Publiziert am: 28.04.2023

Sie rechnen mit dem Besten

Polen – Das Land an der Ostsee ist die eigentliche aufblühende Wirtschaft in der Europäischen Union. Im Wiederaufbau der Ukraine sieht Polen fast nur Chancen – und wagt mehr als alle anderen Länder.

Mit 40 Millionen Einwohnern, einem im langjährigen Durchschnitt um etwa 1,5 Prozent pro Jahr expandierenden Wirtschaftswachstum, einer freien Marktwirtschaft und einer Verwaltung, die konsequent auf Digitalisierung setzt, avanciert Polen Stück für Stück auf die wirtschaftlichen Podestplätze der Europäischen Union.

Seit der Invasion der Ukraine durch die Russische Föderation stellt sich Warschau an die Seite Kiews. Die einst in Brüssel entweder belächelten oder verhassten Nationalkonservativen avancierten zum Meinungsmacher, und machten so die EU zu den Verbündeten der Ukraine. Auch die anfänglich abgelehnten Waffen- und Munitionslieferungen und sogar die Überstellung von Jets sind letztlich Früchte polnischer Diplomatie.

Im Schatten dieser direkten Einwirkung bildet Polen auch eine Brücke zu Georgien. Auch jenes Land musste zusehen, wie russische Truppen vermeintliche autonome Republiken innerhalb georgischer Landesgrenzen «befreiten». Und weil 2008 Georgien keine Fürsprecher fand, lebt es immer noch mit der Invasion.

Einsatz fĂĽr das Landesinteresse

Es gibt viele Gründe für Polens Positionierung. Der wichtigste ist, dass das Land klar zwischen Partnern und Gegnern unterscheidet. Umso stärker setzt es sich für Partner ein. Ebenso massgeblich ist die absolute Verpflichtung der Politik und Verwaltung, dem Landesinteresse nachzugehen. Von aussen sieht es zuweilen nach Alleingang oder Egoismus aus. Doch Polen hat keine Angst, anzuecken.

Der wirtschaftspolitische Grund für Polens Aufstieg ist die Verpflichtung zu freien Märkten. Man darf nicht vergessen: Es waren Gewerkschaften, die sich dort für eine freie Gesellschaft und Wirtschaft engagiert hatten.

Chancen und Risiken

Chancen nutzen und dabei Risiken eingehen ist ein weiterer Grund für den polnischen Aufstieg. Er erklärt ebenfalls, warum Polens Wirtschaft den Wiederaufbau der Ukraine vorantreiben will. Sie rechnet mit enormen positiven Effekten im In- und Ausland.

Wiederaufbau der Ukraine

Gemäss verschiedenen Wirtschaftsforschungsinstituten könnte der Wiederaufbau der Ukraine das polnische Bruttoinlandprodukt um 3 bis sogar 4,2 Prozent steigern. Doch die eigentlichen positiven Effekte kommen noch. Verschiedene Unternehmen etwa in der Bauwirtschaft, der Stromproduktion, der Landwirtschaft oder der Informationstechnologie wollen den Wiederaufbau benützen, um zu experimentieren.

Produkte und Prozesse, die sie noch nicht im Heimmarkt ausprobieren können (oder wollen), werden testweise in der Ukraine umgesetzt. Zudem wollen die Unternehmen an ihrer Brückenbauerfunktion und am privilegierten Zugang zum ukrainischen Arbeitsmarkt – über die derzeitigen Flüchtlinge – verdienen.

Während in vielen EU-Ländern pessimistische Nabelschau betrieben wird, denkt Polen anders. Dort herrscht die Haltung, das Beste werde erst noch kommen. Polen sehen Chancen, wo andere bloss Probleme sehen.Sc

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