Mit der Elektromobilität kehrt endlich wieder Vernunft ein in der PS-Branche. So zumindest dachten sich das viele. Doch weit gefehlt: Die neue Antriebsform eröffnet den Herstellern Möglichkeiten, von denen auch die grössten Leistungsfanatiker vor Jahren nicht zu träumen wagten. Brave Familienkutschen beschleunigen plötzlich wie Hypercars, die Hersteller überbieten sich gegenseitig mit immer grösseren Batterien und immer höheren Leistungswerten.

Der Tesla Model X Plaid ist ein Paradebeispiel dafür. Der fünf Meter lange, sechsplätzige SUV sprengt den Rahmen des bisher Dagewesenen: Seine drei E-Motoren erzeugen gemeinsam eine Leistung von 750 kW – das sind 1020 PS in alter Währung. Die daraus resultierenden Fahrleistungen sind haarsträubend: Dank Allradantrieb sprintet der 2,5 Tonnen wiegende Familienwagen in unfassbaren 2,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Solche Kräfte müssen erst mal verkraftet werden: Beim Tritt auf das Fahrpedal klatscht der Kopf an die Sitzlehne, die Eingeweide werden an die Wirbelsäule gepresst und die Atmung stockt. Doch der neue X kann auch anders: Im Long-Range-Modus beschleunigt er sanfter und wird zum komfortablen Gleiter.

Drei Jahre Gratisstrom

Um bei dieser Leistung und dem Gewicht eine alltagstaugliche Reichweite bieten zu können, haben die Amerikaner eine 100-kWh-Batterie verbaut – damit schafft der SUV mit den charakteristischen Flügeltüren im Fond eine Normreichweite von 543 Kilometer. Wer sich allerdings gerne Beschleunigungsorgien hingibt, reduziert die Reichweite natürlich drastisch. Geladen wird ultraschnell: An einem Tesla-Supercharger, den die Käufer eines Model X drei Jahre lang gratis nutzen können, saugt der SUV mit bis zu 250 kW – damit kann gemäss Hersteller in 15 Minuten der Strom für weitere 280 Kilometer geladen werden.

Mit einem Preis ab 127 990 Franken ist der Model X Plaid regelrecht ein Schnäppchen. Denn abgesehen vom überragenden Antriebsstrang bietet er eine erstaunlich luxuriöse Ausstattung mit bequemen Einzelsitzen und einem topmodernen Cockpit mit riesigem Touchscreen, über den so gut wie alles eingestellt werden muss. Dass dieser vom Fahren ablenkt, lässt sich nicht wegdiskutieren – Tesla begegnet dem mit dem wohl besten Spurhalteassistenten auf dem Markt. Sehr gewöhnungsbedürftig ist das Yoke genannte Lenkrad, das gar kein Rad ist, sondern eher ein abgerundetes Rechteck im «Knight-Rider»-Stil. Dieses optionale Feature ist typisch Tesla: Futuristisch, cool und vielleicht sogar bahnbrechend – eine Verbesserung gegenüber dem konventionellen Volant ist es nicht.

Dave Schneider

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