Publiziert am: 12.05.2023

Die Meinung

Wer zu spät kommt …

Das Bonmot ist bekannt und viel zitiert. Wenn es aber für einmal seine Berechtigung hat, dann mit Blick auf den zügig vorangehenden Wandel der Arbeitswelt. Wer das Risiko trägt, allenfalls bestraft zu werden, sei im Folgenden aufgezeigt.

Beginnen wir bei der AMOSA, der Arbeitsmarktbeobachtung Ostschweiz, Aargau, Zug und Zürich, die in dieser Woche eine Studie unter dem Titel «Arbeit 4.0 – The Future of Work» präsentierte. Darin stellt sie fest: «Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt grundlegend. Neue Technologien, Prozesse und Geschäftsmodelle verändern den Arbeitsmarkt und damit auch die Anforderungen an die Kompetenzen der Arbeitskräfte.»

Das ist zunächst keine bahnbrechende Erkenntnis und bestätigt die seit Längerem breit ge-führte Diskussion zu dieser Thematik. Eine andere, unbestrittene Binsenwahrheit ist, dass unser flexibler Arbeitsmarkt für die Schweiz im internationalen Vergleich ein wichtiger, unverzichtbarer Standortvorteil ist.

Allerdings – und hier kommt das grosse Aber – geht der politische Trend in eine immer dichtere Regulierung des Schweizer Arbeitsrechts. Das ist in zweierlei Hinsicht problematisch.

Zum einen gilt es festzustellen, dass das geltende Arbeitsgesetz der Industriezeit vor siebzig Jahren entspricht. Bildlich gesprochen und etwas ĂĽberspitzt dargestellt gehen die Bestimmungen immer noch davon aus, dass der Arbeiter neben der Stechuhr und hinter der Fertigungsmaschine steht.

Zum anderen ist der Wandel zu unserer heutigen modernen Dienstleistungsgesellschaft nur teilweise nachvollzogen. Die Herausforderungen der Digitalisierung mit all ihren Ausprägungen sind überhaupt nicht abgebildet. Gesellschaftliche Trends – Homeoffice als nur ein Stichwort – orientieren sich aber nicht an gesetzlichen Vorschriften, sondern an den Bedürf-nissen der Menschen in einer modernen, sich verändernden Gesellschaft.

Der Schweizerische Gewerbeverband hat vor diesem Hintergrund bereits im Dezember 2020 seine Forderungen zu Anpassungen an einen modernen Arbeitsmarkt präsentiert. Der Arbeit-geberverband hat in den letzten Wochen mit den weitgehend gleichen Forderungen wie der sgv nachgezogen.

Vor diesem Hintergrund wäre eigentlich eine politische Diskussion möglicher Reformschritte im Arbeitsgesetz angesagt. Doch wie eine Anekdote rund um die Pressekonferenz der eingangs erwähnten Studie zeigte, sind wir davon offenbar weit entfernt.

Im Hinblick auf die Digitalisierung und das markant zunehmende Online-Shopping vorwiegend an Wochenenden machte sich die Volkswirtschaftsdirektorin Kanton Zürich zu Recht Gedanken über die Ladenöffnungszeiten am Sonntag. Dem virtuellen Kauf soll ein konsumentenfreundliches Einkaufserlebnis gegenübergestellt werden. Dies nicht zuletzt angesichts der Tatsache, wonach in den letzten Jahren gemäss Studien im Detailhandel jeder fünfte Arbeitsplatz verloren ging.

Wie immer in solchen Fällen reagieren die Gewerkschaften mit Abwehrhaltung und Stereotypen. Die Volkswirtschaftsdirektorin bediene sich eines Vorwands, und das Verkaufspersonal wolle am Sonntag keine Ladenöffnung. Ein Journalist dazu lakonisch: «Fakt ist, die Digitalisierung läuft weiter.» Und ebenso Tatsache ist: Wer bei seit Jahren rückgängigen Mitgliederzahlen ideen- und visionslos seine bröckelnde Machtposition zu verteidigen versucht, den bestraft das Leben.

Lesen Sie dazu auch

Meist Gelesen