Publiziert am: 19.02.2016

Wer nicht spurt, dem droht der Pranger

LOHNPOLIZEI – Bundesrätin Sommaruga ignoriert eine von ihr in Auftrag gegebene Studie, die vermeintliche Lohnungleichheiten relativiert. Der sgv weist Forderungen nach einem staatlichen Lohndiktat ohne Wenn und Aber zurück.

Mit einer Revision des Gleichstellungsgesetzes will der Bundesrat Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichten, in ihrem Unternehmen Lohnanalysen durch externe Kon­trollstellen durchzuführen. Anschliessend müssen die Arbeitgeber die Mit­arbeitenden über das Ergebnis dieser Kontrolle informieren. Wer nicht spurt, wird an den Pranger gestellt.

Voreilig den Stecker gezogen

2009 wurde der Lohngleichheits­dialog zwischen den Sozialpartnern unter Mit­wirkung des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv auf Arbeitgeberseite und Vertreterorganisationen auf Arbeitnehmerseite aufgenommen. Verschiedene Firmen mit insgesamt mehr als 200 000 Arbeitnehmenden verpflichteten sich auf Arbeitgeberseite zu informieren. Auch der sgv streute ein entsprechendes Merkblatt breit und zielgerichtet. Der Bund hat dennoch voreilig den Lohndialog für gescheitert erklärt und angekündigt, den Gesetzesweg zu beschreiten.

Zwang zu betriebsinternen ­Lohnanalysen

Mit der Gesetzesrevision sollen Arbeitgeber mit mehr als 50 Beschäftigten gesetzlich verpflichtet werden, regelmässig eine betriebsinterne Lohnanalyse durchzuführen. Von den Arbeitgebern beauftragte unabhängige Kontrollstellen (wahlweise die Arbeitnehmerorganisationen oder -vertretungen, eine Revisionsstelle oder staatlich anerkannte Selbstregulierungsorganisationen) sollen die Durch­führung der Lohnanalyse kontrollieren. Die Information über die Durchführung der Kontrolle soll veröffentlicht werden.

Im Sinne einer zusätzlichen Massnahme wird zudem eine Variante zur Diskussion gestellt, nach der die Kontrollstellen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die ihrer Pflicht zur Durchführung einer Lohnanalyse bzw. deren Kontrolle nicht nach­kommen, der zuständigen staatlichen Behörde (voraussichtlich das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG) melden. Diese ­Behörde würde die säumigen Arbeitgeber in eine öffentlich zugängliche Liste eintragen.

Lohngleichheit ja – 
Bürokratie nein

Lohngleichheit ist in der Verfassung verankert. Gleiche Arbeit – bei gleicher Qualifikation und Erfahrung – muss gleich entlohnt werden. Art. 3 Abs. 2 des Gleichstellungsgesetzes verbietet die Lohndiskriminierung explizit. Der Gewer­be­verband steht zur Lohngleichheit – deshalb hat er sich am Lohngleichheitsdialog beteiligt. Auf grosse Anerkennung gestos­sen ist das Engagement der Arbeitgeber allerdings nicht.

Es gilt festzuhalten: Nicht alle Lohn­unterschiede kommen einer Diskriminierung gleich. Das muss auch die zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga zur Kenntnis nehmen! Unterschiede lassen sich durch unterschiedliche Berufs­er­fahrungen und Unterbrüche der Berufsausübung oder in Abhängigkeit von Aus­bildung, Funktion u.a.m. rechtfertigen. Ein grosser Anteil der Beschäftigten untersteht ausserdem Lohnregelungen, die in Gesamtarbeitsverträgen durch die Sozialpartner ausgehandelt wurden und die geschlechterbedingte Lohn­dis­kri­minierungen ausschliessen.

Studie relativiert ­Lohnungleichheit

Zudem ist wichtig zu wissen: Eine vom Büro für Gleichstellung in Auftrag gegebene Studie der Universität St. Gallen relativiert die behauptete Lohnungleichheit und zieht die Erhebungsmethode zur Messung der Lohngleichheit zwischen Mann und Frau in Zweifel. Die vom Bund angewandte Methode, die auf der Lohn­struktur­er­hebung des Bundesamtes für Statistik beruht, erfasse wesentliche Variablen nicht, die einen Grossteil der Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau erklärbar machen, so eine der zentralen Erkenntnisse der Studie.

«KANN HIER NICHT SEIN, WAS NICHT SEIN DARF?»

Doch diese kritischen Erkenntnisse der vom Bund in ErfĂĽllung eines Postulates des damaligen Nationalrates Ruedi Noser (FDP, ZH) in Auftrag gegebenen Studie finden keinen Eingang in die Vernehmlassungsunterlagen zur Gesetzesrevision. Offenbar kann nicht sein, was nicht sein darf.

Vorlage entschieden abzulehnen

Es entspricht gut schweizerischer Tradition, arbeitsrechtliche Probleme sozial­partner­schaftlich anzugehen. Ein staatliches Kontroll- und Sanktionssystem lehnt der sgv entschieden ab. Die Festlegung des Lohnes soll auch in Zukunft Angelegenheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. der Vertragspartner bleiben. Es liegt im Interesse der Unternehmen selbst, für die gleiche Leistung auch den gleichen Lohn zu bezahlen. Nur so kann qualifiziertes Personal gehalten werden. Im Endeffekt kommt die vom Bundesrat vorgeschlagene Überprüfung der Lohngleichheit von Unternehmen einem staatlichen Lohndiktat gleich. Diese Forderungen weist der sgv entschieden zurück.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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