Publiziert am: 07.07.2023

Bedürfnisse der KMU nicht vergessen

RAUMPLANUNG – In der Sommer­session setzte sich der Nationalrat mit der zweiten Etappe der Raum­planungs­ge­setzes­revision (RPG 2) auseinander. Er strich Flexibilisierungselemente und gestaltete die Vorlage restriktiver aus. Der sgv bleibt kritisch eingestellt und fordert, dass stärker auf die Anliegen der Unternehmen eingegangen wird.

RPG 2 ist seit Jahren ein Dauerbrenner. Dabei geht es um die Weiterentwicklung der Bestimmungen über das Bauen ausserhalb der Bauzone. Ziel ist es, den Boden haushälterischer zu nutzen. Die derzeit im Parlament beratene Vorlage beinhaltet drei Mechanismen: Einen Stabilisierungsansatz, um die Anzahl der Gebäude sowie die Bodenversiegelung zu beschränken. Eine Abbruchprämie, welche beim Rückbau von Gebäuden entrichtet wird, schafft einen Anreiz für die Beseitigung nicht mehr benötigter Bauten. Zuletzt sieht ein Kompensationsmechanismus vor, dass bei der Errichtung neuer Gebäude andernorts ähnliche Gebäude rückgebaut werden müssen, damit die Anzahl Bauten nicht stärker zunimmt.

Ständerat führt Flexibilisierungen ein

Dem Ständerat war die Vorlage zu restriktiv. So beschloss er im Sommer 2022, in verschiedenen Bereichen Flexibilisierungen einzuführen. Dazu gehörten die Ausnahme von Landwirtschaft und Tourismus vom Stabilisierungsansatz, mehr Handlungsspielraum für die Kantone, um mithilfe von Spezialzonen auf die lokalen Gegebenheiten einzugehen, die Umfunktionierung von ungenutzten Bauten zu Wohnzwecken, die Bewilligung von Anlagen in funktionellem Zusammenhang zu bestehenden Bauten usw.

Die Vorlage wurde vom Ständerat als indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative formuliert. 2021 eingereicht, fordert diese, die Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet in der Verfassung zu verankern und die Anzahl der Gebäude ausserhalb der Bauzone auf dem heutigen Stand zu plafonieren.

Nationalrat kehrt zurück zu starrerer Version

Der Nationalrat beriet Mitte Juni über die Vorlage. Dabei machte er einige Entscheide des Ständerats rückgängig. So soll das Instrument der Spezialzonen beispielsweise nur noch den Berggebieten zur Verfügung stehen, und nicht allen Kantonen. Nicht standortgebundene Anlagen, die einen funktionellen Zusammenhang zu bestehenden Bauten haben, sollen nicht bewilligt werden. Dadurch entsteht Rechtsunsicherheit für betroffene Branchen, z.B. die Kies- und Betonindustrie, und Bauten wie Recyclingwerke müssen möglicherweise in die Bauzone verlagert werden. Auch die Umnutzung nicht mehr benötigter landwirtschaftlicher Bauten zu Wohnzwecken soll entfallen.

Aufgrund der fehlenden Flexibilisierung, durch welche sich die nationalrätliche Version auszeichnet, werden kaum Anliegen der KMU aufgenommen. Die Vorlage geht nun zurück an den Ständerat, dessen vorberatende Kommission die Behandlung bereits im Juli 2023 wieder aufnimmt.

Gewerbeverband bleibt skeptisch

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv beurteilt die Vorlage zum aktuellen Zeitpunkt kritisch. In der weiteren Behandlung fordert er, dass stärker auf die Bedürfnisse der Unternehmen eingegangen wird. Dies bedingt, dass alle Kantone auf die unterschiedlichen Gegebenheiten mithilfe von Spezialzonen eingehen können. Weiter sollten nicht standortgebundene Anlagen, welche in funktionellem Zusammenhang mit bestehenden Bauten stehen, zugelassen werden.

Problematisch sind die Abbruchprämie und die Kompensationspflicht. Beide Mechanismen sind in der Umsetzung komplex und können zu noch mehr Einschränkungen anstelle der beabsichtigten Vereinfachungen führen.

Auch das Konzept der «Stabilisierung» ist noch nicht ausgereift. Denn es ist nicht definiert, dass diese auch eine Erhöhung zulässt. Dies muss jedoch aus Sicht des sgv zwingend der Fall sein, da es sich sonst dabei um nichts anderes als die von der Landschaftsinitiative geforderte Plafonierung handelt. Weiter ist die Stabilisierung der Bodenversiegelung auf Gebäude zu beschränken, da ansonsten die bedürfnisorientierte Weiterentwicklung der Infrastruktur verunmöglicht würde. Zuletzt lehnt der sgv dezidiert den expliziten Vorrang der Landwirtschaft ab, welchen die Vorlage im Gesetz verankern will. Denn dieser schafft den Boden für Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Tätigkeiten der KMU.

Michèle Lisibach,

Ressortleiterin sgv

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