Publiziert am: 04.10.2019

Wo soll das alles enden?

ERNÄHRUNG – In Bern haben die Themen Prävention und Ernährung wieder einmal Hochkonjunktur. Dabei sollte nicht vergessen gehen, dass die Vorlage für ein Bundesgesetz über Prävention und Gesundheitsförderung im September 2012 im Parlament gescheitert ist.

Braucht es neben der Tabak- und Alkoholsteuer nun auch noch eine Zuckersteuer? Soll Tabakwerbung verboten werden? Soll für unsere Nahrungsmittel ein dreifarbiges Ampelsystem eingeführt werden? Können wir auf die Willensfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten setzen? Muss für den Salzgehalt in unserem Brot eine verbindliche Obergrenze eingeführt werden? In Bern haben die Themen Prävention und Ernährung wieder einmal Hochkonjunktur.

Dabei darf jedoch nicht vergessen werden: Die Vorlage für ein Bundesgesetz über Prävention und Gesundheitsförderung ist im September 2012 im Parlament gescheitert!

Keine zentralisierte Lösung

Die heutigen Rechtsgrundlagen sind demnach vollkommen ausreichend, um eine effiziente Präventionspolitik sicherzustellen, die den Bedürfnissen der Risikogruppen Rechnung trägt. Eine zentralisierte Lösung, welche die Anstrengungen der einzelnen Branchen unterminieren oder gar lähmen würde, ist nicht wünschenswert. Die Wirtschaft hat signifikante Präventivmassnahmen stets unterstützt.

Berset und das «Überschüssige»

2015 unterzeichneten zehn Schweizer Unternehmen auf Initiative des Bundesrats die sogenannte «Erklärung von Mailand». Damit verpflichteten sich diese Unternehmen der Lebensmittelindustrie und des Detailhandels, die Rezepturen ihrer Produkte zu überprüfen, um deren Zuckergehalt im Verlauf der nächsten Jahre schrittweise zu reduzieren.

Die Erklärung von Mailand zur Reduktion des Zuckergehalts in Lebensmitteln wurde bis 2024 verlängert und erhält immer mehr Gewicht. Bis auf Weiteres konzentriert sich der Text auf Joghurts und Cerealien. Doch wie Sozialminister Alain Berset verkündet hat, wurde nun auch die Salzreduktion in die Erklärung aufgenommen. So will man insbesondere dem «überschüssigen» Salz in Saucen oder Brot den Garaus machen. Nach dem Zucker also nun das Salz, und nach der Industrie das Gewerbe...

Die Jagd auf «ungesunde Lebensmittel» ist in Bern en vogue. So hat beispielsweise das Bundesamt für Umwelt (BAFU) ein Merkblatt für Apéro-Organisatoren veröffentlicht. Dieses enthält eine Reihe von Empfehlungen für «umweltfreundliche Verpflegung». Demgemäss sollten sich Buffets zu mindestens zwei Dritteln aus vegetarischen Produkten zusammensetzen. Letztere sollten überdies vorn platziert werden, d. h. vor fleischhaltigen Produkten. Der allerletzten Meinungsumfrage des Forschungsinstituts gfs.bern zufolge wünschen die Schweizerinnen und Schweizer jedoch keine derartige Bevormundung.

Aus der diesjährigen Umfrage geht weiter hervor, dass in den Augen der Befragten der Konsument selber den grössten Beitrag für einen gesunden Lebensstil leisten soll.

Ausserdem erklären sich rund 85 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer mit der Aussage «[der] Konsument allein ist für ausgewogene Ernährung verantwortlich» einverstanden.

Reine Symptombekämpfung

«Mit generellen Verboten werden nur die Symptome und nicht die Ursachen bekämpft», sagt Urs Wellauer, der Direktor des Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verbands (SBC). «Die Erziehung zur Eigenverantwortung entfällt. Nicht nur die Einschränkungen der persönlichen Freiheit der Bürgerinnen und Bürger, sondern auch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind enorm.» Wellauers Meinung nach hat sich die Morallehre nun ins ­Essen verbissen und ersetzt das Essensverhalten mittlerweile die Religion. «Die Massnahmen entwickeln sich zum Volkserziehungsinstrument», so Wellauer weiter. Er findet, dass wir vor lauter Vorschriften und Ermahnungen vergessen, zu geniessen: «Der Genuss bleibt auf der ­Strecke.»

Wer kommt als Nächstes dran?

Wie alle Lebensmittel sind Salz und Zucker nicht an und für sich gesundheitsschädlich. Es steht dem Bundesrat nicht zu, den Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, wie sie sich verhalten sollen. Die Konsumentinnen und Konsumenten sind freie Bürger – und gross genug, um verantwortungsvoll und nicht selbstzerstörerisch zu handeln. In einer Zeit, wo man uns «Flugscham» einreden will, stellt sich die Frage, welches Nahrungsmittel oder Konsumgut als Nächstes auf der Abschussliste steht. Wann folgt die Steuer auf Fleisch und auf Kosmetikartikel? Wir bleiben gespannt...

Hélène Noirjean, Ressortleiterin sgv

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