Publiziert am: 17.02.2023

«Das versteht kein Mensch»

REGULIERUNG – Dass Grenzgänger derzeit ihr Privatauto nicht für geschäftliche Zwecke nutzen dürfen, führt zu absurden Situationen – und stellt KMU in der Grenzregion vor grosse Probleme. Das zeigt ein Beispiel aus dem Kanton Graubünden.

Cornelia Clavadätscher Grob kann nur den Kopf schütteln. Sie kämpft derzeit mit einer unsinnigen Regelung in der Zollverordnung, die in der Vergangenheit zu keinerlei Problemen geführt hatte. Das änderte sich jedoch im letzten Sommer, als eine ihrer angestellten Grenzgängerinnen vom Zoll angehalten wurde. Seither muss sie ihre Arbeitskräfte ganz anders einteilen.

Clavadätscher Grob führt im Oberengadin zusammen mit ihrem Bruder ein KMU, das sich auf die Vermietung von Ferienwohnungen in der Region spezialisiert hat. Für die Reinigung dieser Liegenschaften hat die Firma gut 30 Grenzgängerinnen aus Italien angestellt – mit Schwankungen je nach Saison.

«Wir sind sehr froh um sie, denn wir finden für diese Arbeit in unserer Region leider einfach keine Schweizer», sagt die KMU-Chefin. Die Grenzgängerinnen verdienten mit der Arbeit in der Schweiz wiederum gutes Geld, und sie zahlten hier Quellensteuer. «Wir haben die Frauen mit Jahresverträgen angestellt und zahlen für sie Sozialabgaben», sagt Clavadätscher Grob.

Unverständliche Regel

Man dürfte also meinen, das Ganze sei eine Win-win-Situation, wäre da eben nicht diese Regelung. Laut dieser dürfen Grenzgängerinnen ihr Privatauto nicht für geschäftliche Zwecke nutzen. Das heisst, bevor sie eine Wohnung zur Reinigung anfahren, müssen sie das Auto wechseln und in ein Geschäftsauto umsteigen. Bis zur Kontrolle im letzten Sommer ging das noch ohne Probleme im Privatauto. «Das war gängige Praxis in der Region», sagt Clavadätscher Grob.

Sie hat sich diesbezüglich auch mit anderen Unternehmen ausgetauscht, die ähnliche Probleme und ebenfalls Grenzgänger angestellt haben. Ihr Fazit aus diesen Gesprächen: «Alle haben mir bestätigt, dass sie von dieser Regel noch nie etwas gehört haben.» Die Reaktion sei immer dieselbe gewesen: «Das versteht kein Mensch.»

Absurde Folgen

Die Folgen sind teilweise absurd, wie folgendes Beispiel zeigt: Liegt eine Wohnung zur Reinigung nahe an der Grenze, darf die Grenzgängerin diese nicht direkt ansteuern. Sie muss zuerst zum Firmensitz fahren – und von da mit dem Geschäftsauto zurück zu ebendieser Wohnung. Im Extremfall liegt die Wohnung gar direkt an der Strecke ins Geschäft.

«Das frisst viel Zeit und ist ein ökologischer wie auch wirtschaftlicher Blödsinn», fasst Clavadätscher Grob die Situation zusammen. Um die Regel umzusetzen, müsste ihre Firma zig Geschäftsautos für die Reinigung anschaffen, obwohl diese Tätigkeit nicht einmal ihr Kerngeschäft ist. «Das wäre mit enormen Kosten verbunden.» Ausserdem seien Parkplätze rar, und etliche Autos stünden in der Nebensaison dann trotzdem ungebraucht herum.

«Auch unsere Grenzgängerinnen verstehen das nicht», sagt die Geschäftsfrau. «Wir entschädigen sie ja für die Fahrt im Privatauto.» Um das Gesetz einzuhalten, hat sie mittlerweile ihre Putzfrauen anders organisiert und musste Fahrzeuge anschaffen. Die Arbeitsabläufe sind jedoch viel komplizierter.

Motion soll helfen

Sie hofft deshalb stark, dass der Nationalrat die Motion des Bündner FDP-Ständerats Martin Schmid annimmt. Diese fordert, dass Grenzgänger und Wochenaufenthalter ihre im Ausland registrierten Privatfahrzeuge künftig für geschäftliche Zwecke im Rahmen ihrer Anstellung in der Schweiz nutzen können (vgl. Artikel unten).

«Das frisst viel Zeit und ist ein ökologischer wie auch wirtschaftlicher Blödsinn.»

«Das würde uns den Alltag sehr erleichtern», sagt Clavadätscher Grob, und für eine gängige, gelebte Praxis die Rechtsgrundlage schaffen. Das gleiche Problem stelle sich nämlich nicht nur bei ihrem KMU, sondern beispielsweise auch bei Grenzgängern auf dem Bau. So dürften Bauleiter die Baustelle nur mit dem Geschäftsauto besichtigen, nicht aber mit dem Privatwagen. «Absurd.»

Rolf Hug

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