Publiziert am: 20.01.2023

Tendenziös und qualitativ mangelhaft

ENERGIE – Das Nuklearforum Schweiz kritisiert den vom Bundesrat veröffent­lichten Bericht zur Energiestrategie 2050. Er komme zu dem offenbar politisch gewünschten, einseitigen Ergebnis über die Kernenergie, sagt dessen Präsident, sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler.

Seit Weihnachten produziert im finnischen Olkiluoto ein neues Kernkraftwerk (KKW) Strom. Immer mehr Länder, darunter Holland, Schweden und eben Finnland, wollen die Energiewende mit neuen KKW meistern. Nur die Schweiz befindet sich diesbezüglich im Tiefschlaf – leider.

Doch das ist politisch so gewollt. Statt technologieoffen zu planen, will der Bund in künftigen Wintern einfach massiv mehr Strom importieren. Dieser Plan dürfte allerdings kaum aufgehen. Denn kommt es hart auf hart, schauen die meisten Länder zuerst für sich selbst.

Politische Färbung

Die politische Färbung zur Kernkraft zeigt sich auch im jüngst vom Bundesrat verabschiedeten 5-Jahres-Bericht zur Energiestrategie 2050. Der Bundesrat hat der Bundesversammlung gemäss Kernenergiegesetz Bericht über die Entwicklung der Kerntechnologie zu erstatten.

Dieses sogenannte nukleare Technologie-Monitoring der letzten fünf Jahre kommt zum Schluss, «dass hier in absehbarer Zeit keine Durchbrüche zu erwarten sind, die das im Gesetz verankerte Verbot für die Erteilung von Rahmenbewilligungen für neue Kernkraftwerke infrage stellen.»

Verzerrt dargestellt

«Diese Schlussfolgerung ist nicht nachzuvollziehen», kritisiert Hans-Ulrich Bigler, Präsident des Nuklearforums Schweiz und Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv. Die enormen technologischen Fortschritte und Entwicklungen der Kerntechnik würden maximal im Ansatz und häufig verzerrt dargestellt.

«die Schweiz ist auf diesem Auge weiterhin blind.»

In seiner Kernaussage widerspricht sich der Bericht selbst: Einerseits erwarte er keine «Durchbrüche in absehbarer Zeit», andererseits spricht der Bericht von «erheblichen Fortschritten» bei neuen Reaktordesigns. Viele weitere Aussagen sind mangelhaft recherchiert oder weisen Fehler auf.

So stellt der Bericht fest, «dass Kernkraftwerke im Dauerbetrieb (Bandlast) betrieben werden müssen und wenig Flexibilität aufweisen, was sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt». Richtig ist vielmehr, dass neuere KKW der Generation III bereits heute über entsprechende Lastwechselfähigkeiten verfügen.

Ausserdem kommt eine Ende Oktober veröffentlichte Studie der OECD/NEA zu dem Schluss, dass in der Schweiz ein Energiesystem mit Kernkraft wirtschaftlich attraktiver ist als eines ohne Kernenergie.

Keine kompetenten Quellen

Die Verfasser dieses Berichts hätten sich mit dem Technologie-Monitoring für die Kernenergie nicht mehr Mühe als nötig gemacht und offenbar keine kompetenten externen Quellen in der Schweiz genutzt, kritisiert Bigler. «So kommt der Bericht dann auch zu dem offenbar politisch gewünschten einseitigen Ergebnis über die Kernenergie, welches das Technologieverbot mit fadenscheinigen Gründen manifestieren soll. Während zahlreiche Länder diese neuesten technologischen Entwicklungen und Potenziale der Kernkraft konkret für ihre Stromversorgung und Klimaschutzmassnahmen nutzen möchten, ist die Schweiz auf diesem Auge weiterhin blind.»

Bereits im Oktober erklärte der sgv-Direktor in einem Interview in dieser Zeitung, dass Kernkraft auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgung leisten kann. Hierfür müsse aber das Neubauverbot für KKW fallen. Die Frage sei, wann diese Forderung eine Mehrheit findet.

«Es braucht hierzu wohl das politische Momentum», sagte Bigler damals. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was die Bevölkerung denkt. Die jüngste Umfrage des Nuklearforums zeigt, dass eine Mehrheit der Schweizer die weitere Nutzung der Kernenergie befürwortet.pd/hug

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