Publiziert am: 03.02.2023

Ein Paradies für Regulierungswütige

UTOPIE – An der 15. Biodiversitätskonferenz einigten sich die teilnehmenden Länder, darunter die Schweiz, 30 Prozent der Fläche für die Biodiversität bereitzustellen – und auf viele weitere Ziele. So sollen Unternehmen offenlegen, wie sich ihre Aktivitäten auf die biologische Vielfalt auswirken. Massenhaft Regulierungen sind absehbar. Ausserdem geht es um die Umverteilung von viel Geld.

«Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework» – so heisst das neue Artenschutzabkommen, das im Dezember 2022 an einem Gipfel der Vereinten Nationen beschlossen wurde. Die Vision dieses Rechtstextes ist nichts Minderes als: «Im Jahr 2050 soll der Mensch vollkommen im Einklang mit der Natur leben.»

«30 Milliarden US-Dollar sollen bis 2030 pro Jahr für den Schutz der biologischen Vielfalt in den globalen Süden fliessen.»

DafĂĽr setzen sich die Staaten vier langfristige Ziele bis 2050 (Goals) und 23 Ziele, die sie bis 2030 gemeinsam erreichen wollen (Targets).

Die kurzfristigen Ziele lesen sich eher als Regulierungsmassnahmen. Die wohl bedeutendste ist das 30-Prozent-Ziel: «Mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresfläche soll unter effektiven Schutz gestellt werden, vor allem Gebiete mit hoher biologischer Vielfalt, die besonders schützenswert sind. Die Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften sollen dabei gewahrt werden (Target 3).»

Viele Ziele …

Doch auch andere kurzfristige Ziele haben es in sich. Zum Beispiel: «30 Prozent der geschädigten Ökosysteme an Land und im Meer sollen bis 2030 renaturiert werden (Target 2).» Und: «Der Eintrag von Düngemittelüberschüssen in die Umwelt und die Risiken durch Pestizide und sehr gefährliche Chemikalien sollen bis 2030 halbiert werden (Target 7).»

Zudem gibt es Ziele zur Lebensmittelverschwendung (Target 6) und zur Berichterstattung: Unternehmen und Finanzinstitutionen sollen offenlegen, wie sich ihre Aktivitäten auf die biologische Vielfalt auswirken (Target 15).

… viel Geld

Sowohl die lang- als auch die kurzfristigen Ziele sollen Länder mit einer Biodiversitätsstrategie umsetzen. Diese wird von der Weltgemeinschaft in einem Prozess von Publikation und gegenseitiger Kritik kontrolliert. Selbstverständlich werden die Ziele auch finanziert. So sieht das Paket vielfältige Geldströme an Entwicklungsländer vor:

• 30 Milliarden US-Dollar (USD) sollen bis 2030 pro Jahr für den Schutz der biologischen Vielfalt aus Ländern des globalen Nordens in den globalen Süden fliessen, 20 Milliarden USD bereits im Jahr 2025 – staatliche und private Mittel (Target 19).

• 200 Milliarden USD pro Jahr sollen weltweit insgesamt bis 2030 mobilisiert werden für den Schutz der biologischen Vielfalt – in allen Ländern zusammen (Target 19).

• 500 Milliarden USD an biodiversitätsschädlichen Anreizen sollen bis 2030 weltweit abgebaut werden, das betrifft insbesondere Subventionen (Target 18).

• Global Biodiversity Framework Fund: Ein neuer Fonds wird gegründet, mit dem Ziel, die Umsetzung der globalen Vereinbarung zu unterstützen.

Hausaufgaben fĂĽr die Schweiz

Diese Beschlüsse müssen zunächst noch ins Landesrecht übernommen werden. Das ist eine Aufgabe des Parlaments. Das wohl Einschneidendste wird die Flächenausscheidung sein. Obwohl die Schweiz etwa 32 Prozent Waldfläche hat und 17 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche biologisch bewirtschaftet, ist davon auszugehen, dass dies nicht ausreicht (vgl. Interview Seite 2). Denn das Land legt solche Verträge strikt aus.

Doch auch andere Ziele werden Regulierungsmassnahmen verlangen, zum Beispiel die Berichterstattung oder der Umgang mit Lebensmitteln. Und die internationale Finanzierung muss auch erst bereitgestellt werden. Diskussionsstoff für die nächste Legislatur.

Henrique Schneider,

stv. Direktor sgv

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