Publiziert am: 11.08.2023

«Die Stilfrage ist ‹Chabis›»

BENJAMIN GIEZENDANNER – Der Aargauer Transportunternehmer, SVP-Nationalrat und Ständeratskandidat über die bürgerliche Zusammenarbeit rund um «Perspektive Schweiz», die Notwendigkeit unternehmerischen Denkens in der Politik – und die Not­wendigkeit sicherer Energiequellen wie der Kernkraft.

Schweizerische Gewerbezeitung: Sie sind Vater dreier Kinder. Seit 2019 sitzen Sie für die Aargauer SVP im Nationalrat, seit 2020 sind Sie Präsident des Aargauischen Gewerbeverbands: Wie bringen Sie Familie, Unternehmertum und Politik auf die Reihe?

Benjamin Giezendanner: In der Tat gelingt dieses Engagement nur aufgrund eines intakten Familienlebens, wobei meine Frau Jasmine mich überall stark unterstützt. Selbstverständlich investiere ich einen grossen Teil meiner Freizeit in die Politik, weshalb ich momentan nicht viele Hobbys aktiv pflege. Jedoch unterschätzen viele Unternehmer den Lerneffekt der Politik. Indem man sich mit den Themen beschäftigt, gewinnt man auch einen Vorteil für das eigene Gewerbe, sieht Entwicklungen voraus und kann diese geschickt ausnutzen. Insbesondere die Energiewende bietet uns allen viele neue Chancen, welche es zu nutzen gilt.

Der bisherige Aargauer SVP-Ständerat Hansjörg Knecht beendet auf Ende der Legislatur seine politische Laufbahn, weil es für ihn immer schwieriger geworden sei, Milizamt und Beruf unter einen Hut zu bringen. Sie wollen Knechts Sitz im Ständerat übernehmen. Wieso schätzen Sie die Lage anders ein?

In unserem Unternehmen darf ich auf zahlreiche Stützen in der Geschäftsführung und dem erweiterten Kader zählen, welche meine Präsenz nicht zwingend verlangen. Ausserdem habe ich die Gnade mit meinem Wohn- und Arbeitsort, dass ich jeden Morgen innerhalb von 40 Minuten im Bundeshaus sein kann und abends jeweils noch ins Geschäft gehen kann. Jedoch darf es nicht sein, dass man ein solches Amt nur innerhalb eines gewissen Radius von Bundesbern ausüben darf. Vielmehr kämpfe ich dafür, dass maximal ein Drittel der Arbeitszeit für parlamentarische Arbeit eingesetzt werden muss. Dieser Einsatz soll aber auch nur mit einem Drittel eines durchschnittlichen Lohnes abgegolten werden. So würden wieder vermehrte Berufskenntnisse in die Gesetzgebung einfliessen und unnötige Vorstösse und Bürokratiemassnahmen verhindert werden.

Weshalb ist es wichtig, dass sich Unternehmer ĂĽberhaupt in der Politik engagieren?

Unser Wohlstand wird durch Unternehmen, die Gewinne erzielen, generiert. Diese investieren und schaffen Arbeitsplätze. Unternehmer, Manager und Aktionäre sind als Staatsbürger besonders gefordert, Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu tragen. Diese Verpflichtung gilt für diese Kreise sogar mehr als für normale Bürger. Damit Beruf und Politik wieder vereinbar werden, müssen wir die zeitliche Belastung eingrenzen. Andernfalls gibt es bald nur noch Berufspolitiker, die von ihrem Mandat abhängig sind und zusätzlich im Sold von gut bezahlten Verbands- und Verwaltungsratsmandaten stehen.

Nach langem Zögern gehen die Aargauer SVP und die FDP für die Wahlen eine Listenverbindung ein. Auch in Zürich reichte es nur sehr knapp für ein Ja zu einer Listenverbindung. Haben Sie Verständnis für die Zurückhaltung seitens gewisser FDPler und für deren Begründung – Stilfragen seitens einiger SVPler?

Die Stilfrage ist «Chabis». Genauso gut könnten sich Kreise der SVP darüber ärgern, dass man mit unseren Stimmen linke FDP-Politiker in den Nationalrat wählt, welche während vier Jahren die Gewerbepolitik mit Füssen getreten haben. Bei den Listenverbindungen geht es darum, dass wir zusätzliche Sitze ins bürgerliche Lager holen und endlich wieder einen Richtungswechsel erzielen. Vielmehr beschäftigt mich, dass Die Mitte sich gegen eine bürgerliche Politik entscheidet und sich mit wirtschaftsfeindlichen Kreisen ins Bett legt. Hoffnung gibt mir jedoch «Perspektive Schweiz», welche die verbleibende bürgerliche DNA dieser Partei stärken wird.

Sie sind Transportunternehmer und sitzen in der Kommission fĂĽr Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats, KVF-NR. Was halten Sie vom Vorschlag einer Maut fĂĽr die Fahrt durch den Gotthardtunnel?

Eine Maut für den Gotthardtunnel ist eine absurde Idee, da diese aufgrund des Landesverkehrsabkommens den Ausweichverkehr durch Uri noch mehr anheizen würde. Gleichwohl ist diese wiederkehrende Idee brandgefährlich, da es der erste Schritt zu einem Road Pricing wäre. Dabei werden zukünftig verschiedenste Strecken auch in viel befahrenen Agglomerationen bepreist und einmal mehr der motorisierte Individualverkehr zu Kasse gebeten, womit jeder Gewerbetreibende bezahlen muss.

