Publiziert am: 28.04.2023

Austausch ja – Anerkennung nein

TAIWAN – Der geopolitische Druck auf Taiwan ist schon immer hoch gewesen. Es scheint, er nehme sogar zu. Die Schweiz setzt hingegen auf ihre Ein-China-Politik. Diese lässt aber ein Fenster für Taiwan offen.

Ein-China-Politik bedeutet, dass die Schweiz die Volksrepublik China und Taiwan als ihren Bestandteil anerkennt. Mit anderen Worten: Die Schweiz erkennt die Unabhängigkeit Taiwans nicht an. Sie unterhält also keine diplomatischen Beziehungen zur Insel und kann auch keine Verträge mit ihr abschliessen. Trotzdem finden regelmässige Gespräche auf der Fachebene statt. Diese betreffen vor allem Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.

«Die Schweiz wird nicht von ihrer Ein-China-Politik abweichen.»

Heute ist die Wirtschaft in Taiwan «Hightech». Nicht nur der Technologiesektor, zu dem die Halbleiter- oder Microchip-Industrie gehört, ist führend. Auch die Branchen der Dienstleistungen und selbst die Landwirtschaft werden maschinell-digitalisiert geführt. Das bilaterale Handelsvolumen der Schweiz mit Taiwan betrug im Jahr 2021 3,7 Milliarden Franken – ohne Gold, Schmuck und Kunst.

Annäherung und Spannung

Die Beziehungen zwischen Taiwan und der Volksrepublik sind kompliziert. Vieles verbindet beide. Vieles trennt sie. Auf der wirtschaftlichen Ebene haben sich die Beziehungen in den letzten Jahren stark verbessert. 166 Milliarden Franken betrug das Handelsvolumen zwischen ihnen im Jahr 2020. Das Festland ist der wichtigste Handelspartner Taiwans, und die Insel ist der sechstwichtigste für die Volksrepublik. Aus der Sicht Pekings ist die Provinz Taipei sogar die grösste Direktinvestorin im Festland.

Die Dynamisierung der politischen Entfremdung erfolgte schleichend. In Taiwan setzte sich die lange herrschende Kuomintang stets für eine Annäherung ans Festland ein. Der ehemalige chinesische Präsident, Hu Jintao, priorisierte die wirtschaftlichen Beziehungen beider.

Doch der derzeitige Präsident, Xi Jinping, setzt auf seine, nationalistische, Version der Souveränität und will die Provinz enger an die Politik des Festlandes anbinden. In Taiwan wurde Tsai Ing-wen im Jahr 2016 an die Spitze der Regierung gewählt. Auch wenn sie der Frage der Unabhängigkeit gegenüber mehrdeutig bleibt, bekennt sich ihre Partei klar dazu. Das sorgt für Spannungen.

Die Rolle der Schweiz

Am 19. April 2023 publizierte der Bundesrat einen Bericht zum Verhältnis der Schweiz zu Taiwan. Darin hält er klar an der Ein-China-Politik fest. Doch er führt auch aus, wie die Schweiz auf der Insel durch TOSI vertreten wird, und welche offiziellen Fachgespräche zwischen Taiwan und der Schweiz laufen. Das TOSI ist das privatrechtliche Trade Office of Swiss Industries.

Der Bericht sagt: «Das TOSI vertritt im Auftrag des EDA die Interessen der Schweiz in Taiwan. Dazu gehören vor allem die Förderung des wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Austauschs sowie die Erbringung konsularischer Dienstleistungen, darunter die Ausstellung von Visa und die Unterstützung von Durchreisenden sowie der in Taiwan lebenden Schweizerinnen und Schweizer. Das TOSI verfügt zudem über ein Mandat von Schweiz Tourismus und arbeitet mit Switzerland Global Enterprise (S-GE) zusammen.»

Ein Freihandelsabkommen oder ein Investitionsschutzabkommen mit Taiwan hat die Schweiz nicht. «Der Bundesrat erachtet es angesichts des Gesamtkontextes und der internationalen politischen Lage aktuell nicht als zweckmässig, dieses Thema zu vertiefen.» Vermutlich sind beide auch nicht nötig, denn Taiwan setzt die WTO-Regeln durch, ist offen für Freihandel und hat ein stabiles Rechtssystem inklusive Eigentumsschutz.

Wie geht es weiter?

Die Schweiz wird nicht von ihrer Ein-China-Politik abweichen. Das wäre nicht nur unklug, es würde auch den Interessen des Landes widersprechen. Zudem ist mit sich intensivierenden Spannungen zwischen China und Taiwan zu rechnen. Diese werden die Welt und die Wirtschaft in Atem halten.

Experten geben aber insofern Entwarnung, als dass sie keinen Krieg erwarten. Peking ist angesichts des andauernden Widerstands der Ukrainer etwas verunsichert, was die Machbarkeit einer schnellen Einnahme der Insel betrifft. Und Taiwan will angesichts des Säbelrasselns jenseits der Meeresenge nicht provozieren.

Henrique Schneider,

Stv. Direktor sgv

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