Publiziert am: 14.04.2023

«Verständliche Titel fehlen»

MATTHIAS SAMUEL JAUSLIN – «Top ausgebildete Schweizer Fachkräfte werden international in ihrer Karriere behindert»: Der Aargauer Unter­neh­mer und FDP-Nationalrat setzt sich dafür ein, dass sie den Titel «Pro­fes­sional Bachelor» und «Professional Master» tragen dürfen.

Schweizerische Gewerbezeitung: Sie sind Unternehmer: Warum sind die beiden Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» für die Absolventen der Höheren Berufsbildung wichtig?

Matthias Samuel Jauslin: Es geht darum, dass wir angehenden Berufsleuten aufzeigen können, dass auch eine branchenbezogene Weiterbildung zu international anerkanntem Titel führen kann. Es ist stossend, dass unser duales Berufsbildungssystem im Ländervergleich zwar top ausgebildete Fachkräfte hervorbringt, diese aber international alleine wegen der Bezeichnung in den späteren Karriereschritten benachteiligt werden. Für die höhere Berufsbildung gibt es über 400 verschiedene Berufsbezeichnungen. Einen einheitlichen, übergeordneten Titel sucht man vergebens. Wenn mich junge Berufsleute in meinem Betrieb nach den Karrieremöglichkeiten fragen, kann ich selbstverständlich all die Chancen einer Unternehmerin oder eines Unternehmers aufzeigen, aber verständliche und in der aktuellen Berufswelt gängige Titel fehlen. Der Abgang von cleveren Berufsleuten Richtung Fachhochschule ist damit schon vorprogrammiert, weil sie sich über diesen Weg höhere Wertschätzung ausrechnen.

«Die akademische Szene scheint die Problematik am Arbeitskräftemarkt tatsächlich nicht zu verstehen.»

Die Abschlüsse der höheren Berufsbildung sind arbeitsmarktnah, weil ihre Inhalte von der jeweiligen Branche stark mitbestimmt werden. Weshalb braucht es dennoch die beiden Titelzusätze «Professional Bachelor» und «Professional Master»?

In unserer Gesellschaft geht gerne immer wieder vergessen, dass die Wirtschaft ohne Praktiker nicht funktionieren kann. Im Gegensatz zu dem akademischen Bildungsweg achten die Branchenverbände darauf, dass die Anzahl Auszubildender in etwa dem Marktbedürfnis entsprechen und die Absolventen in der Berufswelt Mehrwert schaffen können. Doch der Weg zu einer höheren Berufsprüfung oder zu einem Meisterdiplom ist kein Spaziergang, und die Durchfallquoten sind hoch. Zudem verläuft die Weiterbildung vielfach berufsbegleitend – mit der entsprechenden Doppelbelastung. Nun gilt es, diesen Aufwand in Zukunft gebührend zu honorieren. Selbstverständlich im Wissen, dass ein «Professional Bachelor» noch kein akademischer Bachelor ist, sondern der Praxisbezug nach wie vor über der Theorie steht.

Die beiden Titel sollen bei Bewerbungen im Ausland die Fähigkeiten ihrer Träger besser zur Geltung bringen. Was können – resp. könnten – sie im Kampf gegen den Fachkräftemangel im Inland leisten?

Leider ignorieren die HR-Abteilungen von internationalen Konzernen die aktuellen Berufsbezeichnungen und deren Bildungswege mit einer unerhörten Arroganz. In der Schweiz sind vor allem bei mittelgrossen und grossen Unternehmen ähnliche Haltungen feststellbar. Sogar bei staatsnahen Betrieben werden die uns bekannten Bezeichnungen einer Höheren Fachprüfung als minderwertiger eingestuft. Damit verbunden reduzieren sich die Aufstiegschancen. Dass dann ein im Ausland ausgebildeter Bachelor oder Master mit deutlich weniger Fachwissen und Praxiserfahrung zum Handkuss kommt, kann ja nicht die Idee unseres hochgelobten dualen Berufsbildungssytems sein. Doch solche Tendenzen führen dazu, dass eine normale Berufslehre mit anschliessender höherer Berufsbildung an Attraktivität verliert. Deshalb gilt es, hier korrigierend einzugreifen.

Der Ständerat hat sich in der Frühjahrssession – gegen den ausdrücklichen Willen seiner Kommission – die Einführung von Titelzusätzen wie «Professional Bachelor» und «Professional Master» abgelehnt. Weshalb steht das «Stöckli» hier auf die Bremse?

Der politische Einfluss der Universitäten und Fachhochschulen wirkt. Man erachtet es scheinbar als Gefahr, dass mit solchen Bezeichnungen bei den Titeldefinitionen eine Verwässerung einhergeht. Leider blendete der Ständerat aus, dass im Ausland zahlreiche ähnliche Titel vergeben werden und sich Stellensuchende auch entsprechend bewerben. Daher wäre ein offizieller «Professional Bachelor» oder «Professional Master» eben keine Vermischung, sondern eine klare Bereinigung. Schade, dass der Ständerat das nicht verstehen will.

