Publiziert am: 17.09.2021

Wegweisend durchstarten

WIEDEREINGLIEDERUNG – Unfall oder Krankheit müssen nicht in der beruflichen Katastrophe enden – schon gar nicht in der Holzbranche. Hier besteht in Form der Stiftung WQ Solothurn ein effizienter Rettungsring. Sie unterstützt die Holzfachleute ­mittels Umschulung, sich im Berufsleben wieder einzugliedern. Langjähriger Partner ist die Girsberger AG im Bützberg BE.

Viele Berufe der Holzbranche sind körperlich anstrengend. Gesundheitliche Probleme können einem Schreiner oder Zimmermann einen dicken Strich durch die beruflichen Zukunftspläne machen. Dann sind neue Perspektiven gefragt. Hier kommt die Stiftung WQ Solothurn ins Spiel. Sie unterstützt die Holzfachleute mit einer Umschulung, um anderweitig wieder Fuss in der Branche zu fassen. Rund 20 Berufsleute absolvieren in der Stiftung jedes Jahr ihre Umschulung zur Wiedereingliederung. Dabei lautet das Motto: «Aus der Holzbranche für die Holzbranche». Die Umschulung ist branchennah, mit dem Ziel, die «Hölzigen» mit ihren wertvollen Erfahrungen in der Branche zu halten. «Das bedeutet, die Leute nehmen ihr Vorwissen mit und starten nicht bei Null, wie bei einer Neuausbildung. Sie können vielmehr auf ihren Stärken und ihrem Erfahrungsaustausch aufbauen – das gibt ihnen Sicherheit und Zuversicht. Wir holen die Fachleute an ihrem Punkt ab, bringen sie weiter und integrieren sie in einem neuen Job», erklärt Marc Roth, Leiter Wiederqualifizierung der WQSo sowie Co-Geschäftsleiter. Er selbst ist Schreiner mit Weiterbildung und kennt die Holzbranche aus unterschiedlichen Tätigkeiten. Heute zeichnet er verantwortlich für die Ausbildungsinhalte des Umschulungskonzeptes, das schweizweit einzigartig ist. Keine andere Branche bietet ihren Berufsleuten eine derartige Perspektive.

«Wir holen die Fachleute an ihrem Punkt ab, bringen sie weiter.»

Der Erstkontakt erfolgt meist via Invalidenversicherung IV, die auch die Kosten für die Wiederqualifizierung trägt. Eine Umschulung dauert in der Regel 1,5 Jahre, an welche anschliessend ein rund viermonatiges Praktikum in einem Betrieb folgt. Dieses führt meistens zu einer direkten Festanstellung im selben Betrieb.

Stärken optimal fördern

Der Prozess der Umschulung startet mit einem Infogespräch – ein gegenseitiges Kennenlernen. «Dort werden konkrete Vorstellungen und mögliche Wege diskutiert und Interessen aufgegriffen», so Roth. Danach geht es in ein zweitägiges Assessment. «Hier wird konkret eruiert wo sich der Teilnehmende in Bezug auf Fachwissen, allgemeine Potenziale und ICT befindet», sagt Roth. Zusammen mit der IV wird dann besprochen, welche Lösungen möglich und zielführend sind. «Die Leute auf die neue Arbeitssituation vorzubereiten bedeutet für uns nicht, einfach Wissen zu vermitteln, sondern dass sich die Teilnehmenden mit der Situation auseinandersetzen, sie als Chance sehen und ein Umdenken stattfindet», betont Roth. Das schönste Kompliment, das er und sein Team je erhalten hätten, sei die Aussage: «Mein schlimmster Schicksalsschlag im Leben war rückblickend mein grösstes Glück.» Das Konzept der WQSo sieht vor, beim schulischen Teil der Wiedereingliederung, nicht einfach Theorie und Wissen zu vermitteln, sondern den Stoff möglichst praxisorientiert und erlebbar zu ­gestalten. So rekrutieren sich die Dozenten zu einem grossen Teil aus Praktikern aus dem Schreinerei- und Zimmereialltag. «Es besteht nicht der Anspruch, dass jeder in jedem Modul auf ein gleiches Level kommen muss – ganz im Gegenteil: Jede Person soll optimal in ihren Stärken gefördert werden.»

Talente in der Industrie behalten

Eine wichtige Brückenfunktion nehmen die Praktikumsbetriebe ein – so auch die Girsberger AG im bernischen Bützberg. Roland Ammann, Leiter Produktion und Logistik sowie Mitglied der Geschäftsleitung, sieht die Partnerschaft mit der WQSo als ideale Möglichkeit, kompetentes Personal zu rekrutieren. Im Nebeneffekt kann das KMU aber auch ­seine soziale Verantwortung wahrnehmen, die in der Firmenphi­losophie fest verankert ist. «Es ist wichtig, dass in unserer Branche möglichst viele Leute im Erwerbsleben bleiben und wir Fachkräfte in der Industrie ausbilden und behalten können.» Der renommierte Möbelhersteller hat bereits zwei Wiedereinsteigern eine neue berufliche Chance geboten – ein Dritter ist im Gespräch. «Wir haben bis jetzt gute Leute erhalten, die mit der Festanstellung bei uns wieder eigenständig im Leben stehen. Also eine Win-win-Situation für alle Beteiligten», freut sich Ammann.

Einer der Girsberger-Wiedereinsteiger ist Gian Sachs. Der gelernte Schreiner musste wegen Rückenproblemen unverhofft beruflich umdisponieren. Vor einem Jahr hat der 26-Jährige aus Alterswil sein Praktikum bei der Girsberger AG angefangen. Er hat sich schnell eingelebt und im neuen Aufgabenbereich gut zurechtgefunden. «Hier herrscht ein anderes Tempo als in der Schreinerei. Die neue Arbeit entspricht mir sehr und macht mir Freude», so der junge Fachmann. «Ich kann auf der Branche bleiben und hier spannende Projekte realisieren.» Der engagierte Berufsmann ist so motiviert und erfüllt von seiner neuen Arbeit, dass er in ein paar Jahren eine berufsbegleitende Weiterbildung absolvieren möchte. Auch in diesem Fall bestätigt sich die Erfolgsquote von rund 90 Prozent der WQSo.

Corinne Remund

Stiftung WQ Solothurn

Wo Chancen Schule machen

1993 gründete der Solothurner Schreinermeister-Verband die «Stiftung Schreinerschule Solothurn» mit dem Ziel, verunfallte und berufskranke Schreiner umzuschulen. Mit der Öffnung für weitere Berufsleute aus der Holz- und angrenzenden Baubranche wurde die Stiftung 2016 in «Stiftung WQ Solothurn» umbenannt. Das Konzept der branchennahen Wiedereingliederung ist nachhaltig und ein grosser Erfolg für Wiedereinzugliedernde, IV, Betriebe und die Branche. So ist die Stiftung ein Kompetenzzentrum für sämtliche Fachleute aus der Holzbranche für die IV. CR

www.stiftung-wq.ch

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