Publiziert am: 17.05.2019

«Wir sind sichtbarer geworden»

FRAUEN IN DER KMU-WIRTSCHAFT – Andrea Schelbert führt zusammen mit ihrem Mann den eigenen Elektrobetrieb in Ibach. Als Präsidentin der KMU Frauen Schwyz setzt sie sich für die Anliegen der Frauen in der KMU-Wirtschaft ein. Sie will mit ihrem Netzwerk Frauen ein Gesicht geben und sie motivieren, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Rund 100 000 KMU Frauen tragen in kleineren und mittleren Unternehmen Verantwortung. Dazu gehört auch Andrea Schelbert, Präsidentin der KMU Frauen Schwyz. Sie führt zusammen mit ihrem Mann Heinz die Interbitzin + Kälin AG in Ibach im Kanton Schwyz. Das renommierte Elektrounternehmen beschäftigt 45 Mitarbeitende. «Mein Mann übernahm den Betrieb 2003 von seinem Vater. Ich bin seit rund zehn Jahren aktiv im Unternehmen engagiert.

«Wirtschaft undPolitik sind sehr wohl bereit, Frauen in Führungspositionen zu befördern.»

Zu meinen primären Aufgaben gehören die Buchhaltung, Administration, das Personalwesen sowie Werbung und Marketing», erklärt Schelbert. Zudem kümmert sich die zweifache Mutter um andere wichtige Nebenschauplätze der Firma, beispielsweise um die Firmenliegenschaften. «Vorher war ich im Hintergrund, habe meinem Mann den Rücken freigehalten und mich um unsere beiden Kinder gekümmert», ergänzt Schelbert.

Eine Konstellation, wie sie typisch ist für die meisten Familienbetriebe. «Vielfach arbeiten Ehefrauen und Partnerinnen in zentralen Funktionen mit. Dabei wird oft vergessen, dass ohne diese Mithilfe zahlreiche KMU gar nicht existieren könnten», sagt Schelbert. Und damit wären wir mitten in der Diskussion um Rollenverteilungen in Gesellschaft und KMU-Wirtschaft, Anerkennung der Geschäftsfrauen, wirtschaftspolitische Integration der Frauen und der entscheidenden Frage: «Wie bringen (KMU) Frauen Kinder und Job effizient unter einen Hut?» Davon kann die Mutter einer 20-jährigen Tochter und eines 17-jährigen Sohns ein Liedchen singen. Dies sei eine grosse Herausforderung. «Jede Frau muss hier selbst entscheiden, wo sie ihre Prioritäten setzt und wie die Rollenverteilung gestaltet wird. Ich habe mich dafür entschieden, dass ich für meine Kinder da sein will. Als sie im Schulalter waren, pendelte ich so quasi zwischen Geschäft und Haushalt, war aber immer für meine Kinder da, wenn sie beispielsweise aus der Schule heimkamen und ein offenes Ohr brauchten.»

Man könne nicht allem gerecht werden und ganz wichtig sei, dass die persönlichen Bedürfnisse nicht auf der Strecke blieben und frau sich Hilfe zugestehe, wenn nötig. «Eine unglückliche Mutter oder Partnerin nützt niemandem etwas», sagt Schelbert. «Ohne Verzicht geht es nicht, egal, welches Modell frau wählt.» Und sie bedauert: «Leider sind wir noch weit weg davon, dass in der Gesellschaft all die persönlichen Wege und Modelle der Frauen akzeptiert werden.» Frauen müssten bezüglich Kinderbetreuung und Job immer einen Spagat machen. «Aber dennoch muss das klassische Rollenbild noch mehr aufgeweicht werden und unsere Gesellschaft und (KMU-)Wirtschaft diesbezüglich noch flexibler werden», so Schelbert. Sie konkretisiert: «Gerade in unserer ländlichen Region mangelt es noch an flexiblen Arbeitsmodellen in Kaderpositionen und flächendeckenden Strukturen für die Kinderbetreuung.»

