Publiziert am: 04.09.2020

Weit weg von der Realität

NEIN ZUM VATERSCHAFTSURLAUB – «Gerade viele KMU und Gewerbebetriebe können den Vaterschaftsurlaub weder finanziell noch organisatorisch stemmen», sagt die Thurgauer SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr. Und nennt viele Gründe für ein überzeugtes NEIN.

Weniger Staat, weniger Bürokratie und weniger Abgaben, dafür endlich wieder mehr Eigenverantwortung: Diese Forderung ist allenthalben hörbar. Und was geschieht tatsächlich? Genau das Gegenteil: Jahr für Jahr wird uns allen immer mehr von unserem Lohn für Abgaben und Sozialversicherungen abgezogen. Und jetzt sollen wir noch mehr von unserem Lohn abgeben, damit einige wenige bezahlte Ferien erhalten, wenn sie Vater werden?! Dazu darf es nicht kommen.

«es gibt kaum eine Bevölkerungsgruppe, die so viel vom Staat erhält wie die Familien.»

Die Vorlage, über die wir am 27. September abstimmen, verlangt, dass Väter in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes einen zweiwöchigen, staatlich bezahlten Urlaub erhalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Vater im gleichen Haushalt wie die Kindsmutter und das Kind lebt, noch ob das Kind überhaupt in der Schweiz wohnt. Mindestens fünf Gründe sprechen für ein klares NEIN.

Keine zusätzlichen Kosten

Der staatliche Vaterschaftsurlaub kostet Arbeitgeber und Arbeitnehmer, inklusive Folgekosten in den Betrieben, rund eine Milliarde Franken – und dies Jahr für Jahr!

Dabei ist klar: Viele KMU und Gewerbebetriebe können den Vaterschaftsurlaub weder finanziell noch organisatorisch stemmen. Die Margen sind heute schon in vielen Branchen tief, und insbesondere in Kleinbetrieben fällt die Absenz jedes einzelnen Mitarbeiters stark ins Gewicht. Aussagen wie: «Das ‹Bitzli› kann ein KMU schon noch verkraften» deuten darauf hin, dass man deren Aufwände und finanzielle Möglichkeiten verkennt und weit weg von der Realität argumentiert.

Kein Eingriff in den liberalen Arbeitsmarkt

Viele Unternehmen haben individuelle Anreizsysteme entwickelt, um an ihre Fachkräfte zu gelangen, oder sie haben über die Sozialpartnerschaften Lösungen ausgehandelt. Mit einem gesetzlich verordneten Vaterschaftsurlaub wird dieser Wettbewerbsfaktor ausgehebelt, und KMU werden abermals unter Druck gesetzt. Es ist offensichtlich: Vor allem ausländisch geführte Grosskonzerne, die heute schon mit mehrwöchigen Vaterschaftsurlauben werben, wollen ihre Grosszügigkeit nun durch die Allgemeinheit mitfinanzieren lassen.

Für Arbeits- und Lohnbedingungen sind Arbeitgeber und Sozialpartner zuständig. Der Staat hat hier nichts verloren. Ein weiterer Eingriff in unseren liberalen Arbeitsmarkt wäre darum falsch.

Sanierung der maroden Sozialwerke hat Vorrang

Unsere Gesellschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen, denn die bestehenden Sozialversicherungen sind langfristig nicht finanziert. Nicht nur die AHV ist nicht gesichert, auch die IV hat zehn Milliarden Franken Schulden. Und nun hat die Corona-Krise dazu geführt, dass den Sozialversicherungen AHV, IV und EO vier bis fünf Milliarden Franken Einnahmen entgehen. Zusätzlich hat die Corona-Krise beim Bund Milliarden von Schulden verursacht.

Für die Sanierung der AHV gibt es jetzt Pläne für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozent. Doch dies ist nur der Anfang! Mit der Sanierung und dem Schuldenabbau bei den Sozialversicherungen kommen weitere grosse Belastungen auf uns alle zu. Es wäre unseriös und unverantwortlich, jetzt eine neue Sozialversicherung zu schaffen.

Kein Fall für Sozialversicherung

Unsere Sozialversicherungen wurden eingeführt, um Menschen vor Armut und finanziellen Notlagen zu schützen: Die AHV gegen die Altersarmut, die IV gegen Armut infolge Arbeitsunfähigkeit, die Arbeitslosenversicherung gegen Armut infolge Jobverlust.

«Die Geburt eines Kindes löst keine existenzielle Notlage aus. deshalb ist sie kein fall für eine Sozialversicherung.»

Die Geburt eines Kindes löst doch keine existenzielle Notlage aus – im Gegenteil. Es ist die grösste Freude, die Eltern erleben können! Da ist es den Vätern zuzumuten, dass sie zwei Wochen ihrer Ferien beziehen, um bei ihrer Familie zu sein.

Ich bin überzeugt: Wenn wir jetzt anfangen, die gesunden, fitten, jungen Männer zu finanzieren, dann wird uns dieses Geld dort fehlen, wo es um die Schwachen in der Gesellschaft geht. Ist dies der Sozialstaat, den wir wollen?

Kein Staatsfamilienmodell

Der staatliche Vaterschaftsurlaub wirft die Frage auf, wer für das Familienleben verantwortlich ist. Ich bin der Meinung, dass der Entscheid für eine Familie ein privater Entscheid ist.

Die Befürworter des Vaterschaftsurlaubes wollen uns weismachen, dass sich die Schweiz bezüglich Familienpolitik am Ende der Rangliste bewege. In Tat und Wahrheit gibt es in der Schweiz keine andere Bevölkerungsgruppe als die Familien, die mehr Zuwendung vom Staat erhält – vom Mutterschaftsurlaub über die Kinderzulagen bis zu den verbilligten Krankenkassenprämien, um nur einige wenige zu nennen.

Arbeitsplätze sichern

Die Schweiz befindet sich infolge der Corona-Pandemie in einer schweren Wirtschaftskrise. Täglich verlieren Menschen ihre Arbeit. Wir müssen alles tun, um Arbeitsplätze zu sichern! Wir müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entlasten. Eine neue Belastung durch einen staatlichen Vaterschaftsurlaub wäre vor diesem Hintergrund völlig verkehrt.

Aus all diesen Gründen empfehle ich ein überzeugtes NEIN zum staatlich verordneten Vaterschaftsurlaub.

Diana Gutjahr, Nationalrätin SVP/TG

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