Dynamik auch bei den Dienstleistungsunternehmen spürbar nachgelassen. Die Unternehmen rechnen im zweiten Quartal weiterhin mit sinkenden Preisen, was sich auch in Zukunft nachteilig auf die Ertragslage auswirken dürfte.

Die grossen Unternehmen im Tourismus beurteilten das erste Mal seit der Aufgabe der Kursuntergrenze ihre Geschäftslage wieder als gut. Allerdings stimmten die meisten Subindikatoren bei den Grossunternehmen weiterhin eher pessimistisch. Sowohl die Erträge wie auch den Umsatz sehen die Grossunternehmen in den ersten drei Monaten rückläufig. Dabei unterschieden sie sich nicht von den KMU, die bei beiden erwähnten Indikatoren ebenfalls mit einem Rückgang rechnen. Allerdings erwarten die KMU beim Umsatz in den ersten drei Monaten mit einer Verlangsamung der Abwärtstendenz, während sich die Situation bei den Grossunternehmen weiter verschlechtern dürfte.

Kommentar

Im Morast der Unsicherheit

Nichts ist schlimmer als Unsicherheit – aber das ganze Leben ist unsicher. So geht im Lande die Weisheit. Und so sieht es auch mit der globalen Wirtschaft aus. Auch wenn das Jahr 2015 vor allem für die Schweiz schwer war, waren die allgemeinen Zeichen positiv. Die Si­tuation kehrte sich aber im 2016: langsameres Wachstum der USA, Statik in China, abfallende Entwicklungsländer und eine EU, die nicht in Fahrt kommt. Alles das zusammen führt zu erheblicher Unsicherheit. Und diese zeigt sich im Barometer.

Im Jahr 2016 soll die Schweizer Wirtschaft trotz allem um 1 Prozent wachsen. Grundsätzlich ist diese Nachricht nicht schlecht. Sie ist aber auch nicht gut. Sie ist vor allem dann nicht gut, wenn man betriebswirtschaftlich die Einzelheiten genauer betrachtet.

Viele Unternehmen erleben zwar eine stabile Geschäftslage – aber sie kompensieren die Preisanpassung, indem sie bei ihrer Marge Abstriche in Kauf nehmen. Mit anderen Worten: Um laufende Kosten zu decken und Arbeitsplätze zu halten, verzichten Firmen auf Neuinvestitionen. Sie leben von der Substanz. Das kann man problemlos eine Zeitlang durchhalten. Aber wenn man lange nicht reinvestiert und produktiver wird, verliert man rasch an Wettbewerbsfähigkeit. Und damit sind Firmenstrukturen und Arbeitsplätze gefährdet.

Doch was kann man tun? Unternehmen müssen wieder die Perspektive haben, Gewinne zu erwirtschaften. Mit Gewinnen werden Investitionen getätigt und die Produktivität steigt. Unternehmen können aber nur Gewinne erzielen, wenn ihre Belastung endlich abnimmt. Deshalb müssen Regulierungskosten abgebaut und der Bürokratie Einhalt geboten werden. Interessanter Fakt: Die Länder, die in der jetzigen Situation am ­besten bestehen, sind die mit den ­geringsten Regulierungskosten.

Henrique Schneider,

Ressortleiter sgv

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