Publiziert am: 22.10.2021

Wer befiehlt, zahlt – wirklich?

CORONA-FOLGEN – Infolge der Pandemie sind schweizweit unzählige Unternehmen völlig unverschuldet in existenzielle Schwierigkeiten geraten. Die Unterstützung bei Härtefällen funktioniert nur ungenügend – Zeit für ein Normalisierungsziel, findet der Gewerbeverband.

Die Corona-Massnahmen in der Schweiz sind seit Beginn der Pandemie immer wieder Ziel von harscher Kritik. Insbesondere der Anspruch auf Erwerbsersatz und auch die Härtefallmassnahmen führen zu teils unbefriedigenden Resultaten. So hat das Bundesgericht unlängst einer selbstständigen Berner Ärztin eine Covid-Entschädigung und den Anspruch auf Härtefallgelder verweigert mit der Begründung, ihr AHV-pflichtiges Erwerbseinkommen habe im Jahr 2019 die erlaubte Grenze von 90 000 Franken überschritten. Für Florian Wanner, Sekretär der Schweizerischen Belegärzte-Vereinigung (SBV), ein unverständlicher Entscheid. Es sei eine «Tatsache, dass das Verbot, keine dringlichen Eingriffe vorzunehmen, ein partielles Berufsausübungsverbot darstellt». Und es sei «mehr als nur stossend, das partielle Berufsverbot so zu interpretieren, dass die Ärzteschaft nicht ‹direkt betroffen› im Sinn der Covid-19-Verordnung sei». Durch das Verweigern der Ausgleichszahlungen entziehe sich der Bund seiner Verantwortung – und der Prämisse «Wer befiehlt, zahlt».

Unverschuldet in grosser Not

Infolge Corona sind schweizweit unzählige Unternehmen völlig unverschuldet in existenzielle Schwierigkeiten geraten. Unterstützung erhalten einige von ihnen von Adlatus, der Vereinigung von ehemaligen Führungskräften und Fachspezialisten (vgl. Seite 7). Mit ihrer Hilfe wurden bisher gegen 30 notleidenden KMU-Unternehmen in der Zentralschweiz «teils sehr beachtliche Corona-Hilfsgelder von fallweise weit über 100 000 Franken ausbezahlt», wie Adlatus mitteilt.

Trotz finanzieller Hilfe aus dem Unterstützungspaket von Bund und Kantonen für Corona-Härtefälle bleibt der Eindruck einer mangelnden Unterstützung von Selbstständigerwerbenden, die direkt oder indirekt unter den Covid-19-Massnahmen zu leiden hatten und haben. So ist etwa Roland Beerli vom OZ Bowling Team im zürcherischen Dielsdorf wegen der Zertifikatspflicht in zusätzliche Schwierigkeiten geraten. Die mit dem Swiss Location Award ausgezeichnete, seit 18 Jahren bestehende Eventlocation leidet massiv unter den Corona-Massnahmen – besonders seit die Zertifikatspflicht gilt. «Unsere Gäste kommen meist in Gruppen», sagt Beerli. «Wenn nur einer ein Problem mit Impfung oder Zertifikat hat, dann erscheinen meist alle nicht.» Mit schwerwiegenden Folgen für den Betrieb. Auch wenn dieser nicht sehr personalintensiv ist, bleiben die Fixkosten für die grosse Halle. «Unser Vermieter ist uns bereits entgegengekommen, aber die Probleme bleiben.» Als saisonaler Betrieb – das Eventlokal war vor Corona vor allen in der kälteren Jahreszeit jeweils gut besucht – ist OZ Bowling auf eine gute Wintersaison angewiesen. «Und genau diese für den Umsatz entscheidende Zeitspanne droht uns nun schon zum zweiten Mal bachab zu gehen.»

«Uns geht bald der Schnauf aus»

2020 habe sein Betrieb rund 40 Prozent weniger Umsatz gemacht, in der laufenden Rechnung drohe ein Loch von bis zu 60 Prozent. «Geht das so weiter, so wird uns in absehbarer Zeit der finanzielle Schnauf ausgehen», fürchtet der Unternehmer. Aufgrund der Berechnungsart seien auch die Härtefallgelder, die er bereits erhalten habe, nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein. Und dies betreffe nicht ihn allein: «Auch wenn der Bund etwas anderes behauptet, sind die coro-nabedingten Verluste zahlreicher weiterer Eventunternehmer von der Bundeshilfe nicht abgedeckt.»

Es fehlt ein Normalisierungsziel

In seiner Konsultationsantwort zur Änderung des Covid-Gesetzes verlangt der Schweizerische Gewerbeverband sgv die Beendigung der «besonderen Lage» nach Epidemien-gesetz und ein «verbindliches Normalisierungsziel». Die Vorlage sei voller Widersprüche, wenn etwa die wirtschaftlichen Hilfen nur für Sport und Kultur weitergeführt werden sollten. Im Fall einer Verlängerung des Gesetzes müssten alle Unternehmen einen weiteren Antrag auf Härtefallentschädigung stellen können. Und «genauso wie die Kurzarbeitsentschädigung auch im nächsten Jahr möglich bleiben soll, soll der Corona-Erwerbsersatz fortgeführt werden.» Auf dass nicht noch mehr Firmen in ihrer Existenz gefährdet werden.En

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