Publiziert am: 07.06.2019

Wieder im Regulierungsvisier

AKTIENRECHT – Nachdem der Nationalrat die Vorlage des Bundesrats KMU-gerecht entschärft hatte, stellte sich der Ständerat wiederum auf die Seite des Bundesrats. Was bedeutet: Den KMU blühen eine De-facto-Frauenquote, Regulierungen oder Enteignung.

Gleich zwei Mal wird das Aktienrecht in der laufenden Sommersession zum Thema. Und beide Male müssen sich KMU vor verheerenden Auswirkungen fürchten. Auf der einen Seite steht die Linke gemeinsam mit den Grossunternehmen. Auf der anderen Seite sind die KMU. Die Frage lautet: Wem geben die Räte den Vorzug?

Einfach umsetzen

Die erste und grössere Vorlage ist die Revision des Aktienrechts. Der Bundesrat wollte die Vorschriften der «Abzocker-Initiative» von Ständerat Thomas Minder (parteilos/SH) auf die KMU ausdehnen. Dazu wollte er eine De-facto-Frauenquote schaffen und sogenannte Rohstoffunternehmen – niemand weiss, welche Unternehmen genau darunterfallen – regulieren. Der Nationalrat hatte darauf die Vorlage zu Gunsten der KMU wieder entschärft, doch der Ständerat hält an der Version des Bundesrats fest.

Was ist hier KMU-gerecht? Ganz einfach: Die Umsetzung der «Abzocker-Initiative» muss gewährleistet werden. Dies geschieht, indem die aufgrund der angenommenen Volksinitiative geänderten Verordnungen auf Gesetzesebene erhoben werden.

Und das unverändert, ohne das Aktienrecht auf irgendeine andere Art und Weise anzutasten. 114 000 Aktiengesellschaften sind KMU – und nicht einmal alle circa 1500 Grossunternehmen-AG sind von der «Abzocker-Initiative» betroffen.

«Änderungen führen immer zu Kosten, auch wenn uns die Politik gebetsmühlenartig das Gegenteil weismachen will.»

Für Ständerat Martin Schmid (FDP/GR) ist klar: «Das Parlament sollte nur dann regulieren, wenn Handlungsbedarf ausgewiesen ist – eigentlich eine Selbstverständlichkeit – und nicht dort, wo keine Probleme bestehen.» Im Aktienrecht gebe es in den allermeisten Fällen auch keine Probleme. Der einzige Handlungsbedarf betreffe die Bestimmungen zur «Abzocker-Initiative», die ins Gesetz aufgenommen werden müssten. Schmid: «Das ist zwingend. Leider war diese Haltung bisher nicht mehrheitsfähig, weshalb die Aktienreform mindestens zu entschlacken ist und im Zweifelsfall immer das geltende Recht beibehalten wird. Ansonsten macht das Parlament wieder einmal eine Vorlage für uns Rechtsanwälte und nicht für die Unternehmen, denn viele Änderungen führen immer zu Anpassungskosten, auch wenn die Politik uns gebetsmühlenartig das Gegenteil weismachen will. Das stört mich!»

Geht es nach Ständerat Olivier Français (FDP/VD), muss das Aktienrecht vor allem «den Volkswillen abbilden». Dieser sei bei der Abstimmung zur «Abzocker-Initiative» zum Ausdruck gekommen. «Aber dies muss in einer Weise geschehen, die dem entspricht, wofür gestimmt wurde: Für einfache Regeln, ohne starke Einschränkungen und viel Bürokratie», präzisiert Français. «Ein modernes Aktienrecht ist notwendig, damit sich unsere Unternehmen – und insbesondere die KMU – an die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts anpassen können und um den Wirtschaftsstandort Schweiz attraktiv zu halten.»

Der Phantom-Standard

Die zweite Vorlage scheint auf den ersten Blick einfach, hat aber bei genauerem Hinsehen ebenso drastische Folgen für die KMU. Der Bundesrat will die Inhaberaktiengesellschaften verbieten. Mehr noch: Wer sich nicht fristgerecht einträgt, wird sogar enteignet. Betroffen sind um die 50 000 KMU. Warum eigentlich? Nun, es gibt keinen triftigen Grund dafür. Der Bundesrat will diese Regelung erlassen, um «den internationalen Standard» zu erfüllen. Das Problem: Einen solchen Standard gibt es nicht.

Was ist hier KMU-gerecht? Ganz einfach: Der Nationalrat hat die Idee eines «Grandfathering» eingeführt. Das bedeutet, bestehende Inhaberaktiengesellschaften sollen weiterbestehen bleiben. Es dürfen aber keine neuen mehr eingetragen werden. Schon dieser Vorschlag ist strenger als der internationale Standard. Aber er ist KMU-gerecht.

Der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann begrüsst die «Grandfathering»-Idee des Nationalrats und erachtet diese Vorgehensweise sogar als «Königsweg». Es gelte nun, «im Rahmen der Differenzbereinigung zwischen National- und Ständerat eine akzeptable Lösung zu finden. Es kann und darf nicht sein, dass wir unser bewährtes und verlässliches Rechtssystem einfach so über Bord werfen.»

Auch hier werden ausserdem zusätzliche Aufwände für die KMU befürchtet. Ständerat Erich Ettlin (CVP/OW) zu einer möglichen Abschaffung der Inhaberaktien: «Diese jetzt aufzugeben bzw. umzuwandeln ist mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Das kann nicht akzeptiert werden.» Es sei aus diesem Grund nur folgerichtig, «wenn man nur bei neuen Aktiengesellschaften auf den Verzicht von Inhaberaktien besteht, bei bestehenden Gesellschaften aber die Inhaberaktien belassen darf».

Wie werden die Parlamentarierinnen und Parlamentarier abwägen? Werden sie sich von den Linken und Grossunternehmen instrumentalisieren lassen oder zu Gunsten der KMU entscheiden?

Henrique Schneider, Stv. Direktor

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