Publiziert am: 19.05.2017

«Wir sind nur gemeinsam stark»

BILDHAUER- UND STEINMETZMEISTER – Die Branche kann nicht genug Nachwuchs ausbilden – eine Bildungsrevision ist not­wendig. Dabei will der VSBS alle Steinberufe mit vier Verbänden zu einem Berufsbild vereinen, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

Die Berufe des Steinmetzes und des Steinbildhauers gehören zu den ältesten Berufen weltweit. Seit dem antiken Ägypten spielt die Bearbeitung von Stein eine herausragende Rolle in der Baukunst. Noch heute zeugen zahlreiche öffentliche, sakrale und private Bauten aus früheren Jahrhunderten von der grossen Fertigkeit von Angehörigen der Steinbearbeitungsberufe. Trotz zunehmender Industria­lisierung ist Steinmetz- und Steinbildhauerarbeit auch heute gefragt: In der Denkmalpflege und Steinres­taurierung, beim Bau von Wohn- und Geschäftshäusern, in der Gartengestaltung, im Strassen-, Wege- und Brückenbau sowie in der Grabmalgestaltung. Die Branche hat in den letzten Jahren auch einen Strukturwandel erfahren. Dazu Ernesto Ghenzi, Präsident des Verbandes Schweizer Bildhauer- und Steinmetzmeister VSBS: «Die Betriebe sind eher kleiner geworden. Dies hat unter anderem stark mit der Friedhofskultur zu tun.» Im Zuge der Globalisierung hat der Friedhof nicht mehr dieselbe Bedeutung wie noch vor zwanzig Jahren. Gemeinschaftsgräber sind im Aufschwung und die Erdbestattungen sind rückläufig, weshalb es auch weniger Grabsteine braucht. «Diese Veränderung der Gesellschaft zwingt uns, flexibel und innovativ zu sein. Nur so können wir überleben», betont Ghenzi. Und er ergänzt: «Unsere Arbeitsbereiche haben sich so vergrössert. Wir müssen auf sämtliche Gebiete, die mit Stein zu tun haben ausweichen: Skulpturen für Ausstellungen, im Bau aushelfen, Arbeiten an Neubauten oder für den Garten sowie öffentliche Aufträge für Kreisel, Schulen, Parkanlagen oder Kurse für Kinder und Erwachsene geben etc.»

«Die Veränderung der Gesellschaft zwingt uns, flexibel und 
innovativ zu sein. Nur so können wir überleben.»

Rückblickend hat der Verband bezüglich Friedhofskultur und dem Umgang mit Trauernden eine wichtige Rolle gespielt. «Wir haben uns vor über zehn Jahren einen Kodex gegeben, wonach wir uns erst nach einem Monat an die Trauernden wenden dürfen, um sie in der ersten Trauerphase nicht zu stören und sie danach mit Respekt zu beraten und auf ihre Wünsche einzugehen», erklärt Ghenzi. Er ist seit vier Jahren Präsident des VSBS. Er betreibt in Rapperswil selber ein Bildhaueratelier und kennt sich in der Branche bestens aus.

Neues Berufsbild Steinmetz 
kreieren

Ein zentrales Thema für den Verband ist die Ausbildung. Im Fokus steht dabei für die nächsten zwei Jahre die Totalrevision der Berufsbildung. «Einerseits wollen wir einen allgemeinen Berufsbildungsfonds gründen, indem auch Nichtmitglieder mitzahlen, und andererseits ist ein neues Berufsbild geplant», so Ghenzi. Dazu wurde der Verein «Bildung Steinberufe» gegründet. Seine Aufgabe ist es, eine Vision zu entwickeln, in welcher die angestammten Steinberufe in der Art zusammenrücken, dass möglichst viele Inhalte gemeinsam vermittelt werden können. «Wir wollen die vier Kleinstberufe Steinmetz, Steinbildhauer, Steinwerker und Marmorist unter dem neuen Berufsbild Steinmetz zusammenfassen», erklärt Ghenzi. «Nur so können wir die immer grösseren finanziellen Belastungen stemmen und die vom Bund verordneten Auflagen erfüllen. Wir sind nur gemeinsam stark.»

Aufgrund der demografischen Entwicklung ist der Schweizer Lehrstellenmarkt hart umkämpft. Kleinere Berufe haben grundsätzlich mehr Schwierigkeiten, sich zu behaupten als die viel stärker verbreiteten Berufe wie beispielsweise Maurer oder Schreiner. Betroffen von dieser Entwicklung sind auch die Steinberufe. «Die Frage ist dringlich, wie es um die Zukunft der Steinberufe grundsätzlich bestellt ist und welche Massnahmen den Nachwuchs für die Branche sichern können. Wir müssen daher handeln», stellt Ghenzi fest. In der Deutschschweiz absolvieren ein Dutzend Steinmetze und Steinbildhauer sowie drei Steinwerker pro Lehrjahr die vierjährige Lehre. Gemäss Ghenzi sind die Zahlen aktuell tatsächlich problematisch, auch für die Schulen. «Wenn wir nicht mehr Lernende ausbilden können, werden wir ein Problem mit den Klassengrössen haben. Jetzt werden die Klassen schon teils zusammengelegt», so Ghenzi. Gerade in Kleinstbetrieben ist die Ausbildung des Nachwuchses mit einem enormen Engagement des Ausbildners verbunden. Eine neue Möglichkeit sind sogenannten Lehrverbunde, die seit einiger Zeit auch realisiert würden. Dabei hat der Lernende mehrere Lehrbetriebe, in welchen er auf verschiedenen Schwerpunkten und Stärken des jeweiligen Betriebs ausgebildet wird. «Dies bindet den einzelnen Lehrbetrieb auch nicht auf vier Lehrjahre und der Auszubildende erhält Einblick in diverse Betriebe», sagt Ghenzi.

