Publiziert am: 10.07.2015

Weniger Gesetze, mehr Lehrstellen

MESSERSCHMIEDE – Der Verband Schweizerischer Messerschmiede-Meister ist mit dem markteinschränkenden Waffengesetz sowie zu wenig Lehrstellen stark gefordert. Der heutige Messerboom deutet aber auf ein grosses Potenzial dieser Branche hin.

Küchen- und Freizeitmesser, Scheren, Dolche, Schwerter, Beile und Co. sind heute wieder voll im Trend. Das Messer ist in den letzten Jahren für den Mann zu einem unentbehrlichen Lifestyle-Produkt geworden – sei es in der Küche, bei Outdoor-Aktivitäten, als edles Accessoire, exquisites Sammelstück oder als Fanartikel. «Rambo-Messer, allerlei Filmmesser wie die Messer aus «Expendable» oder «Lord-of-the-Rings-Schwerter» boomen zurzeit», bestätigt Hans Peter Klötzli, Präsident des Verbandes Schweizerischer Messerschmiede-Meister (VSM). Die Branche hat in den letzten 10 bis 20 Jahren einen grossen Strukturwandel erfahren. Der Druck der Grossverteiler wie Migros und Coop hat dazu geführt, dass die Anzahl der Messerschmiede-Geschäfte massiv zurückgegangen ist. «Wer überleben will, muss sich zu einem hochspezialisierten Nischenplayer mit besonderen Dienstleistungen und absoluter Fachkompetenz wandeln. So hat sich im Hochpreissegment ein neuer Markt mit viel Zukunftspotenzial entwickelt», betont Klötzli. Er ist schon seit über 35 Jahren im VSM-Vorstand, zwölf davon als Präsident. Der gelernte Messerschmied führt sein Geschäft in der fünften Generation und hat den Wandel in der Branche hautnah miterlebt. Seinen Zwei-Mann-Betrieb hat er zu einem 17-köpfigen Unternehmen mit Werkstatt und Grosshandel ausgebaut.

Marktwirtschaftliche 
Einschränkungen

Das Waffengesetz ist in der Branche eine grosse Herausforderung, mit der sie sich dauernd auseinandersetzen muss. «In der Schweiz ist das Waffengesetz besonders streng. So streng, dass es uns im Vergleich zu anderen Ländern marktwirtschaftlich benachteiligt», hält Klötzli fest. «Fünf Jahre lang war bei uns beispielsweise das Einhandmesser verboten. Momentan ist in der Schweiz als einzigem Land das federunterstützte Klappmesser nicht erlaubt. Das kostet uns viel Geld sowie rund 50 Prozent der Marktanteile, denn die Nachfrage wäre da und das Internet kennt keine Grenzen», konkretisiert der versierte Fachmann und langjährige Kenner der Branche. Die immer wieder neuen Gesetzesverordnungen und Regulierungen machen den Messerschmieden das Leben ziemlich schwer. «Der heutige Messertrend verträgt sich nicht mit den Verordnungen zum Waffengesetz», bringt es Klötzli auf den Punkt. Es gäbe immer irgendeine Neuentwicklung von Messern, die dann in der Schweiz als gefährliche Waffe eingestuft werde und deshalb nicht zugelassen sei.

Zu wenige Lehrstellen

Einen grossen Stellenwert hat im Verband die Aus- und Weiterbildung. Während in Deutschland der Beruf des Messerschmiedes in denjenigen des Schleifmitteltechnologen umgewandelt wurde, wird in der Schweiz das alte Handwerk noch von der Pike auf gelernt. Gemäss Hans Peter Klötzli ist die vierjährige Lehre beim Berufsnachwuchs sehr gefragt: «Das Interesse der Jungen ist da. Wir erhalten pro Jahr 10 bis 15 Anfragen. Leider haben wir zu wenig Lehrstellen und können so der grossen Nachfrage gar nicht gerecht werden.» Dies sei darauf zurückzuführen, dass in den letzten 30 bis 40 Jahren der Markt weitgehend von den Grossverteilern übernommen worden sei und als Folge die Zahl der Betriebe zurückgegangen sei, sich aber mit dem Messer als Lifestyle-Produkt ein starkes Messerbewusstsein entwickelt habe. «Der Markt ist ausgetrocknet. Zurzeit gibt es in der Schweiz vier aktive Lehrverhältnisse», bedauert Klötzli.

