Publiziert am: 17.02.2023

Motorradland Schweiz

MOTO-NEUHEITEN 2022 – Mit fast 50 000 Neuzulassungen hat sich der Schweizer Motorrad- und Rollermarkt nach den Rekordabsätzen der Corona-Jahre 2020/21 auf hohem Niveau eingependelt. Die Absatzzahlen der vergangenen Saison 2022 liegen deutlich über den Zahlen vor der Pandemie.

Kein anderes Land in Europa besitzt, prozentual zur Bevölkerung gemessen, eine so hohe Motorraddichte wie die Schweiz. Der Bestand an immatrikulierten (eingelösten) Motorrädern beträgt gemäss der Schweizerischen Fachstelle für Motorrad und Roller (SFMR) in der Schweiz mehr als eine halbe Million Fahrzeuge. Hinzu kommen noch eine Viertelmillion Roller und Motorfahrräder. Die im Branchenverband motosuisse vereinten 27 Landesimporteure setzen zusammen mit rund 700 Fachbetrieben pro Jahr mehr als eine Milliarde Franken um. 2022 wurden exakt 48 693 Motorräder und Roller in Helvetien neu eingelöst. Das entspricht einem Plus von 17,4 Prozent im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr ohne Pandemieeinfluss.

125er Boom, starke Oberklasse

Motorräder und Roller bis 125 cm3 Hubraum und mit maximal 15 PS (11 kW) Motorleistung dürfen seit 2021 wie im übrigen Europa auch in der Schweiz ab 16 Jahren gefahren werden können. Innert Jahresfrist hat sich diese Klasse zum zahlenmässig stärksten Hubraumsegment des Motorradmarkts entwickelt. Nur die in der Schweiz traditionell dominierende Motorrad-Oberklasse mit mehr als 1000 cm3 Hubraum kann trotz des Wegfalls des Direkteinstiegs in die unlimitierte Oberklasse mit ähnlich hohen Zulassungszahlen aufwarten.

Jede Menge Elektronik für Fahrer und Fahrzeug

Motorrad, Fahrer und Umwelt werden analog zur Entwicklung im Automobilsektor immer stärker vernetzt. Via Smartphone und Multimedia-Plattformen wird telefoniert und Musik gehört. Die Helm-Kommunikationssysteme und Sprach-Controller werden immer präziser und leistungsfähiger. Brandneu sind in der Oberklasse radargesteuerte Assistenzsysteme für Abstandserkennung, Kollisionswarnung und sogar assistierte Notbremsungen, während Traktionskontrollen, unterschiedliche Fahrmodi, Quickshifter (Gangwechsel ohne Kupplungsbetätigung), Ride-by-Wire-Gassteuerungen, elektronisch geregelte Aufhängungen, Kurven-ABS, Kurven-Licht und LED-Rundumbeleuchtung selbst in der Mittelklasse und bei Grossrollern teilweise zur Standardausrüstung gehören. Motorenpower allein genügt heute nicht mehr, um die Motorradkundschaft anzulocken, obwohl diverse renommierte Hersteller bei ihren Hightech-Motorrädern die 200-PS-Grenze überschritten haben.

Sorgenkind E-Motorrad

Die Elektrotechnik setzt sich bei Rollern und zweirädrigen Nutzfahrzeugen, die fast ausschliesslich im urbanen Bereich eingesetzt werden, unaufhaltsam durch. Die Post wird heute längst mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen ausgeliefert. Bei den grossen Motorrädern jedoch, die vorwiegend ausserorts als Freizeit- und Hobbyfahrzeuge sowie auf mittleren und langen Strecken eingesetzt werden, sind aus technischen Gründen noch keine wirtschaftlich attraktiven Alternativen zu herkömmlich angetriebenen Modellen auf dem Markt. «Wohin mit dem Strom?» lautet die entscheidende Frage, denn erstens ist bei einem Motorrad der Platz für Stromspeicher konstruktionsbedingt äusserst beschränkt, und zweitens werden die Schnelllade-Stationen für Autos vorwiegend auf der Autobahn und nicht auf Alpenpässen und einsamen Landstrassen platziert.

