Publiziert am: 07.07.2023

Ohne Strom geht gar nichts

KLIMAGESETZ – Kaum fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten hat sich die Energiestrategie 2050 als falsch entpuppt. Also gilt es nun, die neuen Erneuerbaren massiv auszubauen. Dass dies alleine reichen wird, ist zu bezweifeln. Deshalb muss auch die Option Nuklearenergie wieder auf den Tisch.

Das Volk hat das Klima- und Innovationsgesetz KIG mit 59 Prozent Ja klar angenommen. Neben den Netto-Null-Emissionen bis 2050 will das Gesetz Impulse für den Heizungsersatz und für die Innovation geben. Was bedeutet das alles konkret?

Bewusste Rahmengesetzgebung

Dieses Gesetz lässt sich mit einem Haus im Rohbau vergleichen. Die Struktur und die Einteilung der Zimmer stehen. Nun müssen der Ausbau und später die Einrichtung folgen. Denn das, was das Volk angenommen hat, ist bewusst als Rahmengesetzgebung gestaltet. Nur die Emissionsreduktionsziele und einige Finanzierungen sind festgelegt. Wie diese Ziele zu erfüllen sind und wie die Finanzierung getragen oder auch verteilt wird, muss erst noch festgelegt werden.

Es ist also an der Politik, die Ausführungsgesetzgebung zu machen, d. h. den Ausbau des Hauses in die Hand zu nehmen. Die Einrichtung, so das Versprechen des Bundes, wird dann von der Wirtschaft gemacht. Derzeit weiss man also wenig über den Stand des Ausbaus. Die vielleicht konkretesten Punkte sind der Ersatz von Ölheizungen und die Technologiefinanzierung.

Klimafreundlich heizen

Der Bund bringt es auf den Punkt: «Das Klima- und Innovationsgesetz hält fest, dass der Schweizer Gebäudepark ab dem Jahr 2050 kein Treibhausgas mehr ausstossen soll. Das Heizen von Gebäuden verbraucht 40 Prozent der Gesamtenergie in der Schweiz und verursacht rund ein Viertel des Treibhausgas-Ausstosses.» Also gilt es, fossil betriebene Heizungen zu ersetzen.

Während zehn Jahren sollen jährlich 200 Millionen Franken zur Verfügung stehen, um diese Heizungen durch klimafreundlichere zu ersetzen. Daneben sollen auch die Elektroheizungen ersetzt werden – in der Hoffnung, den Stromverbrauch einzudämmen.

Innovation und Technologie

Bis zum Jahr 2050 müssen auch die Unternehmen – und zwar alle – klimaneutral sein. Dafür können sie Fahrpläne erarbeiten, in denen sie aufzeigen, wie sie dieses Ziel erreichen möchten. Der Bund unterstützt jene Unternehmen, die rasch vorangehen und bis 2029 solche Fahrpläne erarbeiten.

Daneben will der Bund noch Finanzhilfen von maximal 200 Millionen Franken pro Jahr bis zum Jahr 2030 «für die Anwendung von neuartigen, klimafreundlichen Technologien und Prozessen» aussprechen. Darunter fallen etwa Hochtemperaturwärmepumpen, aber auch Technologien, die CO2 in Industriekaminen und aus der Atmosphäre entnehmen. Mindestens diese Auskunft gibt der Bund.

Strom ist Dreh- und Angelpunkt

Die Umsetzung der ambitiösen Emissionsreduktionszielsetzung hängt davon ab, über wie viel Strom die Schweiz verfügt. Dabei ist es zunächst unwesentlich, ob sie den Strom selber produziert oder vom Ausland einkauft. Ohne Strom funktioniert das Ganze nicht. Über den Bedarf in Zahlen streiten sich die Geister. Der untere Wert scheint aber 40 Terawattstunden zu sein, die man zubauen muss. Das entspricht etwa zwei Dritteln des aktuellen Jahresverbrauchs.

Derzeit arbeitet das Parlament mit Hochdruck an der Korrektur der Energiestrategie 2050. Kaum fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten hat sie sich als falsch entpuppt. Also gilt es nun, den Zubau von Kapazitäten zur Produktion neuen erneuerbaren Stroms massiv auszubauen. Vielleicht – oder eher vermutlich – wird das aber nicht ausreichen. Deshalb sagte Bundesrat Albert Rösti, als das KIG angenommen wurde, man müsse über mehr Technologien zur Stromproduktion nachdenken. Das heisst im Klartext: Nuklear.

Das Klima- und Innovationsgesetz ist noch im Ausbau. Dieser wird Zeit beanspruchen, und das wird wieder einiges an politischem Hin und Her bedeuten. So viel ist heute schon klar.

Henrique Schneider, Stv. Direktor sgv

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