Publiziert am: 22.09.2017

Zurück an den Absender schicken

RAUMPLANUNG – Die Auswirkungen der letzten Revision sind noch nicht bekannt. Es ist viel zu früh für einen neuen, mit starren Bestimmungen gespickten Entwurf des Raumplanungsgesetzes (RPG). Deshalb muss das Ganze zurück an den Absender.

Viel zu früh und zu viel wenig ausgereift: So kann die zweite Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG) bezeichnet werden. Die Vernehmlassung dazu dauerte bis Ende August. Es liegt auf der Hand, dass eine gut durchdachte Raumplanung von grosser Wichtigkeit ist. Unser Land verfügt nicht über eine grenzenlose Fläche. Es gilt also, verdichtetes Bauen zu fördern, um das Kulturland mit Mass zu schützen und die Thematik von Überbauungen ausserhalb von Bauzonen unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Interessen anzugehen. Dennoch: Damit eine erneute Änderung des Gesetzes eine weitreichende Wirkung erzielen kann, sollte sie erst dann eintreten, wenn die erste Etappe richtig umgesetzt und die Auswirkungen evaluiert worden sind.

Grundlegend unvollständig

Der neue RPG-Entwurf folgt gerade einmal vier Jahre nach dem Volks-Ja zur ersten Revision. Nach Ansicht des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv ist es zu früh, eine zweite Revision in Angriff zu nehmen, solange die Folgen der ersten noch nicht bekannt sind. Das Projekt enthält einen neuen Ansatz, der darauf abzielt, den Kantonen in Bezug auf das Bauen ausserhalb von Bauzonen mehr Handlungsfreiraum einzuräumen. Angesichts der Zuständigkeit der Kantone für die Raumplanung ist – oder eben: wäre – dies eine gute Sache. Mit dem zunehmenden Druck auf die Landwirtschaftszonen ist die Ausarbeitung einer klaren und transparenten Reglementierung bei gleichzeitiger Erweiterung des Handlungsspielraums für die Kantone angezeigt.

«RAUMPLANUNG 
SOLL NICHT NUR 
SCHÜTZEN. SIE MUSS AUCH NÜTZEN.»

Hier ist jedoch das Gegenteil der Fall! Die Lockerung der kantonalen Vorschriften ist mit einem Kompensationsansatz verbunden. Das bedeutet: Jede Bewilligung für eine Überbauung ausserhalb der Bauzone müsste systematisch an einem anderen Ort und in angemessenem Umfang kompensiert werden. Dabei sind jedoch lokale Eigenheiten zu berücksichtigen. Das vorgeschlagene System ist deshalb viel zu streng, die Umsetzung unklar und weit entfernt von der Realität.

Diese sehr stark regulierten Bestimmungen schränken die Kompetenzen der Kantone ein. Es sind aber die kantonalen Behörden, welche über die Kompetenz auf diesem Gebiet verfügen; und es ist nicht akzeptabel, sie mittels immer detaillierteren und komplexeren Bestimmungen zu bevormunden.

Und die Wettbewerbsneutralität?

Die Tatsache, dass die Landwirtschaft die gleichen Dienstleistungen anbieten kann wie das Gewerbe, dies jedoch auf günstigerem Boden, weist auf einen klaren Wettbewerbsvorteil für die Bauern hin. Daher ist es von wesentlicher Bedeutung, dass das Raumplanungsgesetz das Prinzip der Wettbewerbsneutralität enthält. Dies scheint im vorliegenden Entwurf vergessen worden zu sein. Ist dies bloss ein – wenn auch bedeutsamer – Lapsus? Das Gesetz muss diesen Punkt auf jeden Fall klar definieren und darf keine Massnahmen enthalten, die zu einer (noch) stärkeren Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Aktivitäten der Paralandwirtschaft und des Gewerbes führen können.

Neue und unklare Konzepte

Für den sgv ist klar: Die Raumplanung ist kein Selbstzweck und darf nicht ausschliesslich Planung, Verhinderung und Verbot umfassen. Das Modell sollte nicht starr sein, sondern flexibel werden. Das vorliegende Projekt führt zu einer Versteifung der Raumplanung und einer Schwerfälligkeit der Prozesse. Man darf hier nicht vergessen, dass die Raumplanung nicht nur eine Schutzfunktion übernehmen, sondern auch der Wirtschaft und Gesellschaft dienen soll. In jedem Fall muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Diese übereilte Vorlage der zweiten Etappe der RPG-Revision führt zu neuen Konzepten, die zwingend präzisiert werden müssen, um jegliche Rechtsunsicherheit zu vermeiden. Es ist daher angebracht, die Vorlage – mit realistischeren Konzepten versehen – an den Absender zurückzuschicken.

Héléne Noirjean,
Ressortleiterin sgv

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