Publiziert am: 20.01.2017

Zwischen Seriosität und Utopie

FIRMENBEWERTUNG – helpy-Experte Hans Jürg Domenig hat die Erfahrung, die es braucht, um den Wert von Firmen richtig einschätzen zu können. Auf was kommt es wirklich an?

Wer möchte nicht seine Firma für eine Million oder mehr verkaufen? Doch was ist ein realistischer Preis? Am Stammtisch sind abenteuerliche Berechnungen zu hören, wie zum Bespiel ein Viertel des Umsatzes als Goodwill, plus das Warenlager. Doch leider lassen sich nicht alle Firmen über einen Kamm scheren. Die Festlegung eines realistischen und am Markt erzielbaren Verkaufspreises fällt nicht nur Unternehmern schwer, sondern oft auch Fachleuten. Denn für den Käufer zählt der Firmenwert der Zukunft. Einfach nur auf die Vergangenheit zu schielen und diese Zahlen auf die Zukunft zu extrapolieren, greift zu kurz. Hier braucht es neben einer fundierten Firmenbewertung auch Erfahrung, was für Preise am Markt erzielt werden können. Für ein börsennotiertes Unternehmen gibt es einen Aktienkurs. Für ein Unternehmen, für das es mehrere Käufer gibt, kann in einem Bieterverfahren der Marktwert gefunden werden. Was aber ist bei einem KMU, das froh ist, überhaupt einen Nachfolger zu finden? Oder zu welchem Preis soll ein Unternehmen an Mitarbeiter oder Familienangehörige verkauft werden? Was ist ein fairer und realistischer Preis? Nicht selten enden falsche Preisvorstellungen nach jahrelanger vergeblicher Käufersuche in der Liquidation des Unternehmens.

Gleiches ist nicht gleich viel wert

Der richtige Schritt zur Preisfindung erfolgt immer von zwei Seiten. Erstens wird anhand verschiedener Bewertungsmethoden eine Bandbreite errechnet, in der sich der Verkaufspreis einpendelt. In der Praxis gibt es verschiedene Firmen­bewertungs­methoden, die alle zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Die wichtigsten sind:

n  Ertragswertmethode: errechnet aus den Gewinnen der Vergangenheit den Firmenwert

n  Substanzwertmethode: addiert ­alle Vermögenswerte abzüglich der Schulden

n  Praktikermethode: ist gleich zweifacher Ertragswert plus Substanzwert geteilt durch drei

n  Wiedererrichtungswert: wie teuer wäre die komplette Wiederherstellung eines Betriebes

n  Multiple-Faktor: Multiplikation z. B. des Umsatzes oder Cashflows mit einem Faktor

n  Discounted Cashflow: Berechnung der Verzinsung des zukünftigen Ertrags

n  Liquidationswert: Bewertung zu realisierbaren Verkaufspreisen der Vermögenswerte

Zweitens wird bei möglichen Käufern anonym die Kaufbereitschaft getestet. In unserer Verkaufspraxis erlebe ich sowohl, dass der Verkaufspreis viel zu hoch, aber auch, dass die Preisvorstellung zu tief angesetzt wird. Die Erfahrung zeigt, dass je nach Unternehmen und Branchen bei gleichen Eckdaten ganz verschiedene Verkaufspreise erzielt werden können. Eine Faustformel, die oft von Banken angewendet wird, um ein Investment schnell zu prüfen, ist: Der Unternehmenskaufpreis muss sich in den nächsten fünf Jahren aus den eigenen Gewinnen refinanzieren lassen. Wird der Verkaufspreis zu hoch angesetzt, sind meistens die Investitionen und das Engagement der letzten Jahre zu stark gewichtet worden, denn für den Käufer zählt die Ertragskraft der Zukunft. Ist der Verkaufspreis zu tief angesetzt, wird meist der immaterielle Wert von Kundenstamm, Know-how und Markenname zu wenig geschätzt. Erst mit der jahrelangen Erfahrung aus der täglichen Firmenverkaufspraxis entwickelt sich die Fähigkeit, realistisch einschätzen zu können, zu welchem Preis ein Unternehmen verkauft werden kann.

Hans Jürg Domenig

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