«Wer überleben will, muss sich ALS NISCHENPLAYER spezialisieren.»

Er selber hätte auch keinen Messerschmied gefunden, so dass er seine Leute selber ausbilden musste. «Allein die Ausbildung mit dem Zirkulieren der Lernenden in den verschiedenen Betrieben, wo sie immer wieder andere hochspezialisierte Techniken kennenlernen, ist aufgrund der wenigen Lehrplätze eine grosse Herausforderung», so Klötzli. Viele Messerläden seien überaltert und würden keine Nachfolger finden, weil die wenigen Messerschmiede auf dem Markt die Selbstständigkeit im Dienstleistungssektor oder in der Industrie der eigenen Werkstatt mit Laden vorziehen würden, gibt der Patron zu bedenken. Oder sie seien zu klein und ungünstig gelegen, was sie für eine Nachfolge wenig attraktiv mache. Früher sei der Messer- und Scherenbedarf für Private und Industrie allein im Emmental durch sechs Messerschmiede abgedeckt worden. «Diese haben alles hergestellt, vom Metzgermesser bis zu Schnitzwerkzeugen», so Klötzli. Mit der Absicht des Schweizer Traditionsunternehmens Victorinox, das künftig nicht mehr nur Polymechaniker, sondern auch wieder Messerschmiede ausbilden will, zeigen sich jedoch erste Silberstreifen am Ausbildungshorizont der Messerschmiede. «Für den Messerschmied-Verband ist es extrem wichtig, dass Victorinox dieses Vorhaben verwirklicht. Nur mit einem starken Partner können wir das alte Know-how des Messerschmieds bewahren, fördern und weitergeben», betont Klötzli.

«Der heutige Messertrend verträgt sich nicht mit den Verordnungen zum
Waffengesetz.»

Fachwissen hegen und pflegen

Die Branche hat gemäss Klötzli sicher grosses Zukunftspotenzial: «Das Messer als Werkzeug wird immer gefragt sein. Aber es geht nicht ohne fundierte Beratung und Fachwissen, und es gibt viele Messerliebhaber, die differenzieren können und gerne den Preis eines hochwertigen Messers bezahlen. Und alle diese erstklassigen Messer müssen ja früher oder später geschliffen werden.» Zudem: Tradition, verbunden mit neusten Technologien und Design, bringt eine ganz neue Generation von Messern auf den Markt.

«Der Markt ist ausgetrocknet. Es gibt in der Schweiz vier aktive Lehrverhältnisse.»

Nebst dem Nachwuchs liegt dem Messerspezialisten auch die Erhaltung des historisch gewachsenen Wissens rund um das Messerschmiede-Business am Herzen. «Wir arbeiten intensiv daran, das alte Fachwissen mit all seinen besonderen Begriffen zu erfassen und zu katalogisieren, so dass es nicht verloren geht», stellt der Altmeister fest.

Corinne Remund

VSM KURZ ERKLÄRT

Rund 500 Millionen Jahresumsatz

Bereits 1891 formierten sich die Messerschmiede-Meister zu einer Interessenvertretung und gründeten in Schwyz den Verband Schweizerischer Messerschmiede-Meister. Auslöser für diesen gemeinsamen Auftritt war die Schweizer Armee, die ihre Messer in Deutschland kaufte. Zu seinen Hauptaufgaben gehören die Aus- und Weiterbildung, Interessenpolitik sowie Erfahrungsaustausch. Ein permanentes Thema ist das Waffengesetz, das in seiner einzigartigen Strenge die Schweizer Messerschmiede immer wieder in ihrer Marktfreiheit arg einschränkt. Der Verband zählt 44 Mitglieder, davon sind die meisten KMU, ausser Victorinox. Sie verfügen über eigene Läden, zum Teil mit Werkstatt. Ebenfalls Mitglieder sind Importeure und Grosshändler, die im Stahlbereich ­tätig sind. Es gibt noch rund 15 aktive Messerschmiede-Werkstätten. Die Branche macht einen Umsatz von rund 500 Millionen Franken jährlich. CR

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