Publiziert am: 22.11.2019

Weder objektiv noch nachhaltig

FINANZANLAGEN – Hinter klingenden Bezeichnungen für scheinbar «bessere» Finanzanlagen steckt vor allem eines: Viel teure Regulierung – und der Versuch, modern zu sein und die eigene Reputation zu steigern.

Es sind trendige Namen: Nachhaltigkeit oder «Environment, Social, Governance», kurz: ESG. Hinter diesen wohlklingenden Begriffen verbergen sich Moral- und Regulierungskonzepte. Solche sind derzeit gross en vogue. Doch dass sie heute Mode sind, macht sie vor allem eines: teuer.

Keine verbindliche Vorstellung

In der Finanzwelt legen institutionelle Anleger immer mehr Wert auf sogenannte Nachhaltigkeit und ESG. Sie auferlegen sich Anlagerichtlinien mit ihren jeweiligen Wertvorstel­lungen zu diesen Themen. Auf den ersten Blick scheint das nichts Neues zu sein. Schon heute haben verschiedene Anleger Richtlinien zu recht komplizierten Themen, wie etwa Sicherheit und Rentabilität. Warum nicht das Spektrum weiter öffnen?

Ein Problem von «ESG» und «Nachhaltigkeit» ist, dass es darüber keine genauen und allgemein verbindlichen Vorstellungen gibt. Anders als Liquidität, Sicherheit und Rentabilität, die mit objektivierbaren Kriterien gemessen werden können, sind ESG und Nachhaltigkeit bestenfalls scheinobjektiv.

Wie soll man z. B. die Auswirkung einer Aktie auf den Bildungsgrad einer Bevölkerung messen? Wie kann man den Zusammenhang von Währung und Biodiversität in Zahlen ausdrücken? Man kann es nicht. Jedenfalls nicht, ohne grössere Kapriolen zu veranstalten.

Begriffe voller WidersprĂĽche

Das andere Problem von ESG und Nachhaltigkeit ist, dass diese Begriffe selbst voller Widersprüche sind. So kann etwa die Elektrifizierung einer Gesellschaft zum sozialen Aspekt der Nachhaltigkeit oder eben zum «S» (Social) gehören. Damit wäre eine Investition in Elektrifi­zierung wünschenswert.

Was aber, wenn diese Investition den Bau eines Staudammes beinhaltet? Ein solcher kann zum Verlust von Biodiversität führen, was für viele gegen die Ökologie in der Nachhaltigkeit oder gegen das «E» (Environment) verstösst. Was ist nun vorzuziehen, «S» oder «E»? Dafür liefern diese Konzepte keine Antwort.

Versteckte Form von Regulierung

Gerade weil sie darauf keine Antwort liefern, werden Nachhaltigkeit und ESG meist auf Ausschlusskriterien für Aktien reduziert. Auf Anteilscheine an Tabak- und Ölunternehmen wird demnach verzichtet. Das kann man tun. Doch es hat wirklich nur wenig mit dem trendigen Versprechen der Nachhaltigkeit zu tun. Was vielen nicht bewusst ist: Diese Vorgehensweisen sind vor allem eines: eine versteckte Form von Regulierung. Denn eigentlich sollten die Finanzmärkte doch die Realwirtschaft unterstützen… Mit obengenannten Konzepten aber agieren sie neu als Lenker. Und beanspruchen dabei eine moralische Überlegenheit, die ihnen gar nicht zusteht.

«Cover my ass»

In Wirklichkeit ist der beschriebene Hype nicht von Gesinnung getrieben. Sondern es handelt sich meist um – pardon l’expression – «Cover my ass»-Ansätze. Man hofft, dass wenn man das tut, was gerade Mode ist, man seine Reputation – im Klartext: seinen Lebensstil – bewahren kann. Exponieren will sich niemand.

Gefährlich und teuer ist dieser Hype, weil er die Anlageentscheidungen nicht besser macht. Damit werden Anlagen weder sicherer noch liquider, noch rentabler. Sie werden bloss teurer. Aber das spielt bei den meisten scheinbar keine Rolle. Die Kosten werden den Kunden ja weiterverrechnet.

Henrique Schneider, stv. Direktor sgv

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