Nicht nur die Hochschulen, also die Universitäten, sondern auch die Fachhochschulen wehren sich gegen die neuen Titel. Wie erklären Sie sich diese Ängste seitens der Fachhochschulen?

Nun, die Fachhochschulen haben lange darum gekämpft, Titel wie Bachelor und Master anbieten zu dürfen. Nun wollen sie dieses Privileg wohl nicht einfach teilen. Sie erfinden ja auch ständig neue Studienlehrgänge, um die Klassenzimmer zu füllen und so die Wichtigkeit der Fachhochschulen zu unterstreichen. Leider verlieren wir als Gewerbler diese Personen im handwerklichen Tagesgeschäft. Zudem fürchten sich die Fachhochschulen wohl davor, sich plötzlich in Konkurrenz mit der höheren Berufsbildung zu sehen und sich nicht mehr nur über das Titelangebot in diversen Studienlehrgängen zu profilieren. Aus meiner Sicht müsste doch ein Nebeneinander möglich sein.

Nimmt die akademische Szene die höhere Berufsbildung tatsächlich nicht wahr, wie es der Berufsbildungsexperte Rudolf Strahm nach dem Abschiffer im Ständerat formuliert hat?

Die akademische Szene scheint die Problematik am Arbeitskräftemarkt tatsächlich nicht zu verstehen. Die Präsenz an Vorlesungen und Seminaren ist offenbar wichtiger als die Betriebsleistung in der Realwirtschaft. Leider hat man in diesen Kreisen immer noch nicht begriffen, dass uns die Fachkräfte fehlen, die neben dem theoretischen Wissen auch noch praktisch anpacken können.

Im Parlament gab es bereits vor zehn Jahren Vorstösse in Richtung «Professional Bachelor» und «Professional Master». Weshalb dauert das Ganze so lange?

Solange die Vertreter im Parlament die Anliegen des Gewerbes und der Praxis nur einfach zur Kenntnis nehmen, aber danach bei den Entscheidungsfindungen ausblenden, wird es kaum Verbesserungen geben. Vielleich ist das Bundesparlament einfach zu weit weg von der realen KMU-Wirtschaft.

«Wollen wir auch in Zukunft Gewerbebetriebe und praxisorientierte Fachkräfte, so gilt es, der höheren Berufsbildung mehr Sorge zu tragen.»

Welche Rolle spielt das Staatssekretariat SBFI in der schier endlosen Geschichte rund um die beiden Titelzusätze?

Am 13. Mai 2020 begründete der Bundesrat die Ablehnung einer ähnlich lautenden Motion damit, dass das SBFI bis im Sommer 2020 eine umfassende Auslegeordnung vornehmen würde und man diese Arbeiten doch abwarten solle. Inzwischen haben die Sozialpartner, darunter auch der Schweizerische Gewerbeverband sgv, die Arbeiten zusammen mit dem SBFI vorangetrieben. Am nationalen Spitzentreffen der Berufsbildung vergangenen November ist ein Massnahmenpaket zur besseren Positionierung der Höheren Fachschulen verabschiedet worden. Dieses umfasst unter anderem die Umsetzung eines Bezeichnungsschutzes der Institution «Höhere Fachschule» und die Prüfung des Titels «Professional Bachelor» bzw. «Professional Master».

Mit Ihrer Motion «Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung» wollen sie nun der Diskussion über die beiden Titel «Bachelor Professional, Master Professional» weiteren Schub verleihen. Was fordern Sie genau?

Die Forderung ist einfach und wird von Parlamentsmitgliedern quer durch alle Parteien im Nationalrat unterstützt: Wir beauftragen den Bundesrat, die Abschlüsse der höheren Berufsbildung aufzuwerten, indem jene Titelbezeichnungen gesetzlich verankert werden, welche die Titel- und Niveauäquivalenz mit anderen Titelbezeichnungen im In- und Ausland herstellen. Wollen wir auch in Zukunft Gewerbebetriebe und praxisorientierte Fachkräfte, so gilt es, diesem Bildungsweg mehr Sorge zu tragen.

Interview: Gerhard Enggist

ZUR PERSON

Matthias Samuel Jauslinvertritt die FDP seit 2015 im Nationalrat. Der Aargauer Unternehmer – er ist Inhaber und Geschäftsleiter des Elektroinstallationsbetriebs Jost Wohlen AG – ist Mitglied der Schweizerischen Gewerbekammer, des Parlaments des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv.

www.matthias-jauslin.ch

Weiterführende Artikel

Meist Gelesen