Publiziert am: 07.07.2023

Diskriminierung ist ineffizient

LOHNGLEICHHEIT – Nach der Annahme der Mindestlohninitiativen in den Städten Zürich und Winterthur bleibt auch die Diskussion um Lohngleichheit aktuell. Übertriebene Angstmacherei ist aber fehl am Platz.

In ihrem Juni-Newsletter hat die Fachstelle Gleichstellung des Kantons Zürich auf den feministischen Frauenstreiktag aufmerksam gemacht und beiläufig darauf hingewiesen, dass «das Einkommen der Frauen im Schnitt 43,2% unter demjenigen der Männer» liege. Basis ist ein von der SP eingereichtes und vom Bundesrat beantwortetes Postulat zum «Gender Overall Earnings Gap». Der Newsletter hat im Zürcher Kantonsrat Vorstösse provoziert.

Erklärbar oder unerklärbar?

Die Lohngleichheit ist in Art. 8 Abs. 3 der Bundesverfassung verankert. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv steht zu dieser Verfassungsnorm, weshalb er sich seit Jahren am Lohngleichheitsdialog beteiligt hat. Dass es heute noch Lohnunterschiede gibt, ist nicht zu bestreiten. Werden für gleiche Arbeiten unterschiedliche Löhne bezahlt, ist aber zwischen erklärbaren und unerklärbaren Lohndifferenzen zu unterscheiden. Zu den erklärbaren Differenzen zählen z.B. der persönliche Karriereverlauf, die Qualifikation, Weiterbildungen, die Anzahl Jahre Berufserfahrung oder auch Unterbrüche in der Berufsausübung – die wohl wichtigste Variante dabei: Mutterschaft – oder Veränderungen, die sich in Abhängigkeit von Ausbildung, Funktion usw. erklären lassen.

Es gibt auch unerklärbare Differenzen, wie Studien aufzeigen. Diese sind aber längst nicht so gross, wie von linker Seite gerne immer wieder behauptet wird – und sie dürften tendenziell abnehmend sein. Das hat der Bundesrat bereits 2017 in seiner Botschaft zur Revision des Gleichstellungsgesetzes festgehalten. Die Änderung des Gleichstellungsgesetzes sah damals vor, dass Unternehmen mit 50 oder mehr Angestellten künftig alle vier Jahre eine Lohngleichheitsanalyse durchführen, diese von einer unabhängigen Stelle überprüfen lassen und über das Resultat informieren müssten.

Ab 100 Mitarbeitenden Pflicht

Das Parlament korrigierte die Vorlage. Heute müssen Firmen ab 100 Mitarbeitende die Lohngleichheitsanalysen durchführen und die Ergebnisse den Mitarbeitenden und Aktionären kommunizieren, erstmals per Ende Juni 2023. Vorstösse aus der SP wollten die Schwelle von 100 wieder auf 50 senken, sind aber kläglich gescheitert. Für den Schweizerischen Gewerbeverband steht fest: Bei kleineren Firmen ergibt eine Lohngleichheitsanalyse keinen Sinn, da sie kaum vergleichbare Tätigkeiten und Verhältnisse aufweisen.

Für grössere Firmen hat eine im Juni veröffentlichte und vom Arbeitgeberverband in Auftrag gegebene Studie ergeben, dass 99,3 Prozent der ausgewerteten Unternehmen das Gleichstellungsgesetz und damit die Lohngleichheit einhalten. Die Universität St. Gallen hat Ergebnisse betrieblicher Lohngleichheitsanalysen von insgesamt 615 Unternehmen mit rund 550 000 Mitarbeitenden zusammengetragen. Im Ergebnis resultiert eine unerklärte Lohndifferenz von 3,3 Prozent. Das Resultat dieser wie auch früherer Studien zeigt, dass die Arbeitgeber ihren Pflichten grundsätzlich nachkommen.

Im Interesse auch der Arbeitgeber

Für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist es nicht eine Frage der Diskriminierung, sondern eine ökonomische Notwendigkeit, gleiche Löhne zu zahlen: Bekanntlich werden heute und in den nächsten Jahren mehr Arbeitskräfte den Arbeitsmarkt verlassen, als neu in den Arbeitsmarkt eintreten. Die Arbeits- und insbesondere die Fachkräfteknappheit nehmen zu. Zusätzlich gilt seit fünf Jahren die Stellenmeldepflicht, die das Potenzial, Leute im Ausland zu rekrutieren, einschränkt.

Die Position der Arbeitnehmenden und ihre Marktmacht werden sich insgesamt verbessern. Ein Arbeitgeber kann sich gar nicht mehr leisten, nicht marktgerechte oder sogar diskriminierende Löhne zu zahlen. Diskriminierung ist ineffizient und wird vom Markt sanktioniert. Die Folgen sind hohe Personalfluktuation und Rekrutierungskosten. Und daran kann kein Unternehmen interessiert sein.

Dieter Kläy,

Ressortleiter sgv

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