Publiziert am: 24.11.2017

Wirtschaftlichkeit ist doch messbar

STAATLICHE INEFFIZIENZ – Misswirtschaft hat verschiedene Gesichter – fahrlässige Nachlässigkeit gehört dazu, findet der Unternehmer Philipp Weckherlin. Er fordert, dass der Staat Steuergelder verantwortungsvoller einsetzt – im Namen künftiger Generationen.

In der «Gewerbezeitung» vom 6. Oktober habe ich zum Ausdruck gebracht, dass Politik und Verwaltung nicht in der Lage sind, den Verfassungsauftrag zu erfüllen, in welchem die «Wirtschaftlichkeit des staatlichen Tuns» gefordert wird. Meine Hauptkritik: die unzureichenden Führungsinformationen und die aus wirtschaftlicher Sicht nicht zweckmässige Organisation.

Es ist bei Vertretern der Wirtschaft eine weit verbreitete Ansicht, dass Politik und Verwaltung gar kein 
Interesse an einer wirtschaftlichen öffentlichen Hand hätten und sich um dieses Thema zu kümmern, deshalb ein Kampf gegen Windmühlen sei. Erschwerend wäre zudem, so die Argumentation, dass die meisten staatlichen Leistungen keinen Markt hätten und daher ein Leistungsvergleich unmöglich sei. Beide Themen gilt es in der Folge zu vertiefen.

Keine Märkte – wirklich?

Bestehen für staatliche Leistungen wirklich keine Märkte? Trifft diese Aussage zu? Wer sich durch die Details staatlicher Berichterstattungen durchkämpft, erkennt zwei Tatbestände. Zum einen betätigt sich die öffentliche Hand in vielen Bereichen, in welchen sehr wohl bereits private Märkte bestehen. Im Bildungs-, Gesundheits- oder Sicherheitsbereich beispielsweise, bei IT- oder Personalfragen, im Liegenschaftsunterhalt oder bei der Erstellung von Druckerzeugnissen besteht eine etablierte private Konkurrenz, die als Benchmark dienen könnte.

«EIN MARKT MUSS NICHT PRIVAT SEIN, UM DEN NAMEN ‹MARKT› ZU VERDIENEN.»

Zweifelsohne verbleiben aber hoheitliche Leistungen, die auf keinen privaten Märkten abgebildet sind. Doch ein Markt muss nicht privat sein, um den Namen «Markt» zu verdienen. Märkte können auch zwischen staatlichen Anbietern und Nachfragern entstehen. Dies ist dann der Fall, wenn eine leistungsfähige und wettbewerbsfähige staatliche Einheit aus einer Region ihre Leistungen einer weniger wettbewerbsfähigen staatlichen Organisation einer anderen Region anbietet bzw. von dieser nachgefragt wird.

Zugegeben, von einem etablierten Markt für staatliche Leistungen zu sprechen, wäre im heutigen Zeitpunkt vermessen. Ein beträchtliches Potenzial dazu würde aber zweifelsfrei bestehen. Zieht man zudem in Betracht, dass die Service- und Aktivitätspalette vieler Staaten sich sehr ähnlich sind, dann entfällt das Argument der nicht gegebenen Vergleichbarkeit weitgehend.

Wenn man nur wollte…

Die Wirtschaftlichkeit liesse sich also messen – wenn man nur wollte. 
Natürlich bestehen bei Organisationseinheiten und deren Vertretern Widerstände. Dies ist heute bei der Verwaltung sehr ausgeprägt, wenn es um das Thema Benchmarking geht. Das war in der Privatwirtschaft in den 1990er-Jahren nicht anders.

Es mag sein, dass Politik und Wirtschaft als Treuhänder des Volkes kein Interesse an einer transparenten, wirtschaftlich geführten öffentlichen Hand haben. Fehlende Wirtschaftlichkeit hat jedenfalls verschiedene Gesichter, wozu Unfähigkeit, Schlamperei, Verschwendung, Misswirtschaft und Korruption ebenso gehören wie schlicht fahrlässige Nachlässigkeit. Das Ergebnis ist dasselbe. Wichtige Teile des volkswirtschaftlichen Einkommens und Vermögens werden nicht ausreichend produktiv genutzt, was zu Lasten von nachhaltigem Wachstum, Produktivität und Wohlstand geht.

«ÜBLE Korruption ODER ‹BLOSSE› Nachlässigkeit? Das Ergebnis ist dasselbe!»

Während fehlende Wirtschaftlichkeit, beispielsweise aufgrund offensichtlicher Misswirtschaft und Unfähigkeit, in der breiten Öffentlichkeit auf vehemente Abneigung stossen, geht die gleiche Öffentlichkeit mit fahrlässiger Nachlässigkeit schonungsvoller um – ja, sie scheint sie in einem gewissen Masse sogar zu tolerieren. Dabei ist zu bedenken: Wenn die Hälfte der Volkswirtschaft dank enormer Kraftanstrengungen der privaten Akteure blüht, aber die andere staatliche Hälfte welkt, braucht es nicht viel Fantasie, um den negativen Einfluss für alle 
Beteiligten zu ermessen.

Fahrlässige Nachlässigkeit

Zweifelsohne wächst die Dringlichkeit der Thematik, je grösser der Anteil der öffentlichen Hand an der nationalen Wirtschaftsleistung ist. Dieser hat aktuell in einzelnen OECD-Staaten die Marke von 50 Prozent überstiegen – oft mit steigender Tendenz.

Was aber beinhaltet fahrlässige Nachlässigkeit? Fahrlässig nachlässig wird eine Organisation dann, wenn sie träge wird und – wirtschaftlich betrachtet – wider besseren Wissens wichtige Zusammenhänge, Erkenntnisse, Konzepte und Prozesse ignoriert oder nicht laufend einbaut. Dazu gehört:

n die wirtschaftliche Zweckmässigkeit der Organisation nicht laufend zu hinterfragen,

n keine ausreichenden Schutzmechanismen vorzusehen,

n Vermögensbestände nicht zu bewirtschaften,

n unproduktive Investments zu tätigen,

n Schulden losgelöst von der Vermögenslage zu begründen,

n Versprechen ohne die Gewissheit über deren Folgekosten abzugeben,

n wichtige Führungsinformationen gar nicht zu erheben, ohne messbare Ziele zu führen,

n Mitarbeiter in Führungspositionen ohne die notwendigen Qualifika­tionen wirken zu lassen,

n die adäquate Aufsicht zu vernachlässigen oder

n sich nicht dem Leistungsvergleich zu stellen.

Philipp Weckherlin

GOOD GOVERNANCE?

«Verantwortungslos»

Die öffentliche Hand ist im Wesen eine Genossenschaft, bei welcher jeder Bürger eine Stimme und einen Besitzanspruch hat. Diese Genossenschaft, wie jede andere Organisation auch, muss den Kriterien der Nachhaltigkeit genügen. Ansonsten müssen künftige Generationen die Zeche bezahlen. Und genau da stehen wir heute leider, weil die öffentliche Hand äusserst nachlässig wirtschaftet, obschon es eigentlich bekannt ist, was zu einer guten Governance gehört. Dies können wir uns nicht leisten und unseren nachfolgenden Generationen nicht zumuten. Das ist, im Klartext gesprochen, verantwortungslos. pw

Meist Gelesen