Die günstige «Goldene Mitte»

Modern ausgestattete Mittelklasse-Motorräder mit attraktivem Preis-Leistungs-Verhältnis liegen stark im Trend, insbesondere bei Neueinsteigern seit dem Wegfall des Direkteinstiegs in die Oberklasse. Alle diese Mittelklasse-Bikes sind in gedrosselten 48 PS (35 kW-)-Versionen für den Führerschein A2 (ab 18 Jahren) lieferbar.

Die bisher dominierende Yamaha MT-07 und die ähnlich erfolgreiche Kawasaki Z650 haben ernsthafte Konkurrenz bekommen. Der Reihenzweizylinder der vollgetankt 190 kg leichten Honda CB 750 Hornet leistet stramme 92 PS, das sind fast zwanzig PS mehr als MT-07 / Z650. Darüber hinaus ist die «Hornisse» topmodern ausgestattet und preislich extrem attraktiv.

Die ebenfalls unverkleidete, brandneue Suzuki GSX-8S greift mit einem fast identischen Konzept und einem Reihenzweizylindermotor mit 83 PS in der Mittelklasse an.

Auch die neuen Mittelklasse-Enduros Honda XL 750 Transalp und die Suzuki V-Strom 800 DE visieren eine Kundschaft an, für die weniger mehr sein kann. Beide sind identisch motorisiert wie ihre Strassenschwestern CB 750 Hornet und GSX-8S, aber bieten mit langen Federwegen und 21-Zoll-Vorderrädern mehr Komfort und sind auch für leichte Geländeeinsätze und Langstrecken geeignet.

Sportlich unterwegs mit oder ohne Kleider

Aus ganz anderem Holz bzw. Aluminium ist die Aprilia RS 660 Extrema geschnitzt. Die 100 PS der konsequent auf Sport getrimmten Primadonna aus Italien haben es mit vollgetankt nur 169 kg zu tun. Erfahrene Sportfans kommen bei diesem hochwertig ausgestatteten Sportflitzer voll auf ihre Rechnung. Ebenfalls viel Erfahrung benötigt, wer sich eine BMW M1000R oder M1000RR anschaffen will. Der Reihenvierzylinder der unverkleideten Maschine (Naked Bike) leistet grandiose 210 PS (RR sogar 212 PS). Diverse Spoiler (Winglets) und ein Paket mit allen erdenklichen elektronischen Assistenzsystemen helfen dem Fahrer, vom Orkan nicht weggefegt zu werden.

«Nur» 115 PS, aber deswegen nicht zwingend langsamer ist die Moto Guzzi V100 Mandello. Die erstmals mit einem flüssigkeitsgekühlten V2-Motor ausgerüstete Italienerin ist nun in endgültiger Version auf dem Markt verfügbar und spricht dank ihrer Polyvalenz und der modernen Aufbereitung ein breiteres Publikum an als die früheren, charismatischen Modelle aus Mandello del Lario am Comersee. Triumph hat seinen seit Jahren erfolgreichen, unverkleideten Mittelklasse-Sportler Street Triple gründlich überarbeitet und bringt nun gleich drei neue Versionen auf den Markt. Neben der Basis Triumph Street Triple 765 R mit 120 PS-Dreizylinder gibt es die noch edler ausgestattete Street Triple 765 RS und die Sonderversion Street Triple 765 moto2 (Triumph ist Motorenlieferant der Moto2-Klasse im MotoGP-Zirkus) mit je 130 PS.

Luxus und sogar Radar-Technologie

Auch für das Tourenvolk gibts Neues: Honda stellt dem Cruiser 1100 Rebel mit anderer Ergonomie und Gepäcktaschen eine Tourenversion Honda 1100T zur Seite. Cruiser-Spezialist Harley-Davidson bringt zum 120. Geburtstag gleich sieben Anniversary-Spezialmodelle, darunter die üppigst ausgestattete und edel lackierte Harley-Davidson Road Glide Special Anniversary mit 1868 cm3 Hubraum und 95 PS aus einem gigantischen V2-Triebwerk.

