Publiziert am: 15.06.2018

Warum haben wir 300 000 unbekannte Helden?

Die Tribüne-Autoren geben ihre eigene Meinung wieder; diese muss sich nicht mit jener des sgv decken.

Es gibt Unternehmer, einige davon sehen wir gerade untergehen, die Burkhards, die Sika verloren haben, die Schmidheinys, die Holcim aufgegeben haben, dann gibt es Spitzenmanager, die heute aber meist nach wenigen Jahren schon wieder gehen müssen, weil sie so spitze nicht sind, dann gibt es in der Schweiz über 300 000 Gewerbe- und KMU-Betriebe. Deren Eigentümer sind für mich die wahren Helden der Schweizer Wirtschaft.

Alles weist darauf hin, dass unsere Parteien, von links bis rechts, ihnen das Leben schwer machen. Die bürgerlichen Parteien fördern zuerst einmal die grossen Konzerne und Banken, siehe Unternehmenssteuerreform III. Die linken und grünen Parteien erheben ständig unsägliche Forderungen nach mehr sozialen Leistungen und offensivem Umweltschutz.

Ich, mein Leben lang Gewerbler, der seinen Intellekt der A-Schweiz der Konzerne und Banken zur Verfügung stellte, aber auch mit Leidenschaft den kleinen und mittleren Firmen der B-Schweiz diente, die oft nur regionale Interessen habe, schreibe diese Zeilen an einem Samstagmorgen, während draussen die Manager um den Zürichsee Velo fahren oder joggen, viele andere haben die Golfplätze schon seit Stunden besetzt.

Ein heute wohlhabender italienischer Wirt erzählte mir: «Ich bin mit 14 Jahren aus Sizilien in die Schweiz gekommen, mit Löchern in den Schuhen. Ich habe mir diesen Betrieb aufgebaut, ein italienisches Restaurant. Meine 
Familie und ich haben hier bis zu 16 Stunden täglich geschuftet. Es gab Zeiten, da habe ich gedacht, ich schaffe es nicht, aber wir haben es geschafft, weil wir den Willen dazu hatten.»

Mein Freund, der Zürcher Kunstmaler Urs Artho, musste nach vierzig Jahren sein Atelier aufgeben, weil die Eigentümer die Immobilie spekulativ verkauften. Um seine 
Familie zu ernähren, wollte er zwei Jahre Taxifahrer 
werden. Das macht er heute noch, denn die Rückkehr zum künstlerischen Kleinbetrieb war unmöglich. Urs nimmt es philosophisch, denn die Welt, seine Welt, hat sich verändert.

In der A-Schweiz geht es anders zu:

• Roche-Präsident Dr. Christoph Franz, ein Promotor der umweltverschmutzenden Luftfahrt, beklagt sich öffentlich, weil viele Schweizer kein EU-Rahmenabkommen wollen. Das koste Roche Hunderte von Millionen Franken. Die richtige Antwort gab ihm Dr. Tito Tettamanti: «Sind einige hundert Millionen Franken für die Werte, die all die Erfolge und den Wohlstand der heutigen Schweiz ermöglicht haben, wirklich ein zu hoher Preis?»

• Roche zahlt seinen Eigentümern gewaltige Dividenden von Hunderten von Millionen Franken jährlich. Manchmal spenden sie in Basel ein Museum, aber in Arles in Südfrankreich bauen sie eine ganze Kunstmetropole. Geld spielt dann keine Rolle, ganz wie bei Klaus-Michael Kühne, für den weltweit bis zu 70 000 Billigarbeiter tätig sind. Er lässt sich einen Fussballclub 80 Millionen Euro kosten und baut Luxushotels in Serie, das jüngste in Hamburg, «meine private Elbphilharmonie», das einiges über eine halbe Milliarde Euro gekostet hat.

«Neid auf die Superreichen ist ein schlechter Ratgeber, denn der heutige Luxuskonsum wird der Massenkonsum von morgen sein», sagt Martin Rhonheimer, katholischer Priester und Ethikprofessor an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom. Eine Stadt übrigens, die im Dreck untergeht, weil die öffentlichen Dienste nicht mehr funktionieren.

So harmlos ist der Kapitalismus nicht. Rhonheimer sagt auch: «Der Kapitalismus hat in seinem Bestreben der Verbreiterung der Rohstoff- und Absatzmärkte den Ersten Weltkrieg mitverursacht.» Er sagt nicht, dass es die höchsten englischen Offiziere waren, die schon 1895 diesen Krieg planten, damit die Deutschen nicht zu stark werden.

Noch sind wir Schweizer wohlhabender als die abgestürzten Griechen, noch sind wir wohlhabender als die Italiener, wo gerade der Mittelstand ausgehungert wird, und noch sind wir wohlhabender als die Engländer, die ausserhalb Londons oft erbärmlich leben.

Ich denke, viel davon verdanken wir den anonymen 
Gewerblern und KMU-Chefs. Viele von ihnen arbeiten deshalb rund um die Uhr.

*Klaus J. Stöhlker ist Unternehmensberater für Öffentlichkeitsbildung in Zollikon (ZH)

«Noch ist die schweiz
wohlhabend – viel davon
verdanken wir den KMU.»
 Klaus Stöhlker*

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