Publiziert am: 22.04.2016

Wem nützt das Ganze eigentlich?

FINANZDIENSTLEISTUNGEN – Viel Verwirrung rund um das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und das Finanzinfrastrukturgesetz (FINIG).

Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und Finanzinfrastrukturgesetz (FINIG) waren die Lieblingsstücke der ehemaligen Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Jetzt singt die Bankiervereinigung Lobeshymnen auf die Regulierung (vgl. Haupttext auf dieser Seite). Was aber so bejubelt wird, erweist sich selbst als Kakophonie.

«FIDLEG UND FINIG BENACHTEILIGEN DIE KUNDEN.»

Viele Vorschriften von FIDLEG und FINIG sind unnötig. Einige sind widersprüchlich. Selbst die Zielsetzung der Regulierung ist unklar. Einerseits will sie den Kundenschutz erhöhen. Andererseits will sie eine Äquivalenz zur EU herstellen. Dann soll sie auch noch Industriepolitik für Banken sein. Das passt alles nicht zusammen. Was sind die wichtigsten Probleme?

Kundenschutz ade

Im heutigen Rahmen sind die Kundinnen und Kunden von Finanzdienstleistungen bereits gut geschützt. Sie haben schon heute Anspruch auf Herausgabe von Informationen und auf neutrale Beratung. Die berühmten Retrozessionen (Verkaufsprovisionen) müssen heute schon offengelegt werden.

Stattdessen benachteiligen FIDLEG und FINIG die Kunden. Nach Angaben einiger Banken würden Anleger mit weniger als 200 000 Franken Vermögen nicht mehr beraten oder nur noch mit wenigen Standardprodukten abgespeist. Notabene müssten die Kunden die volle Haftung übernehmen und für die Beratung bezahlen. Die Anleger müssten neu etwa 300 Millionen Franken Regulierungskosten schultern.

Was ist Querschnittssregulierung?

Das mag erstaunen: FIDLEG und FINIG wollen Querschnittsgesetze sein, d.h. für alle Finanzdienstleister gelten, aber sie sind inkomplett. Warum? Ganz einfach: Banken und Versicherungen sind beinahe nicht betroffen. D.h. die gesamte regulatorische Bürde betrifft die Finanz-KMU. Das Kalkül vieler Banken ist logisch. Wenn diese Finanz-KMU wegen der bürokratischen Belastung vom Markt verschwinden, übernehmen die Banken die freigewordenen Marktanteile.

Die EU wird weiterhin siloartig – d.h. jede Branche separat – regulieren. Die USA und die asiatischen Finanzplätze regulieren sogar institutstypenbezogen. Die Schweiz ging bisher einen Mittelweg zwischen den beiden Modellen. Das ist auch sinnvoll, denn Versicherer, Banken, Fondsproduzenten, Fondsvertreiber sowie Finanzberater bieten unterschiedliche Dienstleistungen an. Nicht alle Finanzdienstleistungen können gleich reguliert werden. Im Übrigen: Querschnittsgesetze, welche Finanzdienstleistungen gesamthaft regulieren, hemmen die Innovationsfähigkeit des Finanzplatzes.

Selbstregulierung: 
gut oder schlecht?

Einige Bankenvertreter verdammen die Selbstregulierung der Vermögensverwalter. Wenn es aber darum geht, die Ausbildung der bankeigenen Produkteverkäufer zu regeln, wird Selbstregulierung verfochten: Jedes Institut soll die Mitarbeitenden selbst ausbilden und bestimmen können, was geschult werden soll. Das ist zwar gut – aber weshalb sollte das gleiche nicht für andere Finanzdienstleister gelten?

Überhaupt wird immer wieder behauptet, die Selbstregulierung genüge den internationalen Standards nicht. Das ist schlicht gelogen. Die IOSCO- und OECD-Standards verlangen keine staatliche Regulierung unabhängiger Vermögensverwalter und Finanzberater. Ein wie auch immer gearteter Druck seitens des Auslands besteht nicht. Im Gegenteil: Die Kompetenz der Selbstregulierungsorganisationen ist ein gutes Argument gegen die internationale Kritik an der staatlichen Beaufsichtigung durch die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma.

Äquivalenz zur EU?

Der andere grosse Mythos rund um FIDLEG und FINIG ist die behauptete Äquivalenz mit der EU. Aber auch hier bleibt unklar, was Äquivalenz überhaupt ist. Im Moment ist es nur regulatorische Vorleistung, denn die EU ist selbst noch dabei, verschiedene Regeln anzupassen. Ob vorauseilender Gehorsam hier wirklich eine Hilfe ist, kann man anzweifeln.

Damit sind die vier wichtigsten Probleme von FIDLEG und FINIG angesprochen. Und sie sind wesentliche Probleme. Wer FIDLEG und FINIG unkritisch bejubelt, ist mindestens naiv.

Henrique Schneider,

Ressortleiter sgv

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