Der neue Sporttourer Yamaha Tracer GT+ (Dreizylinder, 115 PS) verfügt als erstes japanisches Motorrad über eine adaptive Temporegelung. Radargestützt wird der Abstand zum Vordermann via Sechsachsen-IMU und per Kombibremssystem angepasst und das Fahrwerk entsprechend reguliert.

Zurück in die Zukunft

Der seit Jahren erkennbare Vintage-Trend bleibt ungebrochen. Bikes mit cooler Optik, verbunden mit Polyvalenz, elektronischer Vernetzung, spielerischer Fahrbarkeit und Individualisierungsmöglichkeiten finden vor allem beim urbanen Töffvolk Anklang. Mit der preisgünstigen Honda CL 500 versuchen die Japaner, diesen Trend auch beim Einsteigervolk erfolgreich zu machen. Die indische, sehr nostalgisch wirkende Royal Enfield Super Meteor 650 zielt mit ihrem luftgekühlten 48-PS-Zweizylinder eher aufs traditionelle, nicht mehr ganz junge Töffvolk. Vergleichsweise topmodern wirkt dagegen trotz ihrem unzweifelhaften Retro-Charme die modern gestaltete Harley-Davidson Nightster Special 1250 mit dem flüssigkeitsgekühlten V2-Motor mit 90 PS.

Stromer erobern die City

Das junge Stadtpublikum wird vermehrt mit einfachst zu bedienenden, strombetriebenen Zweiradfahrzeugen geködert. Der Kleinroller Honda EM1 e: lockt wie ähnliche E-Produkte vorwiegend chinesischer Hersteller mit einer E-Fahrrad-ähnlichen Batterie-Ladetechnik. Das Kleinmotorrad Super Soco TC Max rennt im Sportmodus immerhin 90 km/h und ist für Neueinsteigende ab 16 Jahren im urbanen Umfeld gedacht, mehr als 100 km Reichweite liegen aber selbst bei stromsparendster Fahrweise nicht drin. Auf ein ähnliches «125er-Publikum» zielen die beiden adrett gestylten Kleinmotorräder Kawasaki Z EV und Kawasaki Ninja EV, die noch im Jahr 2023 auf den Markt kommen sollen. Genauere Angaben hat Kawasaki jedoch noch nicht bekannt gegeben.

Markus Lehner

motofestival Bern

Startschuss in die neue Töff-Saison

Vom 23. bis 26. Februar findet in den Berner Messehallen beim Stadion Wankdorf erstmals die neue, nationale Töff-Leitmesse «motofestival» als prickelnder Startschuss in die neue Töff-Saison statt – coronabedingt ein Jahr später als geplant. Die Höhepunkte: Die neuen Motorräder und Roller für 2023, Freestyle-, Stunt-, Trial- und Vintage-Shows, ein Mega-Foodfestival und am Samstagabend, 25. Februar, rockt die Schweizer Kult-Rockband Nr. 1, Gotthard, die Festhalle. Auch Stars und Persönlichkeiten wie Ex-GP-Pilot Tom Lüthi oder die frühere Weltklasseturnerin Giulia Steingruber sind für Interviews und Autogrammstunden vor Ort.

motofestival-Messeleiter Rafael Torres ist überzeugt, dass Publikumsmessen mit viel Action und Unterhaltung auch im digitalen Zeitalter eine Zukunft haben werden: «Töfffahren ist eine Leidenschaft. Man will gemeinsam mit Freunden etwas unternehmen und die Szene live erleben. Dieser Community-Gedanke macht die Töffszene einzigartig und lässt sich digital kaum vollständig umsetzen. Deshalb planen wir über das normale Messekonzept hinaus ein motofestival mit viel Action und fröhlich-positiver Grundstimmung. Wenn wir die letztjährigen Erfolge unserer anderen BERNEXPO-Publikumsmessen wie etwa der BEA mit 330 000 Besuchenden betrachten, sind die erhofften 55 000 Besucherinnen und Besucher für eine Erstausgabe ein ambitioniertes, aber realistisches Ziel.»ml

www.motofestival.ch

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