«Wir wollen vier Kleinstberufe unter einem neuen 
Berufsbild 
zusammenfassen.»

Ein grosses Budget, um für die Kleinstberufe zu werben, fehle leider. «Aber durch regionale Aktionen, den Kontakt mit den Schulen, Schnupperlehren und Kurse können wir Interessierte gewinnen», so Ghenzi. Eine wichtige Plattform, um die Öffentlichkeit für die Steinberufe zu sensibilisieren, sind Berufsmeisterschaften, insbesondere für den Steinmetz. «Damit erhalten angehende Berufsleute und potenzielle Anwärter einen interessanten Einblick in einen jahrtausendealten Beruf, der sich heute mit der Technik auch verändert hat», sagt Ghenzi.

Neue Perspektiven dank 
der Digitalisierung

Die moderne Technik und damit die Digitalisierung hat auch den handwerklichen Beruf des Bildhauers und Steinmetzes eingeholt. Schon seit Jahren wird auf maschinelle Vorfertigungen zurückgegriffen, um überhaupt konkurrenzfähig zu sein. «Mit den heutigen 3D-Techniken und den CNC-Maschinen zeigen sich ganz neue Möglichkeiten, die junge Berufsleute absolut zwingend verstehen und auch anwenden müssen. Dies eröffnet unseren jungen Berufsleuten ganz neue Perspektiven», betont Ghenzi.

«Wir brauchen qualifizierte Berufsleute, um für die Anforderungen der Zukunft gewappnet zu sein.»

Nebst den fehlenden Lernenden hat der Verband auch mit sinkenden Mitgliederzahlen zu kämpfen. «Es fehlen uns vor allem die Jungen. Viele wollen sich nicht mehr mit Herzblut für eine Sache engagieren und nur noch konsumieren. Aber damit kämpfen viele Verbände und Vereine», stellt Ghenzi fest. Um wieder mehr (junge) Mitglieder zu generieren, muss der Verband sich attraktiver positionieren. Ein Ziel, das er sich zusammen mit der Aufwertung und Revision der Berufsbildung für die nächsten Jahre auf die Fahne geschrieben hat.

Für den engagierten Bildhauer ist es klar, dass es Arbeiten in Stein auch in Zukunft brauchen wird, besonders im Bereich Renovationen an kunsthistorischen Bauten, aber auch für ein persönlich gestaltetes Grabzeichen, Brunnen, Skulpturen und vieles mehr. «Die Steinberufe werden auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe in unserer Gesellschaft wahrnehmen. Dafür braucht es qualifizierte Berufsleute, um für die Anforderungen der Zukunft gewappnet zu sein», betont Ghenzi.

Corinne Remund

Der VSBS KURZ ERKlÄRT

Eine Plattform für den regen Austausch

Der Verband Schweizer Bildhauer- und Steinmetzmeister VSBS wurde vor 107 Jahren in St. Gallen gegründet. Damals schlossen sich rund 35 engagierte Bildhauer- und Steinmetzmeister zusammen. Hauptgrund war, die Rayoneinteilung und Konkurrenzregelungen zu lösen. Ziel war es, dass jeder Meister sein geregeltes Einkommen hatte. Heute ist der Verband eine Plattform für einen regen Austausch an Informationen und Wissen. So bietet der VSBS seinen Mitgliedern eine Ombudsstelle für Fragen und Anliegen rund um den Stein. Dabei werden auch Gutachten erstellt und technische Fragen geklärt. Der Verband vertritt die Interessen seiner Mitglieder auch gegenüber der Öffentlichkeit und den Behörden. Ein zentrales Anliegen ist die Aus- und Weiterbildung. Hier steht die Totalrevision der Berufsbildung mit der Schaffung eines neuen Berufsbildes bis ins Jahre 2019 auf dem Programm. Gesellige Anlässe wie beispielsweise die jährliche Sommerversammlung haben einen wichtigen Stellenwert im Verbandsleben. Dort werden Gedanken und Inputs aus den Regionen ausgetauscht und das Netzwerk der Branche gepflegt.

Vom Einmannbetrieb bis

zu mehreren Angestellten

Der Verband zählt aktuell 124 Mitglieder. Sie kommen aus der gesamten Deutschschweiz und sind in vier Regionen aufgeteilt. Dabei handelt es sich grösstenteils um Kleinst-KMU-Betriebe, teilweise sogar Einzelfirmen mit nur einem Lernenden oder Angestellten bis zu Betrieben mit mehreren Beschäftigten. CR

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