Publiziert am: 09.12.2022

Eine Idee voller Pferdefüsse

Klima – Entwicklungsländer verlangen von den Industrieländern Reparationszahlungen für Verlusteaufgrund des Klimawandels. Diese Überlegung verkennt nicht-industrielle Treiber der Klimaerwärmung.

Eines der «interessantesten» Ergebnisse der vergangenen Klimakonferenz der Vereinten Nationen ist die Einrichtung eines Fonds für Reparationszahlungen. Während sich die Schweiz und vergleichbare Länder auf die Minderung der Treibhausgasemissionen konzentrieren, treten die Entwicklungsländer für dieAdaptation an den Klimawandel ein. Gerade aus Sicht der ägyptischen Konferenz-Präsidentschaft ist dieser neue Fonds ein Grosserfolg. Die Überlegung hinter der Adaptation ist: Der Klimawandel findet statt. Menschen und Staaten müssen lernen, mit ihm umzugehen. Klima-bedingte Schäden sind seit der Industrialisierung eingetreten. So müssen die bereits industrialisierten Länder den Entwicklungsländern eine Ausgleichszahlung für den bereits eingetretenen Verlust leisten. Das nennt man «Loss». Doch die Entwicklungsländer sind gemäss dieser Überlegung noch auf einer anderen Art benachteiligt. Um die Welt-Klimaziele zu erreichen, werden sich diese Länder nicht im gleichen Umfang industrialisieren können wie die Entwickelten. D. h. sie erleiden einen Schaden aus entgangenen Entwicklungsmöglichkeiten. Dieser Schaden ist auch finanziell gutzumachen. Das nennt man «Damage».

1,5 Grad-Ziel Ade

«Loss and Damage» ist eine weitreichende Theorie. Sie würde letztlich bedeuten, dass die Schweiz den Wohlstandsunterschied mit Afrika ausgleichen müsste. Doch diese Überlegung ist voller Pferdefüsse. Sie verkennt nicht-industrielle Treiber der Klimaerwärmung. Dazu gehören etwa Bevölkerungswachstum, Landverbrauch, Entwaldung oder auch kulturelle Eigenheiten wie das Kochen. Bezieht man diese Faktoren ein, ist die Kausalität zwischen Industrialisierung, «Loss» und «Damage» nicht aufrechtzuerhalten, wie der Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC dies in einem Bericht untersuchte. Zudem: Durch diese Diskussion wird der Fokus von der Treibhausgasemission abgelenkt. Je stärker die Adaptation betont wird, desto unwahrscheinlicher wird das Erreichen des 1,5- Grad-Ziels, der vom Bundesrat mandatierten Maxime für Klimakonferenzen. Worauf haben sich nun die Vertragsstaaten des Klimaübereinkommens der Vereinten Nationen geeinigt? Sie fanden einen – faulen – Kompromiss. Die vulnerabelsten Länder – was das immer sein soll – sollen Geld erhalten. Damit erhalten China, Brasilien und Indien keines; aber auf der anderen Seite müssen sich die Geldempfänger auch nicht verpflichten, das Geld für Klimaschutz einzusetzen.

Selbstverständlich wird auch eine neue Struktur ins Leben gerufen. Mit einem Verwaltungsrat und einem Sekretariat. Wie sie genau aussieht, muss an den nächsten Klimakonferenzen verhandelt werden. Ebenso muss darüber diskutiert werden, welches Land wie viel in diesen Fonds einzahlt. Wird die Schweiz auch bezahlen müssen? Das ist sehr wahrscheinlich. Obschon die Schweiz heute schon einen überproportionalen Beitrag zur Klimafinanzierung leistet. Das «Carbon Brief», ein Nichtregierungsinstitut, das Daten zur Klimapolitik recherchiert und zusammenstellt, hat den «fairen Anteil» der globalen Klimafinanzierung im Verhältnis zur globalen Wertschöpfung gesetzt. Die Schweiz leistet einen Beitrag von 436 Prozent (siehe Grafik). Und trotzdem wird sie mehr geben müssen …Sc

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