Publiziert am: 25.04.2014

«Weniger, nicht mehr Staat»

MINDESTLOHN – Swissmechanic wehrt sich vehement dagegen, obwohl die MEM-Branche nicht direkt davon betroffen ist. Für Direktor Oliver Müller geht es dabei um eine Grundsatzfrage.

Schweizerische Gewerbezeitung: In den Swissmechanic-Unternehmen arbeiten hauptsächlich Fachkräfte, die von einem Mindestlohn nicht direkt betroffen wären. Dennoch lehnen gemäss einer Umfrage 98 Prozent Ihrer Mitglieder den weltweit höchsten Mindestlohn von 4000 Franken ab. Wie erklären Sie diesen grossen Widerstand?

n Oliver Müller: Es geht bei dieser Initiative um eine Grundsatzfrage. Soll sich der Staat in die Lohnpolitik einmischen? Die Antwort unserer Unternehmer lautet: Nein. Immer wieder wird von gewerkschaftlicher Seite versucht, in den Unternehmen an Einfluss zu gewinnen. Dies hat jedoch negative Auswirkungen auf die Flexibilität der Unternehmen, die sie im internationalen Umfeld dringend brauchen. Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass eine liberale Wirtschaftspolitik für ein kleines Land wie die Schweiz das erfolgversprechendste Modell darstellt. Unseren Wohlstand haben wir dem Liberalismus zu verdanken. Unsere Unternehmer stören sich zudem daran, dass immer alles flächen­deckend eingeführt werden soll. Missbrauch soll schon bekämpft werden, jedoch nur dort, wo er effektiv betrieben wird.

«Der Druck auf 
die nächsthöhere Lohnklasse würde steigen.»

Die drohende Einschränkung der unternehmerischen Freiheit und das Verhindern einer staatlichen Einmischung in Lohnfragen sind die zentralen Argumente gegen die Initiative. Welche Konsequenzen hätte ein staatlich verordneter Mindestlohn für die MEM-Branche?

n Dieselben wie die Umsetzung der Zuwanderungs-Initiative. Staatliche Eingriffe bedeuten immer auch administrativen Aufwand. Gerade kleinere Betriebe müssten eigentlich entlastet und nicht noch mehr belastet werden. Mit der Einführung von einem Mindestlohn von 4000 Franken würde ausserdem der Druck auf die nächsthöheren Lohnklassen steigen.

Die Swissmechanic-Firmen bilden jährlich 1500 Lernende aus. Was würde ein Mindestlohn für die Ausbildungsplätze in der MEM-Branche bedeuten?

n Ein so hoher Mindestlohn hätte negative Auswirkungen auf die Motivation von jungen Menschen, in ihre Aus- und Weiterbildung zu investieren. Wenn ungelernte Mitarbeitende einen Job bekommen und gleich am ersten Tag 4000 Franken verdienen, ist das kein gutes Signal an unseren Nachwuchs. Und gerade unsere Branchen sind auf motivierten Nachwuchs angewiesen. Ausserdem haben wir in 
den vergangenen Jahren viel getan für die Integra­tion von schwächeren Schülern in unsere Berufsbildungen. Eine Annahme der Initiative würde diese Bemühungen torpedieren.

«Die Integration 
der schwächeren Schüler würde mit dem Mindestlohn ­torpediert.»

Die MEM-Branche ist unmittelbar von der Einführung von Kontingenten bei der Zuwanderung betroffen. Wie würde ein Mindestlohn in dieser Situation wirken?

n Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass wir für unsere Branchen über genügend Kontingente verfügen werden. So interpretiere ich die derzeitigen Diskussionen auf Bundesebene. Die Sogwirkung für ausländische Mitarbeitende würde durch den weltweit höchsten Mindestlohn an Stärke zulegen. Also genau das Gegenteil von dem, was die Zuwanderungs-Initiative möchte. Ob das sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln.

Mit der Mindestlohn-Initiative versuchen die Gewerkschaften zudem die Einführung von allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen (GAV) zu fördern. Swissmechanic wehrt sich vehement dagegen. Aus welchem Grund?

n Wir vertreten die KMU in der MEM-Branche. Die Mehrheit unserer Mitglieder beschäftigt zwischen 2 und 60 Mitarbeitende. In Firmen dieser Grössenordnung begegnen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Augenhöhe, man kennt und schätzt sich über Jahre. Gibt es Probleme, werden diese besprochen. Da braucht es keine Gewerkschaften, ich wüsste nicht wofür. Unsere Unternehmer nehmen ihre soziale Verantwortung in hohem Masse wahr. Der Mangel an Fachkräften sorgt zusätzlich für gute Bedingungen der Arbeitnehmenden. In jenen Branchen, in denen sich Vertragsparteien einigen, sollen Verträge eingeführt werden können. Aber nicht flächendeckend und allgemeinverbindlich.

Die Befürworter der Initiative argumentieren, von einer Erhöhung des Mindestlohnes auf 
22 Franken pro Stunde würden lediglich 330 000 Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte in der Schweiz profitieren. Deswegen wird die erfolgreiche Schweizer Wirtschaft kaum kollabieren. Wie sehen Sie das?

n Wie eingangs erwähnt, geht es um eine Grundsatzfrage. An jenem Tag, an dem wir dem Staat erlauben, sich noch mehr in die Geschicke der Unternehmen einzumischen, geht ein erfolgreiches Modell zu Ende. Das gilt es zu verhindern. Um international bestehen zu können und neue Arbeitsplätze zu schaffen, brauchen unsere Unternehmen weniger und nicht mehr Staat.

Interview: Corinne Remund

Engagiert in der Kommunalpolitik

ZUR PERSON

Oliver Müller war während 15 Jahren unter anderem als Geschäftsleitungsmitglied und Verwaltungsrat der Bernex Bimetall AG tätig. Nach 
20 Jahren Funktionär bei Swissmechanic, ist er nun seit mehr als einem Jahr Verbandsdirektor. Als Gemeindepräsident des zürcherischen Freienstein-Teufen engagiert er sich vor allem in der Sozial- und Wirtschaftshilfe und im Asyl- und Vormundschaftswesen. Der 49-Jährige ist verheiratet und hat vier Kinder.

Der Verband feiert sein 75-Jahr-Jubiläum

SWISSMECHANIC

Swissmechanic ist ein nationaler Arbeitgeber, Fach- und Berufsverband in der mechanisch-technischen Branche (MEM) und Vertreter von zahlreichen KMU. Die 1400 angeschlossenen Betriebe beschäftigen mehr als 60 000 Mitarbeitende und 6000 Lernende und generieren ein jährliches Umsatzvolumen von rund 15 Milliarden Schweizer Franken. Der Verband ist in 15 regionale Sektionen und eine Branchenorganisation gegliedert.

Swissmechanic feiert am 20. Juni im KKL Luzern das 75-Jahr-Jubiläum. 1939 auf dem Areal der Landesausstellung in Zürich gegründet, entwickelt sich aus dem Schweizerischen Mechanikmeisterverband im Laufe der Jahre der nationale Arbeitgeber, Fach- und Berufsverband Swissmechanic mit Sitz im thurgauischen Wein­felden.

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