Angesichts weiter zunehmender Staus auf Schweizer Strassen fordern Sie einen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur – und zwar auf Strasse und Schiene. Weshalb sollen beide Transportarten, ÖV und MIV, gefördert werden?

Das Wachstum der Bevölkerung sowie das individuelle Bedürfnis nach mehr Mobilität machen einen Ausbau der Infrastruktur notwendig. Das übergeordnete Ziel muss es sein, dass sich die Verkehrsträger mit ihren Stärken ergänzen und nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Auf linker Seite herrscht leider noch immer ein ideologischer Grabenkampf, womit in der vergangenen Legislatur eine Weiterentwicklung der Strasse nahezu unmöglich war. Wir dürfen nicht vergessen, dass rund 80 Prozent der geleisteten Personenkilometer auf der Strasse erfolgen. Eine Verhinderungspolitik führt zu einem Infarkt und generiert hohe volkswirtschaftliche Kosten. Zukünftig gilt es, Verkehrsengpässe zu beseitigen und bedarfsorientierte Ausbau des ÖV, des MIV und des Langsamverkehrs zu fördern.

«Eine Maut für den Gotthardtunnel ist eine brandgefährliche Idee.»

Der Präsident der FDP Schweiz, der Aargauer Thierry Burkart, stellte an dieser Stelle im Juni fest, die Schweizer Energiepolitik habe versagt, und stellte die Forderung nach einem Weiterbetrieb bestehender und dem Bau neuer Kernkraftwerke. Teilen Sie diese Meinung?

Die Aussagen des FDP-Präsidenten teile ich vollumfänglich. Die Energiestrategie 2050 ist gescheitert, und es braucht keine Träumereien mehr, sondern wir sollten auf den Boden der Tatsachen zurückkehren und überlegen, was energiepolitisch funktioniert und was nicht geht. Wir können nicht alleine mit dem Wind- und Sonnenstrom agieren, weil der viel zu wechselhaft ist. Ausserdem wollen wir möglichst unabhängig von ausländischen Verträgen sein, da dies gegen uns ausgespielt werden kann. Die Produktionsanlagen von Flatterstrom brauchen immer eine regelbare Energie, wenn die Wettersituation ungünstig ist. Dafür braucht es entweder Gas, Kohle oder Atomkraft. Da Kohle ungemein schmutziger als Gas ist und Gas bis spätestens 2050 ersetzt werden muss, gibt es als logische Antwort nur Kernkraft.

Die Schweizer Wirtschaft wird von einem Mangel an Arbeits- und Fachkräften gebeutelt. Wie finden Sie in Ihrem Unternehmen die passenden Mitarbeitenden und auch Lehrlinge?

Der Fachkräftemangel ist im Transportbereich stark spürbar. Unser Unternehmen bildet Lernende aus, doch die Alterspyramide zeigt auf, dass nur mit diesem Mittel der Bedarf nicht gedeckt werden kann. Ausserdem hilft uns die Personenfreizügigkeit nur bedingt, da mittlerweile viele Fahrer einwandern, welche qualitativ unsere Anforderungen nicht erfüllen.

Es braucht eine Kehrtwende bei der Migration, da alleine 2022 netto über 80 000 Menschen eingewandert sind und unser Bedarf damit nicht gedeckt werden konnte. Das System scheint nicht zu funktionieren, was man als Unternehmer und Politiker auch benennen darf. Zukünftig muss über zusätzliche Drittstaatenkontingente nachgedacht werden, auch für einfache gewerbliche Berufe, und im Gegensatz die Personenfreizügigkeit beschränkt werden. Dabei muss das Thema von der politischen auf die wirtschaftliche Agenda verschoben werden.

Daniel Schöni, Transportunternehmer wie Sie auch, sieht eine mögliche Lösung darin, zum Beispiel Afrikaner als neue Fachkräfte zu gewinnen. Was halten Sie von solchen Ideen?

Die offiziellen Statistiken zeigen, dass genügend junge Männer aus Afrika in der Schweiz sind, aber nur schwer in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Anstatt in den Arbeitsmarkt integrieren sich diese sogleich in den Sozialstaat, was einer tickenden sozialpolitischen Zeitbombe gleichkommt. Jedoch sollte die Politik das Grundproblem des vorerwähnten Unternehmers ernst nehmen. Fakt ist, dass die Personenfreizügigkeit die falschen Leute anlockt, weshalb wir diese beschränken sollten, was das Stimmvolk vor einigen Jahren sogar in der Verfassung verankert hat. Zukünftig brauchen wir ausländische Arbeitskräfte, welche in unserem Land arbeiten wollen, wie dies viele unserer in Pension tretenden oder getretenen Mitarbeitenden aus Italien, Portugal, Spanien und dem Balkan getan haben.

Letzte Frage: Wie stehen Sie zur SRG-Initiative «200 Franken sind genug», wenn Sie an die Entlastung der Unternehmen denken?

Diese Initiative unterstütze ich vollumfänglich. Einerseits haben wir parlamentarisch lange dafür gekämpft, dass Unternehmen von der Gebühr befreit werden, und sind stets unterlegen. Es macht schlicht keinen Sinn, dass Gewerbetreibende sowohl im privaten Gebrauch als auch im Unternehmen und damit doppelt besteuert werden.

Ausserdem scheint mir eine Besinnung des staatlichen Angebots auf das regionalpolitisch Notwendige und nicht das Wünschbare dringendst angebracht. Mittlerweile verwirklichen sich linke Medienschaffende bei der SRG fern jeder Realität – und wir müssen dies mitfinanzieren.

Interview: Gerhard Enggist

www.benjamin-giezendanner.ch

www.perspektiveschweiz.ch

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