Andere Frauen motivieren

Die Anerkennung der KMU Frauen ist gemäss Schelbert in den letzten 25 Jahren gestiegen, dank des Netzwerks KMU Frauen Schweiz (vgl. Kasten). «Wir sind sichtbarer geworden», stellt Schelbert fest. Sie selbst werde in ihrem eigenen Betrieb problemlos als Chefin respektiert. Was aber leider noch nicht überall der Fall sei, sei die marktgerechte Entlöhnung der Frauen: «Viele Frauen leisten im Hintergrund enorm viel und bekommen dafür gar keinen oder einen zu geringen Lohn.» Mit dem Generationenwechsel seien Gesellschaft und Betriebe jedoch darauf sensibilisiert. Wenn man bedenke, dass die Frauen erst 1971 – also vor 48 Jahren – das Stimmrecht erhielten, hätte sich einiges getan: «Die Frauen haben heute in der Ausbildung ungeahnte Möglichkeit, wovon unsere Grossmütter und Mütter noch träumten. Wir Frauen haben bei den akademischen Abschlüssen die Männer überholt.»

«Wir müssen für unsere Töchter gute Vorbilder sein.»

Und die engagierte Geschäftsfrau doppelt nach: «Das Umdenken in der Wirtschaft ist bereits weit fortgeschritten. Wirtschaft und Politik sind sehr wohl bereit, Frauen in Führungspositionen zu befördern.» Leider gäbe es einfach sehr wenige, die das auch mit allen familiären Konsequenzen wollen. Die letzte Konsequenz liege bei den Frauen selbst. «Uns Frauen fehlt es oft an Mut und Selbstvertrauen und wir sind nicht bereit, die totale Verantwortung zu übernehmen», so Schelbert. Die wirtschaftspolitische Integration der Frauen könne man nur vorantreiben, indem «wir informieren und immer wieder darauf aufmerksam machen, wie wichtig Frauenstimmen in der Öffentlichkeit sind. Wir müssen in Gewerbeorganen aktiv sein und durch Erfahrungsaustausch andere Frauen motivieren.» Das sei wichtig auch in Bezug auf die nächste Frauengeneration. «Wir müssen für unsere Töchter gute Vorbilder sein.»

Potenzial des Networkings

Ihre Frau gestellt hat die 47-Jährige vor zwei Jahren, als Sie sich für das Amt als Präsidentin der KMU Frauen Schwyz zur Verfügung stellte. Gemäss dem Zitat von Henry Ford «Wer immer tut, was er schon kann, bleibt nur das, was er schon ist!», hat sie die Herausforderung angenommen. «Ich war bereit, etwas Neues zu wagen und die Komfortzone zu verlassen.» Dieses Amt bringe nicht nur Anerkennung, sie könne auch ihr persönliches Netzwerk erweitern. «Networking ist für uns Frauen ein wichtiges Instrument, um aus dem Hintergrund an die Öffentlichkeit zu treten. Unsere Frauen sind gut vernetzt», so Schelbert, die im Herbst als Unternehmerin auf Liste Nr. 7 «Gemeinsam fürs Schwyzer Gewerbe» für den Nationalrat kandidiert. Es gäbe viele Frauennetzwerke und die Frauen seien viel besser vernetzt als vor 25 Jahren. Ein Anliegen ist Schelbert aber, dass die Frauen nicht nur in ihren eigenen Organisationen präsent seien, sondern auch in gemischten Verbänden und Clubs aktiv seien. «Wir müssen uns auch auf einer geschlechtergemischten Plattform bewegen, um noch sichtbarer zu werden.» Corinne Remund

www.iks-elektro.ch

KMU frauen Schwyz

Der Verein KMU Frauen Schwyz wurde im November 2002 gegründet. Er ist ein Organ des Kantonalen Schwyzerischen Gewerbeverbandes KSGV und Teil der KMU Frauen Schweiz. Die KMU Frauen Schwyz bilden das Netzwerk für unternehmerisch aktive Frauen im Kanton Schwyz. Verbandsintern sowie in der Öffentlichkeit engagieren sie sich für die beruflichen Bedürfnisse und den Erfahrungsaustausch der KMU Frauen. Die KMU Frauen Schwyz treffen sich jährlich an vier bis fünf Veranstaltungen gesellschaftlicher, informativer oder wissensfördernder Art. Der Verein zählt total 147 Mitglieder. «An der letzten GV im März 2019 konnten wir ­22 Neumitglieder begrüssen. Das zeigt, dass unsere Frauen das Potenzial des Networkings erkannt haben und auch rege nutzen», freut sich Präsidentin Andrea Schelbert. CR

www.kmufrauen-sz.ch

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